Per Autopilot durch die City
Problemlos parken und ohne Staus durch die City – ein Testfeld in Karlsruhe soll zeigen, ob die hohen Erwartungen an selbstfahrende Autos in Erfüllung gehen
KARLSRUHE (lsw) - Eine Kamera hoch oben am Ampelmast. Darunter braust der Verkehr. Zu sehen ist noch nicht viel an der stark befahrenen Kreuzung Durlacher Allee/Ostring in Karlsruhe. Dabei soll hier ab April/Mai 2018 die Zukunft stattfinden. Dann soll an ausgewählten Strecken zwischen Karlsruhe, Bruchsal und Heilbronn das Testfeld Autonomes Fahren Baden-Württemberg starten. Ein Vorhaben mit Pilotcharakter. Denn im Vergleich zu anderen Projekten in Braunschweig, an der A 9 in Bayern oder im Saarland zeichnet das baden-württembergische Testfeld eine Besonderheit aus: Es umfasst alle Arten von öffentlichen Straßen – von der Autobahn über die Landstraße bis hin zur städtischen Hauptverkehrsachse und Wohnstraße.
„Autonomes Fahren wird die Zukunft des Verkehrs verändern“, ist Uwe Lahl, Ministerialdirektor im Stuttgarter Verkehrsministerium, überzeugt. Wie, das soll im Testfeld ausprobiert werden – eine Art „Reallabor“für verschiedenste Mobilitätskonzepte im Tüftlerland. Vor allem kleine und mittlere Unternehmen sollen hier ihre Systeme und Geschäftsmodelle für den künftigen Milliardenmarkt erproben können.
Dabei geht es um mehr als selbstfahrende High-Tech-Flitzer. „Das Testfeld bietet auch Gelegenheit, neue Mobilitätsangebote zu testen“, sagt Karlsruhes Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD). So wollen Stadt und Region Bruchsal prüfen, ob auch Carsharing autonom funktioniert.
Erste Fahrzeuge für das Testfeld gibt es schon: Das Forschungszentrum Informatik (FZI), das federführend im Träger-Konsortium ist, hat Autos mit Sensoren, Kameras sowie intelligenter Soft- und Hardware ausgestattet. Damit können sie ihre Umgebung wahrnehmen und die gesammelten Informationen interpretieren. Äußerlich erkennbar sind die weißen FZI-Autos am Wabenmuster und dem Warnlicht auf dem Dach.
Wie viele solcher Fahrzeuge von Forschungseinrichtungen und Unternehmen ab Frühjahr auf Autobahnen, Landstraßen oder in 30-Kilometer-Zonen unterwegs sein werden, kann man im FZI noch nicht sagen. Klar ist, dass mittelfristig auch Busse eingesetzt werden. Schließlich ist der Karlsruher Verkehrsverbund (KVV) Betreiber des Testfelds.
Damit die Autos kommunizieren können, müssen auch Straßen, Kreuzungen oder Parkhäuser technisch aufgerüstet werden: mit Sensoren, die Autos, Straßenbahnen, Radfahrer oder Fußgänger, aber auch Daten zum Wetter und zum Straßenzustand erfassen.
Erste Abschnitte mit einer Länge von rund 20 Kilometern sind im Aufbau. In Karlsruhe ist es eine Strecke, die über den Ostring, die Wolfartsweierer Straße sowie Teile der Haidund-Neu-Straße und die Südtangente führt, in Heilbronn fahren Testwagen in der Karl-Wüst-Straße und der Albertistraße.
Sicherheitsfahrer an Bord
Und was passiert, wenn dem automatisierten Auto auf der Spielstraße das hinter dem Ball her rennende Kind in die Quere kommt? Im Idealfall erkennt es die Situation sofort und bremst. Doch für den Fall, dass das Forschungsfahrzeug nicht schnell genug reagiert, ist stets ein Fahrer an Bord. „Das sind ausgebildete Sicherheitsfahrer. Die haben gelernt, solche Situationen abzuschätzen und entsprechend zu reagieren“, sagt FZI-Sprecherin Julia Feilen. Ein zusätzliches Risiko für andere Verkehrsteilnehmer darf nicht entstehen, betont Karlsruhes OB Mentrup.
Für Konzeption, Planung und Ausbau des Testfelds gibt das badenwürttembergische Verkehrsministerium 2,5 Millionen Euro. Die Partner des im November 2016 begonnenen und für fünf Jahre geplanten 6,7 Millionen-Euro-Projektes steuern weitere Mittel und Material bei. Dafür können sie ihre neuen Fahrzeugsysteme für automatisiertes und vernetztes Fahren im realen Straßenverkehr testen.
Wann die ersten selbstfahrenden Autos, Busse oder Reinigungsfahrzeuge in den Städten zum Alltag gehören, ist noch ungewiss. „Autonomes Fahren reif werden zu lassen, ist ein mühsamer Weg“, weiß Fahrzeugtechnik-Professor Hermann Winner von der TU Darmstadt. Er rechnet mit ersten Pilotanwendungen um das Jahr 2020. „Bis aber 50 Prozent erreicht sind, sind eher zwei Dekaden abzuwarten.“
Schließlich gilt es nicht nur technische Fragen zu klären – sondern auch solche zur Akzeptanz in der Bevölkerung, Wirtschaftlichkeit, Haftung bis hin zum Datenschutz. Die größten Herausforderungen sieht der Darmstädter Hochschulexperte aber bei der Sicherheit: „Wir wissen noch viel zu wenig über die Kunst des Autofahrens.“So leicht ist der Mensch als Fahrzeuglenker offenbar doch nicht zu ersetzen.