Lust an der Landesverwaltung
Der gebürtige Ellwangener Michael Kleiner ist neuer Amtsleiter im Wirtschaftsministerium
STUTTGART - So wünscht sich ein Politiker jeden Beamten. Nach seinen Zukunftsplänen im neuen Job gefragt, antwortet Ministerialdirektor Michael Kleiner: „Die Ministerin unterstützen, die ihre Ziele ja sehr vehement voranbringt.“Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) hat sich mit ihrem neuen Amtsleiter einen der begehrtesten Beamten der Landeshauptstadt ins Haus geholt. Der gebürtige Ellwanger hat eng mit den CDU-Ministerpräsidenten Teufel, Oettinger, Mappus und Kretschmann (Grüne) zusammengearbeitet.
„Dass der Kleiner das kann, war jedem klar“, heißt es über den Familienvater. Nur, welcher CDU-Minister sich den Juristen mit Unionsparteibuch angeln würde, war lange offen. Seit Oktober ist er Verwaltungschef im Wirtschaftsministerium. Der 50-Jährige wirkt jugendlich und das liegt auch daran, dass er oft und ausgiebig lacht. Ein typischer KleinerSatzbau geht so: „Also Hochschulgesetzgebung hat mich jetzt nicht so interessiert.“Dann lacht er kurz, wird ernst und schiebt nach: „Dabei ist die natürlich außerordentlich wichtig.“Das klingt staatstragend, wird aber durch Kleiners Grinsen relativiert. Der Mann weiß, worauf es ankommt an der Schnittstelle zwischen Verwaltung und Politik: die richtigen Inhalte sympathisch zu verkaufen.
Studium in Freiburg und Tübingen
Diese Kunst hat er von Beginn an gelernt. Nach dem Jurastudium in Freiburg und Tübingen nahm er 1995 eine Stelle im Wissenschaftsministerium an, schrieb dort Reden für Ressortchef Klaus von Trotha (CDU). Die Lust an der Landesverwaltung stellte sich rasch ein. „Das ist wie jeden Tag ein Volkshochschulkurs“, meint er. „Ein Privileg, sich mit so vielen Themen und Menschen zu beschäftigen.“
Wenn er über seine beruflichen Stationen spricht, gerät Kleiner rasch ins Erzählen. Von den Physikprofessoren, die ihm „wie einem Dummen“ihre Forschung erklärten. Vom Teilchenbeschleuniger Cern in Genf, wo er Hightech auf Weltniveau live erlebt hat. Von den Bamberger Symphonikern, an deren Beispiel er die komplizierte Kulturfinanzierung Deutschlands erklären kann. Die sind ursprünglich ein Orchester aus Vertriebenen, deswegen vom Bund unterstützt statt vom Freistaat Bayern. Wer was zahlt, das ist oft essenziell in der Politik.
Die Macht der Zahlen nutzte unter Kleiners Chef vor allem einer: Der damalige Ministerpräsident Günther Oettinger. „Herausfordernd“, nennt er den Umgang mit Oettinger. Der heutige EU-Kommissar für Finanzen hatte jede Zahl aus dem Landeshaushalt im Kopf. Oettinger kannte die Etats der Ministerien besser als die Ressortchefs selbst. „Wenn Sie als neuer Mitarbeiter des Ministerpräsidenten daneben sitzen und das eigentlich auch wissen müssten – da werden sie schon etwas unruhig“, sagt Kleiner mit schiefem Grinsen. Es sagt: „Etwas unruhig“sei eine Untertreibung.
Der anspruchsvolle Oettinger macht Kleiner zu einem wichtigen Organisator in der Staatskanzlei. Unter anderem bereitete er Themen für den Bundesrat auf. Eine gute Stelle für alle, die weiter Karriere machen wollen: Man bekommt Einblicke in andere Ministerien, deren Positionen für Sitzungen der Länderkammer wichtig sind. Außerdem verschafft es Kontakte nach Berlin oder Brüssel.
Ist Kleiner, der Junge vom Land, dabei zum Großstadt-Menschen geworden? „Ellwangen ist eine schöne Stadt, im Sommer waren wir als Jugendliche jeden Tag an einem der Seen drumherum“, erzählt Kleiner. Dort lernte er seine Frau kennen, sie gingen in dieselbe Klasse des Ellwanger Peutinger-Gymnasiums. „Der Stuttgarter an sich kann sich eben nicht vorstellen, wie schön es ist, auf dem Land aufzuwachsen“. Wie seine Söhne, heute zwölf und 18: Sie sind in der Stuttgarter Innenstadt groß geworden und wehrten sich gegen den Umzug in den etwas ruhigeren Stadtteil Sillenbuch: „Vergiss es, ich will nicht aufs Land“, sagte der damals Siebenjährige.
Nah an Mappus
Kleiners bis dahin stets nach oben führende Laufbahn erhielt kurz nach Ende von Oettingers Amtszeit einen Knick. Es kam Stefan Mappus als Ministerpräsident (CDU), es kam der schwarze Donnerstag. Kleiner saß live am Fernsehen und schaute zu, wie der Einsatz der Polizei im Stuttgarter Schlossgarten außer Kontrolle geriet, wie Wasserwerfer Stuttgart-21Gegner schwer verletzten. Es war der Beginn einer beruflich und persönlich schwierigen Phase. Kleiner war nah dran an Mappus, an den fatalen Fehlentscheidungen jener Tage. „Es sind massive Fehler gemacht worden, ohne Frage“, sagt er rückblickend. „Aber die öffentliche Unterstellung, wir hätten Opfer billigend in Kauf genommen, die ist bösartig und die stimmt nicht.“Kleiner geriet aus dem Beamtendasein hinter den Kulissen ins Licht der Öffentlichkeit, musste sich im Untersuchungsausschuss zum Schlossgarten-Einsatz rechtfertigen. „Das waren harte Jahre“, sagt er rückblickend.
Auf eigenen Wunsch wechselte er aus der mittlerweile von Winfried Kretschmann (Grüne) geführten Staatskanzlei wieder ins Wissenschaftsministerium. Zum Abschied schenkte Kretschmann dem Beamten eine Biographie seiner Lieblingsphilosophin Hannah Arendt. Das Buch steht in Kleiners Büro, inklusive der persönlichen Widmung des Grünen. „Er hat mich sogar gelobt, aber das lese ich jetzt mal nicht vor“, sagt Kleiner und grinst. Ein guter Beamter genießt und schweigt.