Beckstein lobt Aalen als absolut vorbildlich
Früherer bayerischer Ministerpräsident spricht im Rahmen des Reformationsjubiläums im Weststadtzentrum
AALEN - Reformation und Politik – das ist ein tolles Spannungsverhältnis. Dieses Fazit hat der frühere bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein im Weststadtzentrum gezogen. Dieses Spannungsverhältnis zeigte er in einem ebenso spannenden wie amüsanten Vortrag an seinem eigenen Lebensweg auf. In die Politik und vor allem ins Innenministerium sei er gegangen, weil er als Christ habe dorthin gehen wollen, wo das Spannungsverhältnis am größten ist. Und weil er habe sehen wollen, ob man mit der Bergpredigt einen Staat regieren kann. Seine Erfahrung: Man kann.
Keine Handlungsanweisungen aus der Bibel ableitbar
Allerdings könne man aus der Bibel nicht eindeutige Handlungsanweisungen ableiten. So sei natürlich auch jeder Flüchtling ein Ebenbild Gottes und einen Christen müsse es umtreiben, wenn im Mittelmeer massenweise Menschen zu Tode kommen. Dies heiße aber nicht, dass man alle im eigenen Land aufnehmen müsse. Vielmehr müsse man überlegen, wie man den Menschen in ihren eigenen Ländern helfen könne.
Absolut vorbildlich nannte Beckstein deswegen die Unterstützung aus Aalen, die syrischen Flüchtlingen in der türkischen Partnerstadt Antakya zugute kommt. OB Thilo Rentschler hatte ihm davon berichtet, als sich der Gast vor seinem Vortrag ins Goldene Buch der Stadt eingetragen hatte.
Nach Aalen gekommen war der CSU-Politiker auf Einladung der evangelischen Kirchengemeinde Unterrombach-Hofherrnweiler und auf Initiative ihres Vikars Jürgen Elschenbroich aus Anlass des Reformationsjubiläums. Dieses habe man anders als früher feiern wollen, sagte der ehemalige Präsident der bayerischen Landessynode und frühere EKD-Synodale. Früher hätten die Feiern der Selbstvergewisserung der Protestanten und der Abgrenzung der Konfessionen gedient. Dies sollte diesmal auf keinen Fall passieren, auch wenn die katholische Seite weniger von Jubiläum und mehr von Gedenken spreche.
Schöne Frauen für den Papst, lange Vorschriften für andere
Leider, sagte Beckstein weiter, habe es nicht den erhofften Durchbruch in der Ökumene gegeben. Das Allermindeste wäre in seinen Augen die gemeinsame Kommunion für konfessionsverschiedene Eheleute gewesen. „Ich bin ein Stück weit enttäuscht“, bekannte der Redner deswegen.
Mit seinen Berichten über seinen Umgang mit dem Katholizismus brachte Beckstein seine Zuhörer ein ums andere Mal zum Schmunzeln. Etwa mit der Schilderung seiner Audienz bei Papst Franziskus, an der auch eine nach Becksteins Beschreibung bildhübsche Frau teilnahm – mit einem für vatikanische Verhältnisse eigentlich sehr gewagten Ausschnitt. Franziskus habe dies nicht daran gehindert, mit der Dame ungezwungen zu schäkern. Von seinem bayerischen Gast darauf angesprochen, sagte das Kirchenoberhaupt auf deutsch: „Für uns Südamerikaner sind schöne Frauen ein Geschenk Gottes, für Euch sind lange Vorschriften wichtig.“
Für ihn als aufrechten Protestanten, bekannte Beckstein weiter, sei der katholische Heilige Antonius immer ein wichtiger Begleiter. Er sei ihm so ans Herz gewachsen, dass in der Staatskanzlei in München sogar die Büste von Franz Josef Strauß Antonius habe Platz machen müssen. Der Heilige habe ihn gelehrt, dass vor Gott alle Menschen gleich viel wert sind. Für ihn sei vor allem nach der Niederlage in der Landtagswahl vor zehn Jahren diese Erkenntnis wichtig gewesen, dass nämlich seine Würde nicht von dem Amt abhängt, das er bekleidet habe.
Auf den Tag genau zehn Jahre seien seit dieser schmerzlichen Niederlage und dem daraus resultierenden Rücktritt vergangen, blickte der Politiker zurück. Damals sei die CSU auf 43,8 Prozent abgesackt. Zwar plädierte Beckstein in seinem Vortrag dann dafür, in einer Demokratie deutlich Stellung zu beziehen und sich nicht diplomatisch herauszuziehen. Als ihn jedoch Dekan Ralf Drescher fragte, ob Horst Seehofer nach der noch größeren CSU-Schlappe bei der jüngsten Bundestagswahl zurücktreten müsse, vermied er eine konkrete Antwort. Becksteins Begründung: Ratschläge des Vorgängers würden als Schlag und nicht als Rat verstanden.
Lebhafte Diskussionen beim nächsten Parteitag
Beim kommenden Parteitag werde es sicher sehr lebhafte Diskussionen geben – gerade aus dem fränkischen Bereich. Aber da habe er spontan keinen Namen parat, fügte er verschmitzt lachend hinzu.
Einen kantigen Protestanten, der für seine Positionen eintritt, nannte Pfarrer Jürgen Astfalk, der den Abend moderierte, den Gast. Als Geschenk bekam der Franke aus Nürnberg einen Kasten Aalener Lutherbier, Wein und ein Buch über Kirchenbauten im Kirchenbezirk Aalen überreicht.