Nicht von gestern
Auch mit 75 tourt und produziert Chris Andrews immer noch
LONDON (dpa) - Mit Hits wie „Pretty Belinda“und „Yesterday Man“wurde Chris Andrews bekannt, doch Hits hat er noch viel mehr geschrieben, oft für andere Künstler. Am Sonntag, 15. Oktober, wird der Schlagerstar 75 Jahre alt.
„Hits sind Fünf-Minuten-Songs, man hat die Idee innerhalb von fünf Minuten, und dann verfeinert man sie vielleicht für eine Stunde“, sagt der Sänger und Komponist Andrews: „Wenn du beim Schreiben eines Liedes kämpfen musst und du fügst immer mehr Akkorde hinzu – dann hat es einfach nicht die Magie.“Andrews hat mehr als 700 Songs geschrieben, die von Suzi Quatro, Cher und The Mamas and the Papas interpretiert wurden. Sein Lied „It’s Alright“war sogar im Kinofilm „Good Morning, Vietnam“zu hören.
Seinen Geburtstag feiert er daheim in Selm, in Nordrhein-Westfalen. Eigentlich hatte seine zweite Frau und Managerin Alexandra eine Überraschungsparty geplant, aber Andrews sagte zuvor: „Ich finde jeden Tag mehr heraus.“
Geboren wird er 1942 in Romford, im ärmlichen Osten Londons. Bereits mit 13 beginnt er seine Musikkarriere. Anfang der 1960er-Jahre spielt er im Hamburger Star-Club. Vor allem schreibt Andrews einen Hit nach dem anderen für die „barfüßige Pop-Prinzessin“Sandie Shaw, die ein paar Straßen weiter wohnt und später den Grand Prix Eurovision de la Chanson (heute: Eurovision Song Contest) 1967 mit „Puppet on a String“gewinnt. In ihren Memoiren schildert sie die bescheidenen Anfänge: „Wir trafen uns im kleinsten, billigsten Raum. Es gab gerade mal genügend Platz für uns und zwei Tassen Tee, die auf einem Klavier balancierten.“Auf den gelblichen Tasten dieses verstaubten Klaviers komponiert Andrews ihre ersten Hits.
Ursprünglich eine B-Seite
Obwohl er als Komponist und Songwriter so begehrt ist, schafft der Musiker auch eine Solokarriere. Sie startet mit dem heutigen Evergreen „Yesterday Man“in den 1965erCharts. „Ich wäre nie darauf gekommen, dass ‚Yesterday Man‘ ein Hit wird. Er war ursprünglich auf der BSeite!“, lacht der Musiker heute, ein halbes Jahrhundert später.
Um den europäischen Markt zu erobern, singt Andrews seine bekanntesten Hits wie „Pretty Belinda“in mehreren Sprachen. Der Song „To Whom It Concerns“wird in den Benelux-Ländern ein Riesenerfolg; etwa zehn bis 15 Lieder singt er auf Deutsch. Nach mehreren Nummer-1Hits in Südafrika hat er auch dort viele Fans.
Seit zwölf Jahren lebt der Sänger in Deutschland. In seinem Tonstudio produziert er weiter Hits für Sänger wie den Schweden Peter Jezewski oder die Schweizerin Michelle Kissling. Weil er sich über den Brexit Sorgen macht, besitzt der gebürtige Brite seit vergangenem Jahr nun zusätzlich einen deutschen Pass.
Im Dezember tourt er in Schweden, anschließend tritt er auf einer Weihnachtskreuzfahrt in der Karibik auf. 50 bis 60 Shows absolviert er immer noch pro Jahr. Er hält sich fit, nur seine Stimme macht ihm manchmal zu schaffen. Das Wichtigste sei, genügend Schlaf zu bekommen, sagt er. Und er mache immer noch Stimmübungen, vier- bis fünfmal die Woche. „Wenn ich’s nur mal fünf Minuten langsam angehen lasse, sagt Alexandra: Du bist nicht glücklich, geh’ wieder zurück auf die Bühne“.