Dreßen traut sich was zu
Der Streif-Sieger ist kein Geheimfavorit mehr, die Abfahrtsstrecke aber sollte ihm liegen
PYEONGCHANG (dpa) - Seit Thomas Dreßen die Abfahrt auf der Streif in Kitzbühel gewonnen hat, ist es vorbei mit der Ruhe. Deutschlands neuer Ski-Liebling ist gefragt wie noch nie in seiner Karriere, die Rolle als Geheimtipp ist er vor seinen ersten Olympischen Winterspielen los. Mit der Erwartungshaltung kann der 24-Jährige aus Mittenwald gut umgehen – denn er selbst sieht sich auch im Kreis derjenigen, die in der Abfahrt am Sonntag (3 Uhr MEZ) eine Olympia-Medaille gewinnen können.
„Ein Aksel Lund Svindal oder ein Beat Feuz, die sind klar vorne mit dabei. Ich würde mich da auch nicht rausnehmen. Ich traue mir selbst schon was zu“, sagt Dreßen. „Hätte ich am Anfang der Saison gesagt, dass ich mich zu den Außenseiter-Favoriten zähle, dann hätte jeder gesagt, jetzt spinnt er komplett. Mittlerweile ist es aber nicht mehr so unrealistisch.“
Oder, wie es Bundestrainer Mathias Berthold unmittelbar nach Dreßens sensationellem Sieg auf der Streif formulierte: „Das lässt sich jetzt nicht wegdiskutieren, wenn du Kitzbühel gewinnst unmittelbar vor Olympia, dass du dann einer der Favoriten bist, ja klar.“Berthold weiß, wovon er spricht. Vor vier Jahren in Sotschi war er noch Trainer seines Heimatlandes Österreich – und führte Matthias Mayer zum Olympiasieg in der Abfahrt.
Alpinchef Wolfgang Maier hofft auf eine gute Kombination aus Dreßens Stärken und den Eigenschaften der mit vielen lang gezogenen Kurven versehenen gut drei Kilometer langen Strecke. „Die fährt er von seinem Naturell her genial. Da ist er bei den richtig Großen dabei.“Allerdings: Im ersten und zweiten Training war Dreßen noch ein gutes Stück von der Bestzeit entfernt.
Für Mitfavoritin Viktoria Rebensburg schlägt am Montag die große Stunde. Im Riesenslalom (2.15 und 5.45 Uhr MEZ) in Yongpyong will sie angreifen. „Die Vicky“, sagt Alpindirektor Maier, „kann Läufe fahren, wo sie das Maß der Dinge ist.“Es gebe aber leider auch andere Tage. Hörmann möchte Fair-Play-Medaille: Für das deutsche Olympia-Team soll in Pyeongchang Fair Play vor Erfolg gehen. „Ich nehme mit dem Team D lieber die FairPlay-Medaille als Platz eins im Medaillenspiegel“, sagte DOSB-Präsident Alfons Hörmann: „Nach allem, was in den vergangenen Wochen und Monaten diskutiert wurde, scheint es mir wichtig, dieses Motto in den Vordergrund zu stellen.“Das deutsche Team sei „mehr als Leistungssport, mehr als Medaillenzählen, mehr als ausschließlich am Erfolg orientiert.“Hörmann nahm auch Bezug auf Medienberichte über eine hohe Zahl von Doping-Verdachtsfällen im Langlauf-Bereich: „Ich betone: Es ist niemand in diesem Team D, bei dem wir den leisesten Zweifel in Richtung irgendwelcher Verstöße oder Vergehen haben.“ Immer mehr Vorwürfe gegen Kahr: Der einstige Cheftrainer des österreichischen Skiverbandes, Charly Kahr, gerät immer mehr in den Fokus. In der „Süddeutschen Zeitung“erhoben mehrere Sportlerinnen anonym konkrete Vorwürfe, von Nötigung bis zur Vergewaltigung. Kahr und dem 2009 verstorbenen österreichischen Ski-Helden Toni Sailer würden in drei Fällen sexueller Missbrauch vorgeworfen, schreibt die Zeitung. Diese Übergriffe sollen sich bereits in den 1960er-Jahren zugetragen haben. Derweil hat der 85-Jährige die Vorwürfe der ehemaligen Rennläuferinnen zurückgewiesen. „Mein Mandant bestreitet entschieden, dass es diese Vorfälle gegeben hat“, sagte sein Anwalt Manfred Ainedter. Kahr habe vor 14 Tagen Anzeige wegen „übler Nachrede“gegen eine Sportlerin erstattet,