Rasanter Spaß für Mensch und Tier
Wer sportlich ist und einen Hund hat, kann sich im sogenannten Canicross versuchen
DARMSTADT/BAD NEUENAHR (dpa) - Endlich fällt das erlösende Wort: „Okay“ruft Tatjana Blazejewski ihrem Hund Luca zu, der darauf nur gewartet hat. Bis eben stand er brav, aber sichtlich angespannt vor dem Mountainbike seines Frauchens. Eine Zugleine an seinem Geschirr verbindet ihn mit dem Rad. Nun rast Luca los, das Seil spannt sich, und gemeinsam brettern Hund und Frauchen einen Waldweg bei Darmstadt entlang. „Er ist lieber tot als Zweiter“, scherzt Blazejewski.
Schon seit Jahren betreibt sie diesen Sport namens Canicross. Dabei ziehen die Hunde entweder einen Läufer, einen Rad- oder Rollerfahrer. Blazejewski und Luca sowie ihrer Trainingspartnerin Sabine Ruff mit Labrador Ackermann macht dieser Sport sichtlich Spaß. Die vier bestreiten auch Wettkämpfe, die in Deutschland immer häufiger angeboten werden.
Gemeinsam etwas erleben
„Ich hatte in meinen Kursen bislang nur ganz wenige Hunde, die diesen Sport nicht mochten“, erzählt der Hundetrainer Markus Behr aus Bad Neuenahr. Canicross sei eine prima Möglichkeit für Herrchen und Frauchen, gemeinsam mit ihrem Vierbeiner etwas zu erleben und diesen körperlich wie geistig zu fordern.
„Die Hunde sind danach platt“, sagt Blazejewski. Denn auch mental müssen die Tiere einiges leisten. Schließlich müssen sie während des Galopps die von hinten gerufenen Kommandos hören und befolgen. Auch Herrchen und Frauchen sollten fit sein, ansonsten drohen laut Behr „bestialische Muskelschmerzen“. Wer sich zu Fuß von seinem Hund ziehen lässt, sollte schon ein geübter Läufer sein und möglichst eine gute Lauftechnik haben. „Es ist sehr anstrengend und geht ziemlich auf die Gelenke“, bestätigt Blazejewski. Gute Laufschuhe sind deshalb ein Muss.
Der Hund sollte ausgewachsen, gut erzogen und lauffreudig sein – und nur sehr langsam an diesen Sport gewöhnt werden. Denn beim Ziehen braucht das Tier Muskelgruppen, die es ansonsten nur wenig nutzt. „Der Hund sollte regelmäßig vom Tierarzt untersucht werden“, rät Marius Tünte vom Deutschen Tierschutzbund in Bonn. So kann man sicherstellen, dass es keine gesundheitlichen Einschränkungen gibt.
Wie in jedem Sport, der gemeinsam mit einem Tier ausgeübt wird, muss der Mensch sehr achtsam sein. Indizien für eine übermäßige Anstrengung des Hundes können starkes Hecheln und Schaum am Maul sein. Halter sollten sich nicht darauf verlassen, dass ihr Hund schon von alleine aufhört, wenn es ihm zu anstrengend wird. Denn viele Hunde würden bis zur völligen Erschöpfung laufen. Um die Pfoten und Gelenke zu schonen, sollte nicht auf Asphalt trainiert werden. Am sinnvollsten sind befestigte Waldwege. Bei Bedarf kann man den Tieren Schuhe anziehen.
Nur langsam steigern
Es gibt mehrere Möglichkeiten, dem Hund das Ziehen beizubringen. Behr empfiehlt für den Anfang, einen Futternapf zum Beispiel auf einen Waldparkplatz zu stellen, dann mit dem Hund einige Meter wegzugehen und sich von dort aus auf ein Kommando hin zum Napf ziehen zu lassen. Die Entfernung zu dem Napf wird dann langsam vergrößert. Dies sollte für lange Zeit immer am selben Ort geübt werden, das macht den Hunden das Lernen leichter. Die Länge der Strecke sollte nur langsam gesteigert werden. „Es braucht sehr viele Wiederholungen, bis der Hund das Gelernte wirklich verinnerlicht hat“, sagt Behr.
Natürlich muss der Hund auch einige Kommandos lernen, damit er in die gewünschte Richtung läuft und wieder anhält. „Als Startkommando nehmen viele „Los“oder „Go““, erzählt Behr. Sinnvoll ist auch ein Befehl an den Hund, sich vor dem Start mit leicht gespanntem Seil vor seinen Menschen zu stellen, das gleiche gilt für die Kommandos für ein langsameres oder schnelleres Tempo. Außerdem muss der Hund lernen, sich von nichts am Wegesrand ablenken zu lassen – egal, ob er ein Reh erschnuppert oder einen interessanten Hund erspäht.
Für Canicross benötigen Mensch und Tier eine spezielle Ausrüstung. Der Hund muss ein besonderes Geschirr tragen. Die Experten betonen, dass dieses auf jeden Fall von einem Fachmann angepasst werden muss. „Ansonsten kann zum Beispiel der Bauch des Hundes eingeschnürt werden“, sagt Behr. Das normale Geschirr des Tieres darf nicht verwendet werden.
Für das Laufen benötigen auch die Halter einen speziellen Gurt, am besten einen mit Beinschlaufen sowie breiten und gepolsterten Auflagen. Sich einen Gurt nur um den Bauch zu binden, ist nicht sinnvoll: „Das geht dann richtig ins Kreuz“, sagt Sabine Ruff.
„Die Hunde sind danach platt.“Tierhalterin Tatjana Blazejewski
Dämpfer notwendig
Hund und Mensch verbindet eine etwa zwei Meter lange Zugleine, hier empfiehlt sich ein eingebauter Ruckdämpfer. Wer sich auf dem Fahrrad von seinem Hund ziehen lassen möchte, benötigt eine sogenannte Bikeantenne. Diese wird an der Lenkerstange befestigt. Die Zugleine wird dort durchgeführt und am Rad angebracht.
Die teuerste Variante des Canicross ist das Fahren mit dem Scooter. Es sollte auf jeden Fall ein Roller genutzt werden, der extra für den Hundesport gebaut wurde. Gute Scooter sind ab etwa 650 Euro zu haben. „Der Vorteil ist, dass man von einem Roller schnell abspringen kann“, erzählt Ruff.