Einigungen bei Rente und Familiennachzug
Koalitionsverhandler für kostspieliges Paket – Bundestag beschließt erneute Aussetzung
BERLIN - Union und SPD gehen mit einem milliardenschweren Rentenpaket und einem gemeinsamen Signal beim Familiennachzug für Flüchtlinge in die Endphase ihrer Koalitionsverhandlungen. Angesichts ungelöster Fragen in der Gesundheitsund Arbeitsmarktpolitik wurde in Teilnehmerkreisen am Donnerstag aber auch ein Scheitern in den wohl über das Wochenende hinausgehenden Schlussberatungen nicht ausgeschlossen. Auch führende Sozialpolitiker von Union und SPD werteten die Einigung auf ein Rentenpaket als Meilenstein für Millionen Menschen in Deutschland.
SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles und die Sozial-Verhandlungsführer der Union, Karl-Josef Laumann (CDU) und Barbara Stamm (CSU), betonten die Gemeinsamkeiten beim Rentenkurs. „Wir haben heute ein wichtiges Ergebnis erzielt“, sagte Nahles. Die Renten-Unterhändler räumten hohe Kosten ihres Einigungspakets ein. „Dass das, was wir hier an Verbesserungen machen, weil es Millionen von Menschen betrifft, auch Milliardensummen kosten wird, kann ich prognostizieren“, sagte Nahles.
Vom Bundestag beschlossen wurde am Donnerstag mit den Stimmen von CDU, CSU und SPD der Gesetzentwurf zum Familiennachzug, auf den sich Union und Sozialdemokraten nach langem Ringen in den Koalitionsverhandlungen verständigt hatten. In der SPD stimmten mit zehn Abgeordneten weniger als erwartet gegen den Entwurf. Dies wurde in der Union als positives Zeichen eines quasi vorkoalitionären Verhaltens gewertet. Demnach bleibt der Familiennachzug für Flüchtlinge mit subsidiärem Schutz bis Ende Juli ausgesetzt. Kritik daran übten Grüne und Linke. Im Anschluss soll der Nachzug auf 1000 Menschen pro Monat begrenzt werden, zudem sollen Härtefälle berücksichtigt werden.
Lob für die erneute Aussetzung kam von Gerd Landsberg, dem Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtebundes. „Das ist aus kommunaler Sicht ein richtiger und wichtiger Schritt. Städte und Gemeinden dürfen bei der Integration von Flüchtlingen nicht überfordert werden“, sagte er am Donnerstag der „Schwäbischen Zeitung“.
BERLIN - „Nicht ohne den deutschen Bundestag“fordern FDP, AfD und Linke unisono beim Thema geplanter Europäischer Währungsfonds. Im Bundestag scheiterten sie allerdings mit ihren verschiedenen Anträgen.
Macht Merkel in Brüssel zu viele Zugeständnisse? Diese Frage treibt in Berlin so manchen um. Union und SPD zeigen sich beim Thema Aufbruch für Europa in ihrem Sondierungspapier mutig. Man sei bereit, einen Beitrag zu einem neuen Aufbruch in Europa zu leisten, so SPDChef Martin Schulz. Im Sondierungspapier der GroKo steht, dass der europäische Stabilitätsmechanismus, der in der Eurokrise 2010 eingeführt wurde, nun zu einem Europäischen Währungsfonds (EWF) weiterentwickelt werden soll, der im EU-Recht verankert ist.
Nicht nur AfD, FDP und Linke haben Bedenken, sondern auch Experten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags und Teile der Unionsfraktion. Der CDU-Wirtschaftsrat warnt die Partei, der SPD zu sehr zu folgen, die unter proeuropäisch die Umverteilung in Krisenländer verstehe. Der FDP-Abgeordnete Christian Dürr sagt: „Das Geld der Mitgliedsstaaten, auch aus Deutschland, darf nicht mangelnde Reformfähigkeit zukleistern.“Der deutsche Bundestag müsse über das Geld der deutschen Steuerzahler abstimmen und niemand anderes. Man sei nicht gegen den Europäischen Währungsfonds, aber der Parlamentsvorbehalt müsse bleiben. Ähnliche Befürchtungen äußert die AfD. Deren Redner Peter Boehringer sagt, die Mitsprache des Bundestags würde kassiert und man werde bei der Bankenrettung einspringen. Das sei „ein weiteres Stück Selbstaufgabe dieses Hauses.“An die Linken im Bundestag gewandt, meinte Boehringer, sie sollten einmal überlegen, wie viel Geld für Soziales übrig bliebe, wenn man nicht immer vergemeinschaften würde. Er fordert den Bundestag auf, eine Subsidiaritätsrüge zu beschließen, bevor heute die Frist dafür ablaufe. Für den Antrag der FDP, wonach der EWF nicht im EU-Recht begründet werden darf, stimmten jedoch nur AfD und FDP. Die weiteren Anträge von FDP, AfD und Linken überwies der Bundestag zur Beratung in den Haushaltsausschuss.
Grüne helfen GroKo
Die Grünen-Politikerin Franziska Brantner sprang den GroKo-Plänen bei. „Wir lassen nicht zu, wenn einige versuchen, den Bundestag gegen das europäische Parlament auszuspielen.“Sie greift die FDP an: Lindner schwärme zwar von Emmanuel Macron, doch sobald es konkret werde, komme ein Nein. „Sie müssen sich entscheiden: Auf welcher Seite stehen Sie? Wollen Sie weiter Steilvorlagen für die AfD liefern oder nach vorne Europa gestalten?“fragt Brantner die FDP-Abgeordneten.
Für den CSU-Abgeordneten Alois Rainer steht fest, dass der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) der Kontrolle der nationalen Parlamente unterliegen müsse. Sonst würde die Einhaltung von Regeln zu oft von politischen Interessen geleitet. „Für die CSU im Bundestag gehören Handeln und Haftung in eine Hand.“
Für die mögliche Große Koalition erinnert Johannes Kahrs (SPD) daran, dass nicht nur Frank-Walter Steinmeier, sondern auch Wolfgang Schäuble die Idee der Weiterentwicklung des ESM zu einem Währungsfonds hatte. Damals sei auch Außenminister Guido Westerwelle (FDP) dafür gewesen. So könne man aus einem europäischen Krisenmechanismus eine dauerhafte europäische Institution machen. Das sei dann „nicht mehr ADAC und Reparaturbetrieb, sondern TÜV und Dekra“, so Kahrs. „Wir als SPD wollen mehr Europa, nicht weniger“. Der CDU-Haushaltsexperte Eckhardt Rehberg (CDU) zeigte sich zurückhaltender. Die Union liege nicht so weit von der FDP entfernt, meint er. „Der EWF muss eine eigenständige Institution sein, er darf nicht der Kommission unterstehen, Mitgliedsstaaten müssen Kontrolle ausüben.“