Strenger Bach und funkelnder Chopin
Die japanische Pianistin Rinko Hama arbeitet faszinierende Kontrastwirkung heraus
AALEN - Selten trat bei einem Konzert der Kontrast so deutlich hervor wie bei der Gegenüberstellung von Werken Johann Sebastian Bachs und Frédéric Chopins. Überzeugend herausgearbeitet hat die Kontrastwirkung die japanische Pianistin Rinko Hama in der Villa Stützel.
Auf dem Programm standen zunächst sechs Präludien aus dem „Wohltemporierten Klavier“von Bach. Der Armenier Ruben Meliksetian, Dozent an der Musikhochschule Karlsruhe, Klavierlehrer in Ellwangen und Gatte der Pianistin, charakterisierte die Präludien als Übungsstücke, die Bach für seine Schüler geschrieben hat. Gleichzeitig schuf er mit diesen komplizierten polyphonen Sätzen, wie es sie vorher noch nicht gab, Musikgeschichte.
Davon profitierte knapp 100 Jahre später Frédéric Chopin. Er benutzte das gleiche Schema, den Wechsel von Dur- und Moll-Stücken in aufsteigender Linie von C-Dur an. Stürmisch und temperamentvoll wie er war, verließ er allerdings das enge Schema und gab sich, romantisch geprägt, freier Gestaltung hin. So entstand ein faszinierender Kontrast zwischen Bachs strenger Struktur und den funkelnden Klangkaskaden Chopins.
Virtuose Spielsicherheit
Rinko Hama, Starpianistin vieler internationaler Festivals, machte diesen Kontrast mit allen Sinnen spürbar. Zusätzlich zu ihrer virtuosen Spielsicherheit setzte sie deutlich wahrnehmbar ihre Körpersprache ein. Bachs endlose Läufe akzentuierte sie mit den feinen Bewegungen ihres Oberkörpers und verlieh ihnen damit sichtbaren Impetus. Weil sie alles auswendig spielte, konnte sie ihre Augen in die Ferne schweifen lassen. Mit den Fingern der Hand, die gerade nicht in die Tasten griff, formte sie auf Höhepunkte der Musik hindeutende Zeichen in die Luft. Ihr Gesicht blieb jedoch nahezu unbeweglich.
Ganz anders bei Chopins zwölf rasanten Etüden. Rinko Hamas Mimik blitzte auf bei den dramatischen Gefühlsausbrüchen des Romantikers. Ein Lächeln huschte über ihre Züge bei den heiteren Passagen der vielen Allegro- und Vivace-Sätzen. Die Melancholik im Lento war genauso ablesbar wie die Wut im markanten Presto. Die gewaltige körperliche Anstrengung trat deutlich zu Tage bei den letzten drei Etüden von h-Moll bis c-Moll. Festliche Melodik ging blitzartig über in dröhnende Wasserfälle. Wuchtig hämmerte die zierliche Japanerin mit der linken Hand die Akkorde in die Tastatur, während die rechte die chromatischen Läufe rauf und runter jagte.
Die leichte Verstimmung des Fabienne-Savone-Flügels war bei diesem temporeichen Spiel so gut wie nicht hörbar. Das Publikum war hell begeistert und wurde mit einem kleinen zauberhaften Mozart- Juwel als Zugabe belohnt. Dem Arzt-Ehepaar als Eigner der Villa Stützel und dem unterstützenden Kammermusik-Forum Baden-Württemberg gebührt großer Dank für die Vermittlung solcher Musiker von Weltklasse.
Weitere Termine des Kammermusikforums Baden-Württemberg:
14. Juli, Schloss Fachsenfeld: „Young Talents“, Xenia Böcke und Michael Wendeberg; 22. September, Schloss Fachsenfeld: „Kammermusik-Soirée“; 27. Oktober, Zeiss-Forum Oberkochen: „Ungeklärte Verhältnisse“, Württembergischer Kammerchor. Infos: www.kmfbw.de