Wortgefechte vor der Sondierung halten an
CSU und SPD beharken sich – Große Koalition stößt bei Mehrheit der Bürger auf Skepsis
SEEON/BERLIN - Kurz vor den am Sonntag startenden Sondierungen zwischen Union und Sozialdemokraten zeigen sich die Parteien bei aller Kompromissbereitschaft hart in der Sache. „Ich werde persönlich alles dafür tun, dass diese Koalition zustande kommt“, bekräftigte CSUChef Horst Seehofer am Donnerstag vor Beginn der traditionellen Winterklausur der CSU-Landesgruppe im oberbayerischen Kloster Seeon. „Dieses Projekt kann gelingen, wenn der potenzielle Koalitionspartner in der Sache nicht überzieht“, mahnte Seehofer. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt argumentierte schärfer: „Wir wollen diese Koalition mit der SPD, aber wir wollen sie mit einer SPD, die die Modernisierung unseres Landes, die Sicherheit und die Wachstum in diesem Land auch buchstabieren kann.“
Dobrindt erklärte, dass die SPD keine „Themen aus der alten sozialistischen Mottenkiste“herausziehen dürfe. „Dass eine 20-ProzentPartei 100 Prozent ihrer Ziele umsetzt“, könne so nicht funktionieren. Dobrindt sagte weiter: „Deutschland ist keine linke Republik.“Es gehe um den sozialen Zusammenhalt, dabei spielten Fragen der Migration eine „herausragende Rolle“.
Exakt hierbei könnte es bei der Regierungsbildung zu Problemen kommen. SPD-Chef Martin Schulz lehnt die von der Union geforderte Verlängerung des Stopps für den Familiennachzug syrischer Flüchtlinge weiterhin ab. „Deutschland muss sich an internationales Recht halten, unabhängig von der Stimmung im Land oder in der CSU“, sagte Schulz am Freitag der „Bild“-Zeitung. „Wir reden über weniger als 70 000 Personen, weniger als 0,01 Prozent der Bevölkerung.“Wenn die CSU bei ihrem Nein bleibe, dann, so Schulz, „wird sich zeigen, ob Frau Merkel und Herr Seehofer eine stabile Regierung mit der SPD bilden wollen oder nicht“.
Schulz’ Vize Ralf Stegner sagte zu den Forderungen Dobrindts am Freitag: „Ehrlich gesagt ist uns das schnurz. Wir kennen das von der CSU. Da wird das eigene Lederhosen-Publikum bespaßt mit kräftigen, verbal-radikalen Interviews.“Dies beeindrucke niemanden. Ohne die Sozialdemokraten laufe nach den geplatzten Jamaika-Gesprächen nichts.
Eine mögliche Neuauflage der Großen Koalition stößt bei einer Mehrheit der Bürger aber auf Skepsis. Im neuen ARD-Deutschlandtrend bewerten 45 Prozent der Befragten eine Koalition aus Union und SPD als sehr gut oder gut. 52 Prozent jedoch fänden sie weniger gut oder schlecht. Der aktuelle Zustimmungswert entspricht laut ARD dem Niveau von vor der Bundestagswahl.
Sollte eine Große Koalition nicht zustande kommen, wären 54 Prozent der Bürger für Neuwahlen. Das sind neun Prozentpunkte mehr als im Vormonat. Eine Minderheitsregierung befürworten aktuell 42 Prozent, neun Punkte weniger als im Dezember.
BERLIN (dpa) - Ab diesem Sonntag wollen CDU, CSU und SPD bei Sondierungsgesprächen die Chancen für eine Neuauflage der Großen Koalition ausloten. Die drei Parteien schicken für die Gespräche jeweils 13 Leute ins Rennen. Macht zusammen eine Runde von 39 Unterhändlern. Ein Überblick:
CDU:
Angela Merkel (Bundeskanzlerin), Michael Grosse-Böhmer (Unionsfraktionsgeschäftsführer), Volker Kauder (Unionsfraktionschef im Bundestag), Peter Altmaier (Kanzleramtschef und geschäftsführend zuständig für Haushalt und Finanzen), Volker Bouffier (CDU-Vize, hessischer Ministerpräsident), Helge Braun (Koordinator im Kanzleramt für die Bund-Länder-Beziehungen), Reiner Haseloff (Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt), Julia Klöckner (CDU-Vize), Annegret Kramp-Karrenbauer (Ministerpräsidentin Saarland), Armin Laschet (Partei-Vize und Ministerpräsident in NordrheinWestfalen), Ursula von der Leyen (CDU-Vize, Verteidigungsministerin), Jens Spahn (Finanz- und Gesundheitsexperte sowie Mitglied des konservativen Flügels), Thomas Strobl (CDU-Vize, Innenminister in Baden-Württemberg).
CSU:
Horst Seehofer (Parteichef), Markus Söder (künftiger Ministerpräsident von Bayern), Alexander Dobrindt (CSU-Landesgruppenchef im Bundestag), Andreas Scheuer (Generalsekretär), Stefan Müller (parlamentarischer Geschäftsführer der Landesgruppe), Gerd Müller (Entwicklungsminister), Christian Schmidt (Agrarminister), Joachim Herrmann (bayerischer Innenminister), Barbara Stamm (Landtagspräsidentin), Manfred Weber (CSU-Vize, EVP-Fraktionschef im EU-Parlament), Angelika Niebler (CSU-Vize), Kurt Gribl (CSU-Vize und OB von Augsburg), Thomas Kreuzer (CSUFraktionsvorsitzender im bayerischen Landtag).
SPD:
Martin Schulz (SPD-Chef), Andrea Nahles (Bundestagsfraktionschefin), Malu Dreyer (SPD-Vize und rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin), Thorsten SchäferGümbel (SPD-Vize), Natascha Kohnen (SPD-Vize), Olaf Scholz (SPDVize und Hamburgs Erster Bürgermeister), Manuela Schwesig (SPDVize und Ministerpräsidentin in Mecklenburg-Vorpommern), Ralf Stegner (SPD-Vize), Carsten Schneider (Parlamentarischer Fraktionsgeschäftsführer), Lars Klingbeil (Generalsekretär), Stephan Weil (Niedersachsens Ministerpräsident), Michael Groschek, Chef der SPD in Nordrhein-Westfalen), Anke Rehlinger (Vizeregierungschefin im Saarland).