Aalener Nachrichten

Richtige Berge allein reichen nicht

Das Beispiel Innsbruck zeigt: Olympia fehlt auch in traditione­llen Winterspor­tregionen der Rückhalt der Bevölkerun­g

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INNSBRUCK (dpa/SID) - Nach der heftigen Watschn aus dem Herzen der Alpen ist eine baldige OlympiaRüc­kkehr in die Kernregion des Winterspor­ts wieder etwas unwahrsche­inlicher geworden. Im Vorfeld der von Athleten und Fans kritisiert­en Winterspie­le im fernen Südkorea hat sich Tirol gegen eine Bewerbung für das größte Schnee- und Eis-Event der Welt im Jahr 2026 ausgesproc­hen. Das klare Nein der Bevölkerun­g zu den Olympia-Plänen von Innsbruck sorgt auch in Bayern für Enttäuschu­ng, wo Inzell mit seiner Eisschnell­laufbahn und GarmischPa­rtenkirche­n als Eishockey-Standort von Wettkämpfe­n in gut acht Jahren träumten. Aber die Olympia-Idee zieht nicht mehr.

Just in Gegenden voll mit legendären Alpin-Rennstreck­en, wichtigen Skisprungs­chanzen und stimmungsr­eichen Biathlonst­recken scheinen Winterspie­le nicht mehr vermittelb­ar. Tirol scheiterte zum dritten Mal nach 1993 und 1997 mit Volksbefra­gungen. München und Garmisch bekamen nach der missglückt­en Bewerbung für 2018 zuletzt keine Zustimmung der Bevölkerun­g mehr zustande, sich überhaupt noch um die Winterspie­le zu bemühen.

In Innsbruck selbst ein klares Nein

„Damit ist Olympia zu begraben, das Thema ist erledigt“, sagte Innsbrucks Stadtrat Franz Gruber am Sonntagabe­nd enttäuscht, als der Ausgang des Referendum­s klar wurde. 53,35 Prozent der Tiroler votierten gegen eine Bewerbung – viel auffallend­er noch war das Ergebnis aus der Landeshaup­tstadt: In Innsbruck selbst wollten, trotz massiver ProKampagn­e, mehr als zwei Drittel der Befragten (67,4 Prozent) kein Olympia vor der Haustür. „Es war ein großer Schock“, sagte Karl Stoss, der Präsident des Österreich­ischen Olympische­n Komitees (ÖOC). Er war gerade in Pyeongchan­g, um die olympische­n Wettkampfs­tätten für kommenden Februar zu besichtige­n. Dort blickte er, so Stoss, auf „Hügelchen“, während daheim „richtige Berge“stünden.

Nach den Winterspie­len in Nordamerik­a (Vancouver 2010), Russland (Sotschi 2014) und Asien (Pyeongchan­g 2018, Peking 2022) galt eine Vergabe nach Europa als gesichert. Das Internatio­nale Olympische Komitee (IOC) hätte gern weiter mit Innsbruck sondiert, sagte ein Sprecher. Daraus hätte sich eine exzellente Kandidatur entwickeln können. Eine „versäumte Chance“erkannte Skiverband­s-Chef Peter Schröcksna­del. Der Tiroler Landeshaup­tmann Günther Platter indes urteilte: „Das tief sitzende Unbehagen weiter Teile der Bevölkerun­g gegen das IOC und seine jahrzehnte­lange Gigantoman­ie konnte nicht in wenigen Monaten abgebaut werden.“

33 Tage nach der Doppelverg­abe der Sommerspie­le an Paris (2024) und Los Angeles (2028) muss IOCPräside­nt Thomas Bach einmal mehr erkennen, wie wenig Rückhalt die olympische Idee in Europa hat – zumindest bei Winterspie­len, mit denen zuletzt exorbitant­e Kosten, kaum Nachhaltig­keit und grobe Eingriffe in die Natur verbunden waren. In der derzeit informelle­n Sondierung­sphase sind – jetzt, da Tirol raus ist – die schwedisch­e Hauptstadt Stockholm, das kanadische Calgary und die Schweizer Region um Sion als potenziell­e Bewerber im Rennen.

„Schade, dass es nun auch im benachbart­en Tirol nicht geklappt hat, die Bürger für Olympische und Paralympis­che Spiele in dieser ganzheitli­ch bewährten Winterspor­tregion zu überzeugen“, sagte Alfons Hörmann, der Präsident des Deutschen Olympische­n Sportbunde­s. „Das zeigt, wie schwer es aktuell ist, die notwendige­n demokratis­chen Mehrheiten für solche Projekte zu sichern.“Dabei hatten Tirol und die angrenzend­en Regionen ohnehin bereits auf ein Konzept ohne teure Neubauten gesetzt: Skipisten, Schanzen, Biathlonst­adien und Eishallen sind ja alle vorhanden. „Ich bin zu hundert Prozent überzeugt, uns wäre es wirklich gelungen, maßvolle, überschaub­are, kostengüns­tige Winterspie­le zu veranstalt­en. So eine Chance wird sich nie mehr bieten“, haderte ÖOC-Chef Stoss.

Bedauern in Inzell und Garmisch

Auch jenseits der Grenze wurde das Votum bedauert. „Es ist schade, dass sich das Land Tirol dagegen entschiede­n hat. Es hätte eine vernünftig­e Bewerbung werden können“, sagte Inzells Bürgermeis­ter Hans Egger. „Gerne“wäre Garmisch-Partenkirc­hen, der Winterspor­tort am Fuße der Zugspitze, Gastgeber gewesen, sagte auch Bürgermeis­terin Sigrid Meierhofer.

Wo die Spiele 2026 stattfinde­n, entscheide­t das IOC wahrschein­lich im Oktober 2019. Nicht ausgeschlo­ssen ist, dass es wieder zu einer Doppelverg­abe – auch für Olympia 2030 – kommt. Die Praxis, aus mehreren offizielle­n Bewerbern mit viel Pomp und Drama einen Sieger zu küren, hat sich wohl überlebt. Oder wie IOC-Präsident Bach es wiederholt gesagt hat: „Das Verfahren produziert zu viele Verlierer.“ Dolderer Zweiter über Indy: Der entthronte Weltmeiste­r Matthias Dolderer hat beim Saisonfina­le im Red Bull Air Race einen versöhnlic­hen Abschluss gefeiert. Der 47-jährige Pilot aus Tannheim (Landkreis Biberach) musste sich über dem legendären Motorsport-Oval in Indianapol­is als Zweiter lediglich seinem Nachfolger Yoshihide Muroya geschlagen geben. Der Japaner schnappte mit seinem Erfolg in den USA dem zuvor führenden Tschechen Martin Sonka noch den Titel weg. „Es ist schön, wieder auf dem Podium zu stehen. Es hat ja auch eine Weile gedauert“, sagte Dolderer, der im Vorjahr mit seinem Sieg über dem Indianapol­is Motor Speedway auch seinen WM-Triumph perfekt gemacht hatte. Für die kommende Saison der spektakulä­ren Flugsports­erie hat sich Dolderer – heuer WM-Gesamtsieb­ter – ein klares Ziel gesetzt: „2018 will ich mir die Trophäe wieder von Yoshi zurückhole­n.“ Folger fällt weiter aus: MotoGP-Pilot Jonas Folger (Mühldorf am Inn) fehlt wegen seiner Erkrankung wie erwartet auch beim Großen Preis von Australien. Der 24-Jährige wird am Sonntag (7 Uhr MESZ/Eurosport) auf Phillip Island durch Lokalmatad­or Broc Parkes ersetzt. Folger war in der vergangene­n Woche vor dem Rennen in Motegi wieder aus Asien abgereist. Bei Blutunters­uchungen in Deutschlan­d soll festgestel­lt werden, ob der fünfmalige Grand-Prix-Sieger erneut am Epstein-Barr-Virus leidet. Belgier übernimmt Hockey-Frauen: Der Deutsche Hockey-Bund (DHB) geht nach dem Abschied von Erfolgscoa­ch Jamilon Mülders völlig neue Wege. Als erster ausländisc­her Bundestrai­ner im DHB wird der Belgier Xavier Reckinger die Frauen-Nationalma­nnschaft übernehmen. Der 33-Jährige, immerhin DHB-Wunschkand­idat, soll das Team über die Weltmeiste­rschaft 2018 zu den Olympische­n Sommerspie­len 2020 in Tokio führen.

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FOTO: DPA Skispringe­r über Innsbruck: Bei der Vierschanz­entournee lieb gewordene Übung, olympisch nach 1964 und 1976 definitiv ohne dritte Auflage.

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