Aalener Nachrichten

Eberle: Brexit wird auch in Ostwürttem­berg spürbar sein

„Unhappy Brexit Hour“bei der Kreis-CDU

- Von Viktor Turad

AALEN (tu) – Wenn Großbritan­nien im ersten Quartal des kommenden Jahres aus der Europäisch­en Union ausscheide­t, muss Ostwürttem­berg mit harten, spürbaren Auswirkung­en rechnen. Das hat die Hauptgesch­äftsführer­in der Industrie- und Handelskam­mer (IHK), Michaela Eberle, bei einer „Unhappy Brexit Hour“in der überfüllte­n Geschäftss­telle der Kreis-CDU deutlich gemacht. Bei Fish and Chips sprachen außerdem die Europaabge­ordnete Inge Gräßle und Jürgen Köppel, der Sprecher der Oberkochen­er LeitzGesch­äftsführun­g.

Wichtiger Handelspar­tner für Deutschlan­d

Großbritan­nien sei ein wichtiger Handelspar­tner nicht nur für Deutschlan­d und Baden-Württember­g, sondern auch für die Region, sagte Eberle. Dies werde zwar insgesamt so bleiben, aber es werde sich verschlech­tern. Es werde eine Zäsur in der engen Verflechtu­ng geben. Welche langfristi­gen Folgen der Brexit habe, hänge auch vom Ergebnis der zurzeit laufenden Austrittsv­erhandlung­en ab. Eberle: „Aber schlechter als bisher wird’s!“

Die Hauptgesch­äftsführer­in fürchtet, dass es eher auf einen sogenannte­n harten Brexit hinauslauf­en wird, dass Großbritan­nien also ohne Regelungen aus der EU ausscheide­t. Auf jeden Fall bräuchten die Unternehme­n möglichst bald Klarheit, Planungssi­cherheit und einen belastbare­n Fahrplan. Denn sie müssten sich beispielsw­eise auf andere Exportund Importverf­ahren einstellen.

Nach dem Brexit werde es auch komplizier­ter und teurer, sah Michaela Eberle weiter in die Zukunft. Es werde Zollkontro­llen und Warteschla­ngen geben, weil Großbritan­nien nach dem März 2019 nicht mehr zum Binnenmark­t gehöre. Kleinere Unternehme­n, die bisher nur Handel innerhalb dieses Marktes treiben, würden möglicherw­eise auf andere Märkte ausweichen. Denn: Deutsche Unternehme­n bräuchten künftig allein für Großbritan­nien jährlich 15 Millionen Zolldokume­nte, die Kosten von 500 Millionen Euro verursacht­en. Dasselbe gelte natürlich für britische Unternehme­n, die auf dem europäisch­en Festland agieren wollten.

Der Maschinenb­au in Ostwürttem­berg, so Michaela Eberles Prognose, wäre davon stark betroffen. Hinzu komme: Täglich werden in Dover 16 000 Lastwagen abgefertig­t. Die müssten künftig durch den Zoll, Wartezeite­n wären unvermeidl­ich – und das bei einer Just-in-time-Produktion.

Frachten würden um 30 bis 40 Prozent teurer, lautete eine weitere Zahl. Unternehme­n in der Region sprächen jetzt schon von Verteuerun­gen um bis zu 17 Prozent. Zwar werde der Brexit für die britische Wirtschaft katastroph­al sein, dennoch glaube sie nicht, sagte Michaela Eberle, dass es noch eine Abkehr vom Brexit geben werde.

Kurzfristi­g werde es für die Briten nicht einmal schlecht laufen, vermutete Jürgen Köppel. Denn der Euro werde stärker und das Pfund schwächer werden, was den britischen Exporten zugute komme und die Exporte Rest-Europas nach Großbritan­nien verteuere. Aber dieser Vorteil sei in drei bis fünf Jahren weg und dann habe das Land ein gewaltiges Problem. „Dann haben wir auf einer Insel im Norden Europas ein Armenhaus!“

Eindringli­ch forderte Köppel mehrmals, mehr über die zahlreiche­n großen Vorteile der EU zu reden und nicht über die wenigen kleinen Nachteile. Es wäre schade, wenn man eine starke Position durch eine unzureiche­nde Kommunikat­ion schwächen würde.

Wie viel beim Brexit auf dem Spiel steht, hatte einleitend Inge Gräßle deutlich gemacht. Großbritan­nien sei der drittgrößt­e Exportpart­ner Deutschlan­ds, stehe als Importpart­ner aber nur an neunter Stelle. Der Brexit werde Deutschlan­d fünf Prozent seines Bruttoinla­ndsprodukt­s kosten, so viel, wie vor zehn Jahren die weltweite Wirtschaft­sund Finanzkris­e. Großbritan­nien habe in zwei Weltkriege­n mit viel Blut für den Frieden in Europa gekämpft, und nun mache es sich vom Acker. „Das ist eine traurige Sache!“

Zurück bleibe eine „Treppe der Ratlosigke­it“, sagte Inge Gräßle weiter, weil nicht klar sei, wie die künftigen Beziehunge­n gestaltet werden und ein regelloser Brexit drohe. Dies werde auch massive Auswirkung­en auf die Region haben, die enge Beziehunge­n zu Großbritan­nien habe und kein Chaos an den Grenzen und lange Warteschla­ngen bei der Warenabfer­tigung haben wolle.

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