„Intelligente Kameras“sollen vor Kriminalität schützen
Digital gegen Diebe: Pilotprojekt in Mannheim – Kalkulierte Kosten von 1,1 Millionen Euro
MANNHEIM (dpa) - Ein modernes Computerprogramm soll in Mannheim selbstständig Straßenkriminalität erkennen und Polizisten alarmieren. Es ist ein viel beachtetes Pilotprojekt, denn die Frage ist, ob das Konzept auch für andere Kommunen taugt.
Das Auge des Gesetzes ist fest montiert und sieht alles: Taschendiebstahl, Schlägereien. Die Kriminalitätsrate in Mannheim sinkt, die Menschen fühlen sich sicherer. So könnte es kommen, wenn der Plan von Christian Specht aufgeht. Der Erste Bürgermeister und Sicherheitsdezernent arbeitet zusammen mit Polizeipräsident Thomas Köber am Konzept „Mannheimer Weg 2.0“– einem „intelligenten Kamerasystem“, das selbstständig Straßenkriminalität erkennen und Polizisten alarmieren soll. Nach langer Planung steht der Start des Pilotprojekts bevor. Specht hält die kalkulierten Kosten von 1,1 Millionen Euro für gut investiertes Geld.
„Im Zeitalter der Digitalisierung müssen Optionen zur Verbesserung der Sicherheit im öffentlichen Raum mitgedacht werden“, meint Specht. Für Gegner des Systems klingt das nach Überwachungsstaat und „Big Brother“. Sie fürchten, dass der Staat unbescholtene Bürger bespitzeln und Bewegungsprofile erstellen könnte. Polizeipräsident Köber widerspricht. Auch Specht meint, dass sich nur Kriminelle fürchten müssen. „Es geht um das Erkennen atypischer Bewegungsmuster. Gesichtserkennung oder Tonaufnahmen finden definitiv nicht statt“, betont der CDU-Politiker. „Wir haben die Öffentlichkeit von Anfang an informiert und werden absolut transparent arbeiten“, sagt Specht. Aufnahmen werden nach 72 Stunden gelöscht. Schilder würden auf die Überwachung hinweisen und möglicherweise bereits Kriminelle präventiv abschrecken.
Warnung vor Sammelwut
In Berlin startete im Sommer 2017 ein kontrovers diskutiertes Pilotprojekt zur automatischen Gesichtserkennung durch Überwachungskameras. Experten warnen vor einer Sammelwut. Auch Köber meint: „Viel hilft nicht automatisch viel, wenn sie nachher nicht dazu kommen, das ganze Material auszuwerten.“
So soll der „Mannheimer Weg 2.0“funktionieren: 71 Kameras an 28 Standorten fangen Bilder ein und schicken sie verschlüsselt durch ein Glasfaserkabel zum Lagezentrum der Polizei. Dort wertet ein vom Fraunhofer Institut in Karlsruhe entwickeltes Computerprogramm die Bilderströme elektronisch aus – mithilfe eines Algorithmus.
Erkennt die Software hektische oder untypische Bewegungen, etwa ein Schlagen, Rennen oder Fallen, blinkt eine Lampe auf und ein Polizist schaut sich die Szene am Bildschirm an. Im Bedarfsfall soll dann eine Streife in gut zwei Minuten vor Ort sein. Ein Vorteil des Systems: Die Polizei muss nicht nonstop auf die Bildschirme blicken. „Videoüberwachung ist ein Werkzeug von vielen“, meint Köber. „Die Kamera allein rettet es nicht.“Ziel sei Polizeipräsenz vor Ort.
Von 2001 bis 2007 hatte Mannheim einige Plätze mit analoger Technik überwacht – mit Erfolg, meint Köber. Auch darum steigt das Pilotprojekt in Mannheim.