Schlimme Finger
Es gibt Angewohnheiten, die stellen die Nerven der meisten Menschen auf größere Belastungsproben als Horrorfilme. Während der Arbeit zu summen, kann in einem Großraumbüro binnen weniger Minuten die Stimmung kippen lassen. Noch dramatischer wird es bei Menschen, die bei anstrengenden Gesprächen aus unerfindlichen Gründen dazu neigen, ihre Fingerknöchel knacken zu lassen. Das entstehende Geräusch ist ähnlich fürchterlich wie das Quietschen von Messers Schneide auf einem knochentrockenen Porzellanteller.
Die Hoffnung, dass das nutzlose Knacken irgendwann im Laufe der Evolution verschwinden wird, ist kein Trost. Darauf zu setzen, dass das eigene Gehör in ferner Zukunft schwächelt, erst recht nicht. Somit tröstet sich der gepeinigte Mensch mit den neuesten Erkenntnissen der Wissenschaft zu den schlimmen Fingern. Denn es sind wider Erwarten nicht die Gelenkknochen, die klicksen. Mittels einer komplizierten mathematischen Analyse bestätigten Forscher der Stanford University in den USA und der französischen École Polytechnique in Palaiseaunun nun die Theorie, dass kleine Gasbläschen in der sogenannten Synovia-Flüssigkeit zwischen den Knochen das Geräusch verursachen. Beim Auseinanderziehen entsteht ein Unterdruck, es perlen Bläschen aus – wie beim Aufschrauben einer Flasche Sprudelwasser. Springen die Flächen der Gelenke dann auseinander, erhöht sich der Druck. Danach verkleinern sich die Gasbläschen rasant, was erneut zu Druckschwankungen führt. Exakt dies sei hörbar – schlimmstenfalls mit 83 Dezibel. Bei allem Fleiß der Forscher, die Erkenntnisse sind natürlich wertlos. Eine Lautstärkenmessung hätte genügt: 83 Dezibel! Irre! Ein Telefon liegt bei 80, ein Presslufthammer auch. Also, liebe Fingerknacker, lassen Sie es gut sein! Aber – bitte, bitte – nicht stattdessen summen! (jos)