Zusammenleben vor der Heirat? Unmöglich
Vierte Fastenpredigt: Unterschiede zwischen Deutschland und Indien
AALEN - Antiautoritäre Erziehung undenkbar, das Zusammenleben eines Paares vor der Heirat oder Ehe für alle unmöglich. Das sind einige markante kulturelle Unterschiede zwischen Deutschland und seinem Heimatland Indien. Dies hat Pater Shiju Mathew in der vierten Fastenpredigt in der Augustinuskirche deutlich gemacht.
Die Reihe steht unter der Überschrift „Liebe, Sex und Zärtlichkeit – ein Versuch“. Mit der Resonanz sei man sehr zufrieden, sagte der Geistliche. Anlass der Predigten ist das päpstliche Lehrschreiben zum Verbot der Pille, das vor 50 Jahren erschienen ist. Pater Mathew stammt aus Kerala in Südindien und ist seit acht Jahren in Deutschland. Er machte anhand einiger Zahlen deutlich, dass sein Heimatland aus europäischer Sicht schwer zu fassen ist, weil es keine einheitliche Kultur gibt. Auf dem Subkontinent leben 1,2 Milliarden Menschen, sie sprechen über 100 Sprachen. Beherrschend sind Hindi und Englisch, darüber hinaus gibt es aber 21 weitere Hauptsprachen.
Messlatte liegt höher
Auch in Indien seien Denkmuster wie in Europa anzutreffen, wenn es etwa um Feminismus, Emanzipation oder Selbstverwirklichung geht, hieß es in der Predigt. Aber die Hemmschwelle und die Messlatte lägen höher. Erotische Verhaltensweisen in der Öffentlichkeit würden zu einem Identitätsverlust führen, ein freizügiger Kleidungsstil wäre eine Provokation.
In Europa werde Indien als eines der frauenfeindlichsten Länder der Welt dargestellt. Vielfach gebe es da nichts zu beschönigen, räumte der Prediger ein. Aber Indien sei ein Land der zwei Geschwindigkeiten. Es gebe in den Städten durchaus erfolgreiche, selbstbewusste Frauen. Der Wandel sei unaufhaltsam, dauere aber lange.
Seine vier Schwestern, erzählte der Geistliche, hätten studiert, ihre beiden Brüder seien nie privilegiert gewesen. Und das, obwohl sie alle in einer bäuerlichen Familie groß geworden seien. Aber: Schon die Eltern hätten eine Schulbildung genossen.
Es gebe Horrorgeschichten, gestand er nochmals ein, aber Medien konzentrierten sich allzu gerne auf Negatives. Es gebe nämlich auch ermutigende Initiativen gegen die Missstände.
Der Predigt schloss sich eine intensive Diskussion an, die sich jedoch nicht nur auf das Thema des unterschiedlichen Geschlechterverständnisses und der Moralvorstellungen konzentrierte, sondern auch allgemeine Fragen zu Indien einbezog. Die endet am kommenden Sonntag. Um 17 Uhr spricht in der Augustinuskirche Pastoralreferent Wolfgang Fimpel über Bindungsvorbehalt in Zeiten des Internets: „Drum prüfe, wer sich ewig bindet“.