Kampf um G 9 geht in die nächste Runde
Initiative startet landesweite Online-Petition für Rückkehr zum flächendeckenden neunjährigen Gymnasium
WANGEN - Der Kampf für eine Rückkehr zum flächendeckenden neunjährigen Gymnasiums geht weiter. Am 25. März hat die Initiative „G 9 jetzt! BW“eine neue, landesweite Online-Petition gestartet und will so den Druck auf die Politik erhöhen. Mitbegründerin Corinna Fellner aus Amtzell (Kreis Ravensburg) fordert generell: „Wir müssen auch Gymnasialkindern mehr Zeit geben Kind zu sein und dürfen nicht den Tag durchtakten wie bei Managern.“Stand Dienstag, haben 4324 Unterstützer die Petition digital unterzeichnet.
Mehrere Bundesländer haben mittlerweile wieder auf ein neunjähriges Gymnasium umgestellt, zuletzt Bayern, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen. In BadenWürttemberg gibt es 44 G-9-Modellschulen, in vielen von ihnen wird ein G-8-Zug schon nicht mehr angeboten – wegen mangelnder Nachfrage. Für Corinna Fellner ist auch dies ein Zeichen dafür, dass die Mehrzahl der Eltern den neunjährigen Weg zur Hochschulreife vorzieht. Denn: „Bei der Einführung von G 8 gab es keinerlei pädagogischen Nutzen.“
Manche Themen würden wegen des straffen und gekürzten Lehrplans entweder gar nicht, nur unzureichend oder in einem falschen Alter
unterrichtet. Viele Abiturienten seien dann gar nicht „studienreif“, nähmen zunächst einmal eine Auszeit oder legten ein Vorsemester an der Uni ein. Zudem würden bis zu 38 Wochenstunden und dreimal Nachmittagsunterricht bei Mittelstufenschülern mitten in der Pubertät nur wenig Raum für andere Dinge lassen. „Mit einem neunjährigen Gymnasium hätten die Kinder mehr Zeit fürs Lernen, Wiederholen und fürs Reifen – vor allem fürs außerschulische Reifen“, sagt Fellner.
Viel Zeit für Sport ist nicht drin
Die Amtzellerin spricht aus eigener Erfahrung, ihre Tochter besucht die siebte Klasse eines Gymnasiums. „Sie kommt mit dem Stoff zwar zurecht, die Noten passen soweit, aber sie hat mit Musik aufgehört, um ihre Freizeit nicht noch mehr zu beschneiden“, sagt die 47-jährige Mutter. Zwei- bis dreimal Sport in der Woche sei nicht vorstellbar: „Vor allem nicht als Kind, das mit dem Bus zur Schule fahren muss.“
Für Fellner sind auch neunjährige „Umwege“über die Realschule und anschließend zum Beispiel berufsbildende Gymnasien keine wirkliche Alternative: „Viele Kinder mit einer Gymnasialempfehlung sind in der Realschule unterfordert.“Auf der anderen Seite bleibe für die Schüler, die sich mit dem G 8 schwer tun, die
Tür für einen Wechsel auf ein berufliches Gymnasium zu einem späteren Zeitpunkt meist verschlossen.
Genug Gründe für Corinna Fellner und ihre Mitstreiterin bei „G 9 jetzt! BW“, Anja Plesch-Krubner aus Heidelberg, den Kampf für eine Rückkehr zum flächendeckenden neunjährigen Gymnasium zu forcieren. Die landesweite Online-Petition auf der Plattform „openPetition“ist vor wenigen Tagen gestartet. Mindestens 21 000 Unterstützer müssen hier unterzeichnen, um Wirkung zu erzielen. „Wir hoffen natürlich auf wesentlich mehr Stimmen und dass sich dann auch die Politik damit beschäftigt.“
Einen offenen Brief an Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) hat sie ebenfalls kürzlich verschickt. „Eine Beantwortung wird zeitnah erfolgen“, sagt ein Ministeriumssprecher und erklärt, dass es einen solchen Briefwechsel bereits im vergangenen Jahr gegeben habe. An Eisenmanns Linie ändere sich aber nichts. Die grün-schwarze Regierung und beide Fraktionen haben sich darauf verständigt, an dem Modellversuch mit 44 G-9-Gymnasien festzuhalten. Der Versuch wurde jüngst um fünf Jahre verlängert. Der Ministeriumssprecher wehrt sich gegen Fellners Vorwurf, dass Schulen „aus Kapazitätsgründen“den Versuch beendet hätten, wie sie in ihrem Brief schreibt. „Eine Schule hat nach Entscheidung der Schulgemeinschaft den Modellversuch von sich aus beendet und kehrt nun aus pädagogischen Gründen zu G 8 zurück“, betont der Sprecher mit Verweis auf das entsprechende Gymnasium in Mannheim.
Corinna Fellner will aber nicht aufgeben. Die Initiative „G 9 jetzt! BW“sei auf Facebook aktiv und biete auf ihrer Homepage eine Mailaktion, mit der man vorformulierte Schreiben ans Ministerium schicken kann: „Steter Tropfen höhlt den Stein.“