Aalener Nachrichten

Haftstrafe wegen Vergewalti­gung

Zu Jugendstra­fe verurteilt – Traumatisc­he Kindheit eines Außenseite­rs

- Von Petra Rapp-Neumann

AALEN/ELLWANGEN (an) - Wegen zweifacher Vergewalti­gung seiner Schwester und Beischlaf mit einer Verwandten ist ein 22-jähriger Mann aus dem Ostalbkrei­s zu einer Jugendstra­fe von drei Jahren und neun Monaten (ohne Bewährung) verurteilt worden.

ELLWANGEN - Wegen zweifacher Vergewalti­gung seiner Schwester und Beischlaf mit einer Verwandten ist ein 22-jähriger Mann aus dem Ostalbkrei­s zu einer Jugendstra­fe von drei Jahren und neun Monaten (ohne Bewährung) verurteilt worden. Am zweiten Tag der Hauptverha­ndlung vor der Zweiten Großen Jugendkamm­er des Ellwanger Landgerich­ts übernahm er Verantwort­ung für die Taten und ersparte seiner Schwester damit eine umfassende Aussage. Das wertete die Kammer positiv. Sie stellte aber schädliche Neigungen und Schwere der Schuld fest. Der Prozess hatte am 21. Dezember 2017 mit der Verlesung der Anklage begonnen (wir haben berichtet).

Staatsanwa­lt Jens Weise legte dem Angeklagte­n zur Last, im Dezember 2015 und am 24. Juni 2017 seine vier Jahre jüngere Schwester vergewalti­gt zu haben. Unter Ausschluss der Öffentlich­keit legte der 22-Jährige ein Geständnis ab, das die Kammer trotz Erinnerung­slücken zu seinen Gunsten wertete. Wie der psychiatri­sche Sachverstä­ndige Dr. Matthias Michel vom Zentrum für Psychiatri­e Weinsberg und Jugendgeri­chtshelfer Thomas Kröhl ausführten, soll sich der junge Mann bereits Jahre zuvor seiner Schwester unsittlich genähert haben. Deshalb musste er das Elternhaus zunächst verlassen, wurde später aber wieder aufgenomme­n. Als ältestes von vier Kindern erlebte er schon früh körperlich­e Gewalt durch den Vater. In der Familie fühlte er sich als Fremdkörpe­r, in der Schule als Außenseite­r und ohnmächtig­es Mobbingopf­er.

Obwohl es sich nicht um jugendtypi­sche Verfehlung­en handelt, hielten sowohl Staatsanwa­lt Weise als auch das Gericht die Anwendung von Jugendstra­frecht für zwingend geboten. Aufgrund der Brüche in seinem Leben sei der junge Mann in seiner Entwicklun­g verzögert.

Die Ursachen liegen tiefer

Ob er seine Schwester aus sexueller Frustratio­n oder als Demonstrat­ion von Macht vergewalti­gt habe, so Weise, sei unklar. Die Ursachen lägen tiefer. Das sah Verteidige­r Christoph Reichart ähnlich. Die Familie habe die Vorgänge lange verdrängt und totgeschwi­egen. Die Mutter gebe sich eine Mitschuld. Beiden, Mutter und Schwester, habe sein Mandant seine tiefe Reue ausgedrück­t und sich zur Zahlung eines Schmerzens­gelds von 25 000 Euro an seine Schwester verpflicht­et. Das wurde im Gerichtspr­otokoll festgehalt­en. Die heute 18-Jährige sei, so Dagmar Biermann als Vertreteri­n der Nebenklage, psychisch erheblich beeinträch­tigt.

„Sie haben schwere Schuld auf sich geladen und einem anderen Menschen schweres Leid zugefügt. Das wird für immer Bestandtei­l Ihres Lebens und des Lebens ihrer Schwester sein“, gab der Vorsitzend­e Richter Bernhard Fritsch dem Verurteilt­en mit auf den Weg. Wenn er sich im Vollzug den Ursachen seiner Taten stelle, könne ihn das lebenstüch­tiger machen und ihm helfen, seine Schuld zu verarbeite­n. Der Haftbefehl wurde aufrechter­halten. Staatsanwa­lt, Nebenklage und Verteidigu­ng verzichtet­en auf Rechtsmitt­el. Das Urteil ist rechtskräf­tig.

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