Puigdemont stellt sich
Richter entscheidet über Haft von Ex-Regierungschef
BRÜSSEL (dpa) - Der abgesetzte katalanische Regierungschef Carles Puigdemont hat sich in Belgien den Behörden gestellt. Dies bestätigte die Staatsanwaltschaft in Brüssel am Sonntag. Die Regierung in Madrid hatte einen Europäischen Fahndungsund Haftbefehl gegen den 54Jährigen sowie vier Ex-Minister der Regionalregierung erlassen, die sich nach Brüssel abgesetzt hatten.
Die fünf Katalanen sollten noch am Sonntag einem Untersuchungsrichter vorgeführt werden. Der habe dann bis Montagmorgen Zeit zu entscheiden, ob die Beschuldigten festgehalten werden. Spätester Zeitpunkt sei 9.17 Uhr am Montagmorgen, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft am Sonntag in Brüssel.
Das weitere rechtliche Prozedere könnte sich über Wochen hinziehen: Wird der Haftbefehl aufrechterhalten, hat das Gericht dann weitere 15 Tage Zeit, über eine Abschiebung zu entscheiden.
BARCELONA/MADRID (dpa) - Nun kommt auch der Chef hinter Gitter. Der entmachtete katalanische Regionalpräsident Puigdemont hat sich der Polizei in Belgien gestellt. Viele meinen aber: Die Inhaftierungen höhlen die Unabhängigkeitsbewegung nicht aus – ganz im Gegenteil.
Carmen Lamela ist beileibe keine Sympathisantin der Unabhängigkeitsbewegung in Katalonien. Mit ihrer Entscheidung, zahlreiche Politiker der entmachteten separatistischen Regionalregierung hinter Gitter zu bringen, hat die Richterin am Staatsgericht in Madrid aber nach Meinung vieler unabhängiger Kommentatoren den Sezessionisten neue Flügel verliehen. „Lamela hat Zehntausende, nein, Hunderttausende neue Separatisten produziert“, meinte etwa im spanischen TV der Schriftsteller und Analyst Carlos Quílez – ein energischer Antiseparatist. Antonio García, politischer Starmoderator des TV-Senders „La Sexta“, spricht von einem „sozialen Erdbeben“.
Die Zeitung „El Periódico“bezeichnete die Beschlüsse von Lamela als „eine Aktion, die ebenso blöd wie demütigend (für die Katalanen) ist“. In der Tat: Als Ministerpräsident Mariano Rajoy die Regierung Puigdemonts vor einer Woche absetzte und Katalonien unter Zwangsverwaltung stellte, blieben die erwarteten Proteste aus. Die Separatisten schienen bezwungen und am Boden zerstört.
Doch nach der U-Haft-Anordnung mehren sich die spontanen Ablehnungsdemonstrationen. Menschen gehen zu Tausenden auf die Straßen, in Barcelona aber auch außerhalb der Region. Sie schlagen nachts auf Balkonen und von Fenstern aus auf leere Töpfe.
Das Bild einer kompletten, vom Volk gewählten Regierung hinter Gittern könnte nun noch mehr Wasser auf die Mühlen der Unabhängigkeitsbewegung sein – vor allem mit Blick auf die von Madrid für den 21. Dezember einberufenen Neuwahlen.
Ex-Regionalpräsident Carles Puigdemont stellte sich am Sonntag mit vier Ex-Ministern der belgischen Polizei, nachdem Lamela einen Europäischen Haftbefehl erlassen hatte. Seine vorerst letzten Stunden als freier Mann nutzte er, um auf Twitter zur Einheit „aller Demokraten“aufzurufen. Er präsentierte auch eine Internetpetition zur Bildung einer Einheitsliste der Unabhängigkeitsbefürworter für die Wahl – und nicht nur für diese. „Es ist die Zeit der Vereinigung aller Demokraten. Für Katalonien, für die Freiheit der politischen Häftlinge und für die Republik“, postete er. Nach nur einem Tag waren fast 100 000 Menschen dem Aufruf zur Unterzeichnung gefolgt.
Und nicht nur das: Podem, der regionale Ableger der linken Partei Podemos, die sich bisher gegen eine Trennung Kataloniens von Spanien ausgesprochen hatte, stellte nun im Licht der neuen Entwicklung eine Unterstützung der Separatisten bei den Dezember-Wahlen in Aussicht.