Aalener Nachrichten

Neubeginn nach Turbulenze­n

Haus der Kunst in München hofft auf ruhigere Zeiten

- Von Cordula Dieckmann

MÜNCHEN (dpa) - „Aufregende Kunst, aber keine Aufregung mehr“– so heißt es in einer der jüngsten Pressemitt­eilungen aus dem Haus der Kunst in München. Turbulente Zeiten liegen hinter der Institutio­n, die zu den wichtigste­n Ausstellun­gshäusern für zeitgenöss­ische Kunst in Deutschlan­d zählt. Erst gab es massive Geldproble­me, dann kam es in die Schlagzeil­en, weil Angestellt­e Scientolog­y angehörten. Schließlic­h wurden auch noch Fälle sexueller Belästigun­g bekannt. Doch das Schlimmste scheint überstande­n.

„Wir sind in einer Umbruchsit­uation“, sagt der kaufmännis­che Geschäftsf­ührer Stefan Gros, der seit Herbst mit Direktor Okwui Enwezor eine Doppelspit­ze bildet. „Aber wir sind jetzt in der Lage, uns in der Zukunft vernünftig aufzustell­en.“Derzeit werden die Organisati­onsstruktu­ren im Auftrag des Kunstminis­teriums analysiert. Zudem soll der einstige Nazi-Bau von 1937 ab 2020 saniert werden.

Im vergangene­n Sommer war bekannt geworden, dass das Haus in eine finanziell­e Schieflage geraten war. Ein Umstand, der sich schon vorher angebahnt hatte, dann aber durch die Ausstellun­g „Postwar: Kunst zwischen Pazifik und Atlantik, 19451965“klar zutage trat. Die von Enwezor kuratierte Schau wurde vielgerühm­t, beleuchtet­e sie doch 20 Jahre Kunstgesch­ichte und setzte sich vor dem Hintergrun­d der politische­n und gesellscha­ftlichen Umwälzunge­n dieser Zeit mit der künstleris­chen Moderne auseinande­r. Doch finanziell war die Schau wohl eine Nummer zu groß und bescherte dem Haus ein großes Defizit.

„Die Postwar-Ausstellun­g war sicherlich ein Kraftakt“, gibt Chefkurato­r Ulrich Wilmes zu. Als Folge dieser Entwicklun­gen trennte man sich Ende 2017 vom kaufmännis­chen Leiter. Der Personalve­rwalter, dem auch Nähe zu Scientolog­y nachgesagt wurde, musste bereits vor einem Jahr gehen. Der Aufsichtsr­at gehe erhobenen Vorwürfen nach, sagte der Vorsitzend­e des Gremiums, Kunstminis­ter Ludwig Spaenle (CSU). Weitere Angaben machte er unter Verweis auf das Rechtsverf­ahren nicht.

Wichtigste­r Geldgeber des als GmbH organisier­ten Hauses ist der Freistaat Bayern. Der hatte seine Zuschüsse zuletzt 2003 erhöht. Außerdem verfügt das Haus über keine eigene Sammlung und muss seine Ausstellun­gen mit Leihgaben bestücken. Jahrelang klappte das, aber der Risikopuff­er wurde immer kleiner, auch weil die Summen für die Versicheru­ng der Kunstwerke immer höher wurden. Am Schluss sei das Haus an der Grenze des wirtschaft­lich Vertretbar­en geführt worden, sagt Gros.

Damit der Neubeginn gelingt, hofft man auf mehr Geld vom Staat. Die Bayerische Staatsregi­erung beabsichti­ge, den jährlichen Zuschuss im Rahmen des Nachtragsh­aushalts 2018 um 1,2 Millionen Euro anzuheben, hieß es aus dem Kunstminis­terium. An diesem Freitag berät darüber der Haushaltsa­usschuss. „Es ist nicht der Befreiungs­schlag“, meint Gros. „Es gibt einen Investitio­nsstau seit zehn Jahren.“Dennoch sei man für diese Unterstütz­ung natürlich dankbar. Weitere Finanzgebe­r sind die Tutsek-Stiftung und die Gesellscha­ft der Freunde der Stiftung Haus der Kunst. Zirka 50 Prozent seines Budgets müsse das Haus selbst erwirtscha­ften.

Aktiv bleiben trotz Renovierun­g

Spannend wird, wie es mit der Finanzauss­tattung nach der Renovierun­g durch den britischen Star-Architekte­n David Chipperfie­ld weitergeht, für die der Freistaat bis zu 150 Millionen Euro zahlen will. Neben Ausstellun­gsräumen hätte man gerne einen Forschungs­bereich und Archive, ebenso Seminarräu­me, die man vermieten will. Im Westflügel sollen multifunkt­ionale Säle entstehen, die auch andere Institutio­nen nutzen könnten. Drei bis vier Jahre, so die Prognose, muss der Bau während der Renovierun­g wohl komplett schließen. Doch das Haus der Kunst will trotzdem weiter aktiv bleiben und Konzepte entwickeln, wie man trotzdem Ausstellun­gen organisier­en kann. „Wir wollen nicht für eine Mehrzahl von Jahren von der Bildfläche verschwind­en, wir wollen sichtbar bleiben“, erklärt Chefkurato­r Wilmes.

Sichtbar bleiben soll auch die braune Vergangenh­eit. Seit 2014 können Besucher in der Archiv Galerie rund 10 000 Dokumente aus der Zeit des Nationalso­zialismus einsehen. Am 18. Juli 1937 wurde der monumental­e Bau mit der „Großen Deutschen Kunstausst­ellung“eröffnet, in der die Nationalso­zialisten zeitgenöss­ische Plastiken, Gemälde und Grafiken zeigten, die ihren ideologisc­hen Vorstellun­gen entsprache­n. Als Kontrast startete einen Tag später in den nahen Hofgartena­rkaden die Propaganda­schau „Entartete Kunst“, mit der das Terrorregi­me berühmte Künstler und deren Werke brandmarkt­e.

Den Nazi-Bau abreißen oder behalten? Die Vergangenh­eit ausmerzen oder offenlegen? Eine oft geführte Debatte. Nach dem Krieg richteten die US-Amerikaner dort ein Kasino ein und in der Ausstellun­gshalle sogar ein Basketball­feld. Später wurde es wieder für Ausstellun­gen genutzt und die Pinakothek­en waren zeitweise zu Gast. Legendär in dem Gebäude ist auch die Nobel-Diskothek P1. Architekt Chipperfie­ld will sich den acht Jahren dunkler Nazi-Geschichte bei der Renovierun­g stellen. Das hatte er im Herbst 2016 erklärt, als er seine Pläne für die Sanierung des Hauses präsentier­te. „Es stellt heute keine Bedrohung mehr dar.“

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FOTO: DPA Der Direktor des Hauses der Kunst in München, Okwui Enwezor, hat sich mit der Postwar-Schau finanziell übernommen.

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