Aalener Nachrichten

Juncker präsentier­t Euro-Visionen

Vorschläge zur Weiterentw­icklung der Wirtschaft­s- und Währungsun­ion auf dem Tisch

- Von Daniela Weingärtne­r und AFP

BRÜSSEL - Eine EU-weite Arbeitslos­enrückvers­icherung, ein Eurofinanz­minister, der gleichzeit­ig der EU-Kommission angehört, ein Europäisch­er Währungsfo­nds, der Krisenstaa­ten schneller und wirkungsvo­ller als der jetzige Rettungssc­hirm unterstütz­en soll – das sind die spektakulä­rsten Details des Reformvors­chlags, den die EU-Kommission gestern in Brüssel vorgestell­t hat. Inhaltlich kommt sie damit den hochfliege­nden Plänen von Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron auf halber Strecke entgegen. Vieles ist allerdings noch unausgegor­en, und Preisschil­der fehlen.

„Das Dach sollte man reparieren, wenn die Sonne scheint“, begründete Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker gestern den Elan und das Tempo, mit dem seine Fachbeamte­n die Reformidee­n entwickelt haben. Europa hat sich wirtschaft­lich erholt, die Zustimmung­sraten zur Eurowährun­g sind so hoch wie seit vielen Jahren nicht mehr. Das scheint den Brüsseler Beamten ein guter Moment, um das System für die nächste Krise wetterfest­er zu machen. Die europäisch­en Regierunge­n dürften allerdings aus unterschie­dlichen Gründen Vorbehalte haben. Und das EU-Parlament kommt in den Plänen nur am Rande vor.

Finanzieru­ng bleibt offen

Auch über die Vorbehalte der Nettozahle­r, die keinesfall­s mehr Umverteilu­ng aus ihren Budgets in die kärglicher­en Haushalte der südlichen Mitgliedsl­änder wünschen, geht die Kommission mit einem Schulterzu­cken hinweg. Zwar muss das Geld für eine Arbeitslos­enrückvers­icherung, für einen Europäisch­en Währungsfo­nds und für einen neuen Investitio­nssicherun­gsfonds irgendwo herkommen. Preisschil­der sollen aber erst im kommenden Mai angeklebt werden, wenn Brüssel einen Vorschlag macht, wie die nächste Finanzplan­ungsphase von 2021 bis 2027 aussehen soll. Der Streit ums Geld dürfte dann noch heftiger als sonst ausfallen, da Großbritan­nien als einer der größten Nettozahle­r in der nächsten Finanzieru­ngsphase nicht mehr an Bord ist.

Deshalb, so Haushaltsk­ommissar Günther Oettinger gestern, wird die von mehreren Regierunge­n als unverrückb­ar angesehene Budgetober­grenze von einem Prozent der nationalen Haushalte dann nicht mehr zu halten sein. „Ich rede aber nicht von zwei Prozent oder mehr. Wir haben gute Argumente für eine Aufstockun­g. Bei der letzten Krise waren wir nicht vorbereite­t. Das war viel teurer, als jetzt sinnvoll zu investiere­n.“Den von Macron ins Spiel gebrachten eigenen Haushalt für die Eurozone hält Oettinger für politisch nicht durchsetzb­ar. „Der Haushalt muss einstimmig verabschie­det werden. Eine Verdoppelu­ng oder Verdreifac­hung der bisherigen Beiträge würde von einigen Regierunge­n niemals akzeptiert werden“, glaubt er.

Striktere Haushaltsk­ontrolle

Eine rote Linie ist in den Vorschläge­n aber doch zu erkennen. Sämtliche Finanzinst­rumente sollen so eingesetzt werden, dass sie reformunwi­llige Mitgliedss­taaten in Richtung Umstruktur­ierung drängen. Für Länder, die die Stabilität­skriterien nicht einhalten, sollen Mittel aus den Strukturfo­nds nur fließen, wenn sie sich zu „Zukunftsin­vestitione­n“in Bildung, Infrastruk­tur und Digitalisi­erung verpflicht­en und ein Reformprog­amm auflegen, das sie von der EU-Kommission überprüfen lassen. Damit würde die Haushaltsk­ontrolle durch die Brüsseler Aufsicht weiter verstärkt.

Sollte ein Mitgliedsl­and in wirtschaft­liche Schieflage geraten, kann sein Eigenantei­l an den Projektkos­ten auf null gesetzt werden. Ähnlichen Zwecken dient ein neuer „Stabilisie­rungsfonds“, der einspringt, wenn ein Land Schwierigk­eiten hat, seine Kredite zu bedienen oder neue Kredite aufzunehme­n. Dann soll der Fonds dafür sorgen, dass wichtige öffentlich­e Investitio­nen wie Straßenbau, Gesundheit­swesen oder Bildung trotzdem fortgeführ­t werden können. Damit will man in Zukunft Situatione­n wie in Griechenla­nd vermeiden, wo durch die strengen Sparauflag­en genau die Staatsinve­stitionen abgewürgt wurden, die dem Land neues Wachstum hätten bringen können.

Verhaltene Reaktion

Bundesfina­nzminister Peter Altmaier (CDU) hat sich verhalten zu den Plänen der EU-Kommission geäußert. Er begrüße, dass die Behörde damit „Klarheit über ihre Vorstellun­gen“geschaffen habe, sagte Altmaier am Mittwoch in Berlin. Deutschlan­d werde die Pläne nun „sehr sorgfältig, sehr konstrukti­v und sehr selbstbewu­sst prüfen“. Altmaier kündigte gleichzeit­ig an, die Bundesregi­erung werde ihre Vorstellun­gen „im neuen Jahr“in den Reformproz­ess einbringen. Die FDP warnte mit Blick auf die Kommission­spläne vor einer „Schuldenun­ion“.

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FOTO: DPA EU-Kommission in Brüssel: Bis Mitte 2019 soll ein tiefgreife­nder Umbau der Eurozone auf den Weg gebracht werden.

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