Audi mischt die Luxusklasse auf
Der neue A8 attackiert S-Klasse und BMW Siebener mit Hinterachslenkung und reaktionsschnellem Adaptivfahrwerk
Audi bittet zum Kräftemessen im Smoking. Nachdem die feine VW-Tochter viel zu lange tatenlos hat zusehen müssen, wie die Mercedes S-Klasse sich zum Dominator der Luxusklasse aufschwingt und der BMW Siebener in seiner Rolle als Athlet im Anzug glänzt, holen die Herren der Ringe jetzt zum Gegenschlag aus: Sie wollen mit dem neuen A8 beweisen, dass der beworbene „Vorsprung durch Technik“nicht zu einer leeren Marketinghülse verkommen ist.
Erneuerte Designsprache
Wenn sie im November zu Preisen ab 90 600 Euro die dritte Generation ihres Flaggschiffs vom Stapel lassen, rühmen sie den auf stattliche 5,17 Meter gestreckten Luxusliner deshalb nicht nur als leuchtendes Symbol für die von Stilführer Marc Lichte erneuerte Designsprache mit einem noch präsenteren Gesicht, einer sportlicheren, fast coupéhaften Silhouette samt weiter ausgestellter Kotflügel und einem Heck, an dem Audi gleißende Lichtspiele inszeniert. Sondern sie feiern den A8 mit seinem hohen Level an künstlicher Intelligenz auch als schlaueste Luxuslimousine der Welt. Der neue Führungsanspruch äußert sich auch in einer selbstbewussten Preispolitik: Sowohl der Siebener als auch die S-Klasse sind zum Teil deutlich billiger.
Wendekreis spürbar verkleinert
Während der A8, den es vom Start weg für 3500 Euro Aufpreis auch wieder als A8L mit 13 zusätzlichen Zentimetern gibt, mit all seinen Assistenten sowie einem Heer neuer Wellness-Funktionen ganz klar auf die S-Klasse zielt, will er zugleich auch dem Siebener seine Rolle als Gralshüter der Fahrfreude streitig machen. Zu diesem Zweck setzen die Ingolstädter – genau wie BMW – zum ersten Mal auf eine Hinterachslenkung, die den Wendekreis spürbar verkleinert. In der Stadt kann man damit deutlich besser rangieren, und auf der Landstraße fühlt sich der A8 so eher wie ein A4 oder ein A6 an.
Als weitere Finesse in Sachen Fahrdynamik installiert Audi ein Adaptivfahrwerk, das – dank 48-VoltBordnetz – elektrische Stellmotoren nutzen kann. Die reagieren so schnell, dass die Limousine nicht nur mit Weitblick sämtliche Fahrbahnunebenheiten ausbügeln, sondern auch nahezu alle Nick- und Wankbewegungen ausgleichen kann. Im Komfortbetrieb soll man sich damit wie auf einem fliegenden Teppich fühlen, und bei engagierter Fahrweise verspricht Audi mehr Beherrschung denn je. Außerdem erlaubt das System eine ähnliche Höhenanpassung wie eine Luftfederung – nur deutlich schneller. Deshalb wird der A8 nicht nur zum bequemeren Einstieg um fünf Zentimeter angehoben, sondern er bockt sich auch bei einem drohenden Seitencrash auf und bietet dem Gegner mehr Widerstand.
Mit diesem Aktivfahrwerk und der Hinterachslenkung kompensieren die Entwickler zugleich ein bisschen was von dem Übergewicht, das der A8 mit sich herumträgt. Denn weil das Auto deutlich besser ausgestattet ist als bisher und sich obendrein von der reinen Lehre des Aluminium-Leichtbaus verabschiedet, hat es ein paar Zentner zugelegt und wiegt jetzt in der Basisversion stolze 1995 Kilo.
Allrad und Achtgang-Automatik
In Fahrt bringen das neue Flaggschiff dabei erst einmal zwei drei Liter große V6-Motoren, die immer alle vier Räder antreiben und mit einer Achtgang-Automatik gekoppelt sind: ein Diesel mit 286 PS und 600 Newtonmetern, der im besten Fall 5,6 Liter schluckt, oder ein TFSI, für den Audi 340 PS, 500 Newtonmeter und einen Normverbrauch von 7,5 Litern angibt. Der Motor beschleunigt in 5,6 Sekunden auf Tempo 100, erreicht mühelos die standesgemäßen 250 km/h und fühlt sich auch bei engagierter Gangart nie sonderlich angestrengt an.
Doch natürlich sind sechs Zylinder in einer Luxuslimousine nur die halbe Miete. Deshalb soll es schon bald auch wieder einen W12 mit dann 585 PS geben. Die Lücke dazwischen füllen zwei Achtzylinder mit vier Litern Hubraum und 435 PS im TDI oder 460 PS im TFSI. Als Brückenschlag ins Elektrozeitalter kommt außerdem ein A8 e-tron mit 449 PS Systemleistung, einer elektrischen Reichweite von etwa 50 Kilometern und einem Normverbrauch von vermutlich weniger als zwei Litern. Erstmalig wird dabei die Möglichkeit zur Induktionsladung geboten.
Aber man muss gar nicht auf den Plug-in-Hybriden warten, um sich wie unter Strom zu fühlen. Alle konventionellen Verbrenner sind elektrifiziert und fahren als Mild-Hybrid mit einem neuen Riemenstarter. Dieser kleine E-Motor kann den Wagen zwar nicht alleine bewegen. Aber er kann den Benziner viel kräftiger und komfortabler anschleppen und wird zudem – in Kombination mit Navigation und Frontkamera – zu einer Art Start-Stopp-Automatik deluxe. Denn jetzt schaltet der Motor viel früher ab, das Auto kann länger und effektiver segeln, und wenn der Benziner wieder angeworfen wird, merkt man kein Knurren mehr.
Zwar fühlt sich der A8 agil und ambitioniert, bisweilen sogar aggressiv an. Doch selten hat man in einem Auto von Audi weniger Lust gehabt, dieses Potenzial auszureizen. Denn vorne links lockt nicht nur eine revolutionäre Bedienlandschaft fast ohne Schalter und Knöpfe, die mit ihren Touchscreens und Sensorfeldern sowie dem Digitalcockpit mit 4-K-Auflösung viel zu faszinierend ist, als dass man sich noch auf die Fahrbahn konzentrieren möchte. Sondern es gibt schließlich auch noch eine ganze Reihe neuer Assistenten, die Audi unter der Rubrik „AI“führt und als nächsten großen Schritt zum autonomen Fahren feiert. Nun kann der A8 – neben den fahrerlosen Spielchen auf dem Parkplatz – bis Tempo 60 auf der Autobahn alleine durch den Stau fahren, sobald der Gesetzgeber dafür grünes Licht gibt.
Und dann ist da auch noch die Luxuslounge in der zweiten Reihe, die alle Gedanken an die schnöde Aufgabe hinter dem Lenkrad vergessen macht. Schließlich kann man schon in der Standardversion bei drei Metern Radstand die Beine gemütlich übereinander schlagen, selbst wenn es auf der Dreierbank noch vergleichsweise nüchtern zugeht und die Holzapplikationen, das Ambientelicht und das kleine Tablet zur Bedienung von Klima, Licht und Infotainment die einzigen Extravaganzen sind. Wer dagegen den A8L bestellt und noch ein paar Kreuzchen bei den Einzelsitzen macht, der darf sich unter anderem auf eine Fußmassage samt Sohlenheizung freuen – auch das fällt bei den Bayern in die Kategorie „Vorsprung durch Technik“.