Ärger mit „Reichsbürgern“
CDU-Politiker Hagel fordert härtere Sanktionen
STUTTGART (tja) - Anhänger der Reichsbürger-Szene haben 2017 in Baden-Württemberg mehr als 60 politisch motivierte Straftaten begangen. Das teilte das Innenministerium der „Schwäbischen Zeitung“mit. Es erfasste die Zahlen erstmals gesondert. Seit 2015 gaben außerdem rund 270 von ihnen ihre Ausweispapiere an Behörden zurück.
CDU-Generalsekretär Manuel Hagel forderte die Kommunen auf, für den dadurch verursachten Verwaltungsaufwand Gebühren zu erheben: „Seine Ausweisdokumente zurückzugeben, ist ein Akt der Missachtung unserer Demokratie und unseres Gemeinwesens. Ich würde so etwas gerne sanktioniert sehen.“Schleswig-Holstein erhebt fünf Euro für jeden Tag, den ein Ausweisdokument aufbewahrt werden muss.
In Baden-Württemberg werden rund 2000 Menschen der Reichsbürger-Szene zugerechnet. Sie lehnen den deutschen Staat ab.
STUTTGART - Sie lehnen den deutschen Staat ab und verursachen seinen Behörden absichtlich Aufwand: Angehörige der Reichsbürger-Bewegung. Baden-Württembergs CDUGeneralsekretär Manuel Hagel fordert deshalb, die „Reichsbürger“stärker zur Kasse zu bitten. Im Jahr 2017 registrierte das Innenministerium im Land 62 politisch motivierte Straftaten von „Reichsbürgern“, davon elf Gewaltdelikte.
Seit 2015 haben in Baden-Württemberg rund 270 „Reichsbürger“Pass, Personalausweis oder beides bei Meldeämtern zurückgegeben. Das geht aus einer Stellungnahme des Innenministeriums auf eine Anfrage Hagels hervor. Die „Reichsbürger“tun das, weil sie Deutschland nicht als legitimen Staat anerkennen und sich seinen Autoritäten nicht unterwerfen wollen. Die Behörden dürfen die Dokumente jedoch nicht vernichten, sondern müssen sie sicher aufbewahren. Schleswig-Holstein erhebt dafür seit 2017 Gebühren. Fünf Euro pro angefangenen Tag berechnen die Ämter dafür.
„Missachtung der Demokratie“
Anders als die Kollegen aus Kiel kann Baden-Württembergs Innenministerium dieses Vorgehen nicht anordnen. Im Südwesten entscheiden Städte und Gemeinden selbst, wofür sie welche Gebühren verlangen. Hagel rät den Kommunen dazu. „Seine Ausweisdokumente zurückzugeben ist ein Akt der Missachtung unserer Demokratie und unseres Gemeinwesens. Ich würde so etwas gerne sanktioniert sehen. Ich kann nur empfehlen, eine Verwahrungsgebühr bei der Abgabe von Ausweisdokumenten zu erheben“, sagte er der „Schwäbischen Zeitung“.
In Deutschland herrscht eine Ausweispflicht. Allerdings muss deshalb nicht jeder Bürger ständig Ausweis oder Pass dabeihaben. Doch er muss auf Verlangen von Polizei oder Ordnungsbehörden ein solches Dokument zeigen oder nachreichen können. Wenn ein „Reichsbürger“seine Papiere abgibt, sind Behörden gehalten, ein Ordungswidrigkeits-verfahren einzuleiten. Das kann mit Strafen von bis zu 5000 Euro enden.
Seit 2016 beobachtet der Verfassungsschutz die Reichsbürger-Szene. Grund: Im Oktober 2016 erschoss ein „Reichsbürger“in Bayern einen Polizisten. Derzeit geht das Landesinnenministerium davon aus, dass in Baden-Württemberg rund 2000 Menschen den „Reichsbürgern“angehören. „Die Zahlen steigen. Das liegt aber weniger daran, dass die Szene Zulauf hat, sondern vor allem daran, dass Polizei und Verfassungsschutz derzeit intensiv ermitteln und immer neue Mitgliedschaften nachweisen“, so der Sprecher.
Mittlerweile werden Straftaten, die „Reichsbürger“begehen, gesondert in der Polizeistatistik erfasst. 2017 waren laut Innenministerium Angehörige der Szene in 62 Fällen tatverdächtig. Ermittler verweisen jedoch darauf, dass das nur jene Taten sind, bei denen eindeutig das politische Motiv – also die Ablehnung des deutschen Staates – im Vordergrund steht. Das lässt sich nicht immer nachweisen. „Von einigen Dingen bekommt die Polizei auch zunächst nichts mit – etwa, wenn ,Reichsbürger’ die Ausweise ihrer kompletten Familien an die Meldebehörden schicken, um sie zurückzugeben“, sagt Andreas Taube, Inspektionsleiter beim Landeskriminalamt (LKA).
Seit einigen Jahren sorgen Aktivitäten der „Reichsbürger“vermehrt für Ärger. So zahlen Anhänger der Szene keine Bußgelder und tun alles, um die darauffolgenden Gerichtsprozesse zu stören und zu verzögern. Das gilt auch für viele Verwaltungen. Besonders häufig nutzen sie die so genannte „Malta-Masche“. Die funktioniert so: Ein „Reichsbürger“wird zum Beispiel von der Stadt aufgefordert, Müllgebühren zu zahlen. Er weigert sich. Als Reaktion nutzt er ein in den USA betriebenes OnlineRegister, um dort eine vermeintliche Geldforderung gegen den Mitarbeiter der Stadt oder die gesamte Behörde einzutragen. Ob die Ansprüche zurecht erhoben werden, prüft aber niemand nach. So erscheinen diese zunächst legitim. Über Inkasso-Unternehmen in Malta versuchen die „Reichsbürger“dann, die Fantasiesummen einzutreiben.
„Es kommt auch vor, dass ,Reichsbürger’ in Büros von Behördenmitarbeitern auftauchen und randalieren, um ihren vermeintlichen Forderungen Nachdruck zu verleihen“, so LKA-Mann Tauber. Er glaubt, dass die Szene weiter Zulauf hat – auch, weil sich die Ideen über das Internet und die sozialen Medien rasch ausbreiten.