Eberle: Brexit wird auch in Ostwürttemberg spürbar sein
„Unhappy Brexit Hour“bei der Kreis-CDU
AALEN (tu) – Wenn Großbritannien im ersten Quartal des kommenden Jahres aus der Europäischen Union ausscheidet, muss Ostwürttemberg mit harten, spürbaren Auswirkungen rechnen. Das hat die Hauptgeschäftsführerin der Industrie- und Handelskammer (IHK), Michaela Eberle, bei einer „Unhappy Brexit Hour“in der überfüllten Geschäftsstelle der Kreis-CDU deutlich gemacht. Bei Fish and Chips sprachen außerdem die Europaabgeordnete Inge Gräßle und Jürgen Köppel, der Sprecher der Oberkochener LeitzGeschäftsführung.
Wichtiger Handelspartner für Deutschland
Großbritannien sei ein wichtiger Handelspartner nicht nur für Deutschland und Baden-Württemberg, sondern auch für die Region, sagte Eberle. Dies werde zwar insgesamt so bleiben, aber es werde sich verschlechtern. Es werde eine Zäsur in der engen Verflechtung geben. Welche langfristigen Folgen der Brexit habe, hänge auch vom Ergebnis der zurzeit laufenden Austrittsverhandlungen ab. Eberle: „Aber schlechter als bisher wird’s!“
Die Hauptgeschäftsführerin fürchtet, dass es eher auf einen sogenannten harten Brexit hinauslaufen wird, dass Großbritannien also ohne Regelungen aus der EU ausscheidet. Auf jeden Fall bräuchten die Unternehmen möglichst bald Klarheit, Planungssicherheit und einen belastbaren Fahrplan. Denn sie müssten sich beispielsweise auf andere Exportund Importverfahren einstellen.
Nach dem Brexit werde es auch komplizierter und teurer, sah Michaela Eberle weiter in die Zukunft. Es werde Zollkontrollen und Warteschlangen geben, weil Großbritannien nach dem März 2019 nicht mehr zum Binnenmarkt gehöre. Kleinere Unternehmen, die bisher nur Handel innerhalb dieses Marktes treiben, würden möglicherweise auf andere Märkte ausweichen. Denn: Deutsche Unternehmen bräuchten künftig allein für Großbritannien jährlich 15 Millionen Zolldokumente, die Kosten von 500 Millionen Euro verursachten. Dasselbe gelte natürlich für britische Unternehmen, die auf dem europäischen Festland agieren wollten.
Der Maschinenbau in Ostwürttemberg, so Michaela Eberles Prognose, wäre davon stark betroffen. Hinzu komme: Täglich werden in Dover 16 000 Lastwagen abgefertigt. Die müssten künftig durch den Zoll, Wartezeiten wären unvermeidlich – und das bei einer Just-in-time-Produktion.
Frachten würden um 30 bis 40 Prozent teurer, lautete eine weitere Zahl. Unternehmen in der Region sprächen jetzt schon von Verteuerungen um bis zu 17 Prozent. Zwar werde der Brexit für die britische Wirtschaft katastrophal sein, dennoch glaube sie nicht, sagte Michaela Eberle, dass es noch eine Abkehr vom Brexit geben werde.
Kurzfristig werde es für die Briten nicht einmal schlecht laufen, vermutete Jürgen Köppel. Denn der Euro werde stärker und das Pfund schwächer werden, was den britischen Exporten zugute komme und die Exporte Rest-Europas nach Großbritannien verteuere. Aber dieser Vorteil sei in drei bis fünf Jahren weg und dann habe das Land ein gewaltiges Problem. „Dann haben wir auf einer Insel im Norden Europas ein Armenhaus!“
Eindringlich forderte Köppel mehrmals, mehr über die zahlreichen großen Vorteile der EU zu reden und nicht über die wenigen kleinen Nachteile. Es wäre schade, wenn man eine starke Position durch eine unzureichende Kommunikation schwächen würde.
Wie viel beim Brexit auf dem Spiel steht, hatte einleitend Inge Gräßle deutlich gemacht. Großbritannien sei der drittgrößte Exportpartner Deutschlands, stehe als Importpartner aber nur an neunter Stelle. Der Brexit werde Deutschland fünf Prozent seines Bruttoinlandsprodukts kosten, so viel, wie vor zehn Jahren die weltweite Wirtschaftsund Finanzkrise. Großbritannien habe in zwei Weltkriegen mit viel Blut für den Frieden in Europa gekämpft, und nun mache es sich vom Acker. „Das ist eine traurige Sache!“
Zurück bleibe eine „Treppe der Ratlosigkeit“, sagte Inge Gräßle weiter, weil nicht klar sei, wie die künftigen Beziehungen gestaltet werden und ein regelloser Brexit drohe. Dies werde auch massive Auswirkungen auf die Region haben, die enge Beziehungen zu Großbritannien habe und kein Chaos an den Grenzen und lange Warteschlangen bei der Warenabfertigung haben wolle.