Kritik eines Waldseer Pädagogen an Spielzeugwaffe löst landesweites Medienecho aus
Discounterwerbung „Alles, was Spaß macht“ruft katholischen Frauenbund und Pax Christi auf den Plan – Mehrheit der SZ-Leser hält Vorwürfe für überzogen
BAD WALDSEE - Die Kritik des Pädagogen Walter Ritter aus Bad Waldsee (Kreis Ravensburg) an einer AldiWerbung für die Spielzeugwaffe „Nerf N-Strike Elite Disruptor“hat landesweites Medienecho ausgelöst. Nachdem die „Schwäbische Zeitung“darüber berichtet hatte, gab der 67-Jährige auch Radiointerviews zum Thema. In Leserbeiträgen und sozialen Netzwerken lieferten sich Gegner und Befürworter von Spielzeugpistolen daraufhin heftige Wortgefechte. Auch der katholische Frauenbund und Pax Christi haben inzwischen Stellung dazu bezogen und verurteilen diesen Werbecoup kurz vor Ostern.
Eigentlich hat der Familienvater nichts gegen „Käpseles“- und Wasserspritzpistolen einzuwenden. „Wenn aber in einem Hochglanzprospekt unter dem Slogan ,Alles, was Spaß macht’ für eine Spielzeugwaffe mit ,Schnellfeuer-Action, 6 Dart Rotationstrommel’ und einer Schussweite von bis zu 27 Metern geworben wird, dann ist für mich die Grenze dessen überschritten, was ich in Zeiten von Kriegen und Amokläufen an Schulen für vertretbar halte“, begründet der Vorsitzende des Kinderschutzbundes Bad Waldsee, warum er öffentlich gegen den Discounter zu Felde gezogen ist.
„Die fürchterliche Tat eines 17Jährigen an der Realschule in Winnenden mit 15 Toten und elf Verletzten liegt fast genau neun Jahre zurück. Und seitdem fragen sich Eltern, Pädagogen und Politiker, wie man so etwas verhindern kann, das Umfeld sensibilisieren und die Nutzung von Schusswaffen in Ballerspielen einschränken kann“, sagte Ritter gegenüber der SZ.
Vor diesem Hintergrund sei das für die Altersgruppe ab acht Jahren angepriesene Produkt „kontraproduktiv, weil es Kinder zum Umgang mit (Spielzeug)Waffen animiert“, fürchtet Ritter. Er war einst Rektor am Waldseer Gymnasium und leitete danach eine deutsche Schule in der ägyptischen Hauptstadt Kairo. Dort musste er 2011 die gewalttätigen Ausschreitungen auf dem Tahrirplatz mit ansehen. „Aber ich war schon davor Pazifist und werde mich im Namen des Kinderschutzbundes immer zu Wort melden, wenn ich sehe, dass Gewalt verharmlost wird und wenn echten Waffen täuschend echt nachempfundene Spielzeugwaffen so aggressiv beworben werden.“Er rief zum Boykott der Ware auf und hofft, dass Aldi derartige Produkte aus dem Sortiment nimmt.
„Geschmackloser Scherz“
Schützenhilfe bekommt Ritter vom katholischen Frauenbund und von Pax Christi. In einer gemeinsamen Presseerklärung kritisieren die Verbände dieses Angebot „in Zeiten, in denen weltweit aufgerüstet wird, Deutschlands Rüstungsexporte auf hohem Niveau sind und uns die Bilder von Amokläufen an amerikanischen Schulen auch die fürchterlichen Ereignisse von Winnenden in Erinnerung rufen“. Geschäftsführerin Mechthild Driessen vermutet hinter dem vorösterlichen Spielwarenangebot einen „äußerst geschmacklosen Scherz“und ruft mit dem Pax-C0hristi-Geschäftsführer in der Diözese Rottenburg-Stuttgart ebenfalls zum Boykott auf. „Mit dem Verkauf solcher Imitate von Waffen wird das Ziel, Kindern und Jugendlichen die Fähigkeiten eines friedlichen, konstruktiven Umgangs mit Konflikten zu vermitteln, untergraben“, weiß Richard Bösch.
Die Unternehmensgruppe Aldi Süd mit Sitz in Mülheim an der Ruhr reagiert auf die Vorwürfe gelassen und betont, dass ihre Werbung „immer sensibel und verantwortungsbewusst“gestaltet werde. „Wir bedauern es aber sehr, dass uns dies aus Sicht des Kinderschutzbundes Bad Waldsee nicht gelungen ist und geben diesen Einwand gerne zur Prüfung an die zuständige Abteilung in unserem Unternehmen weiter“, unterstreicht Tobias Neuhaus von der Pressestelle. Gleichzeitig ließ der Aldi-Sprecher wissen, „dass diese Spielzeugpistole, die wir als Aktionsartikel vorübergehend im Sortiment führen, ein gängiges, beliebtes Modell in vielen Spielzeuggeschäften ist. Bei der Produktionsweise und der altersgemäßen Einstufung halten wir uns an die gesetzlichen und sicherheitstechnischen Vorgaben“, heißt es abschließend dazu.
Leser nehmen es locker
Eine deutliche Mehrheit der Leser unserer Zeitung hält die Kritik an Aldi für überzogen. Dies ergab eine Online-Abstimmung der „Schwäbischen Zeitung“, an der fast 1000 User teilnahmen. Einige Eltern argumentierten in Zuschriften sogar damit, dass die genannte Spielzeugwaffe Kinder immerhin zum Herumtollen im Freien animiere und sie ihren Computer damit gegen sportliche Betätigung eintauschen.