Trump rudert in Sachen Syrien zurück
US-Präsident hält sich Vorgehen offen – Merkel schließt deutsche Beteiligung an Militärschlag aus
PARIS/WASHINGTON/BERLIN (dpa/ sz) - Die Situation in Sachen Syrien ist weiter verfahren. US-Präsident Donald Trump ruderte zunächst zurück, gibt sich aber weiter rätselhaft. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ist sich sicher, den Beweis für den Einsatz von Chemiewaffen durch die syrische Regierung zu haben. Und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat einer deutschen Beteiligung an einem möglichen Militärschlag – vor dem Russland erneut warnte – eine klare Absage erteilt. „Deutschland wird sich an eventuellen (...) militärischen Aktionen nicht beteiligen“, sagte Merkel am Donnerstag in Berlin. Sie kündigte aber Unterstützung für etwaige Maßnahmen der USA, Großbritanniens und Frankreichs an.
Zuvor hatte Macron, dessen Regierung sich mit Trumps Administration eng abstimmt, in einem Interview des Senders TF1 erklärt: „Wir haben den Beweis, dass (…) Chemiewaffen verwendet wurden, zumindest Chlor, und dass sie vom Regime von Baschar al-Assad verwendet wurden.“Einen Zeitpunkt für eine Entscheidung über einen Militärschlag gegen das syrische Militär nannte er nicht. Auch US-Präsident Donald Trump schrieb auf Twitter, er habe niemals einen Zeitpunkt genannt: „Es könnte sehr bald sein oder überhaupt nicht so bald.“Er bezeichnete eine Intervention in Syrien nur noch als „eine Option“. Später erklärte er aber: „Wir müssen einige weitergehende Entscheidungen treffen. Sie werden ziemlich bald fallen.“Am Mittwoch hatte der US-Präsident geschrieben: „Russland hat geschworen, alle Raketen abzuschießen, die auf Syrien abgefeuert werden. Mach’ dich bereit, Russland, denn sie werden kommen (…).“
Das russische Außenministerium rief derweil in Moskau zur Besonnenheit auf. „Wir wollen keine Eskalation“, sagte Sprecherin Maria Sacharowa am Nachmittag. Sie bezeichnete die Vorwürfe des Westens gegen Syriens Regierung als falsch.
Nach einem Giftgasangriff auf die von Rebellen kontrollierte Stadt Duma in Ost-Ghuta waren am Samstag mindestens 42 Menschen gestorben. Die Organisation für ein Verbot von Chemiewaffen (OPCW) will nun ein zehnköpfiges Expertenteam für eine Untersuchung nach Duma schicken.
WASHINGTON - Hinter verschlossenen Türen hat der UN-Sicherheitsrat um einen Ausweg aus der Syrienkrise gerungen. „Es ist dringend erforderlich, die Gefahr eines Krieges abzuwehren“, sagte Russlands UN-Botschafter Wassili Nebensja nach dem Treffen in New York. Die USA zimmern in der Syrien-Krise offenbar an einem Bündnis mit den westlichen Alliierten, zumindest mit Großbritannien und Frankreich, dessen Präsident Emmanuel Macron von Beweisen für eine Chlorgasattacke syrischer Regierungstruppen spricht.
UN-Generalsekretär António Guterres hatte die Mitglieder des UNSicherheitsrates angesichts der Spannungen nach dem mutmaßlichen Einsatz von Giftgas in Syrien zuvor davor gewarnt, die Lage außer Kontrolle geraten zu lassen. Die syrischen Truppen vertrieben unterdessen die letzten Rebellen aus ihrer Hochburg Ost-Ghuta vor den Toren von Damaskus.
„Wir müssen nun einige weiter gehende Entscheidungen treffen. Sie werden ziemlich bald fallen“, sagte US-Präsident Donald Trump am Donnerstag. Seine Angriffsdrohung schwächte er ab. Ein Raketenangriff als Vergeltung für den mutmaßlichen Giftgasangriff auf die Stadt Duma könne „sehr bald oder überhaupt nicht so bald“erfolgen, erklärte Trump. Er habe nie gesagt, wann es zu einem Angriff kommen würde, schrieb er am Donnerstagmorgen. Am Vortag hatte der US-Präsident einen Raketenschlag gegen Syrien angekündigt und zugleich Baschar al-Assads Schutzpatron Russland gedroht.
Der US-Präsident will sich von seinen Vorgängern im Weißen Haus absetzen. Sollte er eine Militäraktion anordnen, werde er das nicht telegrafieren, hatte er immer wieder erklärt. Etwa im August 2013, als Barack Obama nach einem Chemiewaffenangriff in der Nähe von Damaskus eine Raketenattacke ankündigte, um sie später wieder abzublasen.
Mattis leistet Überzeugungsarbeit
Im Laufe von knapp zwei Wochen hat Trump nun eine Wende nach der anderen vollzogen. Es begann mit einer Kundgebung in Ohio, auf der er den raschen Abzug des eher symbolischen US-Kontingents aus Nordsyrien in Aussicht stellte, weil nun „andere Leute“gefragt seien. Ursprünglich, berichtet die „Washington Post“, wollte er die Soldaten binnen zwei Tagen nach Hause beordern. Sein Verteidigungsminister James Mattis soll ihn schließlich davon überzeugt haben, dass man noch ungefähr sechs Monate brauche, um die Fanatiker des „Islamischen Staats“endgültig in die Knie zu zwingen. Dem offenbar spontan beschlossenen Rückzugsplan folgte, nach dem mutmaßlichen Giftgaseinsatz in Duma, die Ankündigung eines Militärschlags innerhalb von 24, höchstens 48 Stunden. Und als die Frist verstrichen war, gab es die Drohung an Russland. Wladimir Putin, von Trump lange nur mit Samthandschuhen angefasst, war nun der Antipode. Dann wieder relativierte Trump.
Hat Trump eine Strafaktion mit Marschflugkörpern im Auge? Oder setzt er auch Flugzeuge ein? Geht es ihm allein um eine Demonstration militärischer Stärke? Oder ist er nun doch bereit, auf längere Sicht in dem Bürgerkriegsland Flagge zu zeigen? Als er vor einem Jahr 59 Cruise Missiles auf eine syrische Luftwaffenbasis abfeuern ließ, handelte er im burschikosen Alleingang. Diesmal zimmert er an einem Bündnis. Dass Washington Partner ins Boot holen will, lässt die Handschrift politisch erwachsener Ratgeber, allen voran die von Verteidigungsminister James Mattis, erkennen.
Die britische Premierministerin Theresa May setzte wegen des mutmaßlichen Chemiewaffenangriffs in Duma eine Sondersitzung ihres Kabinetts an. Der Angriff in Duma könne „nicht ohne Konsequenzen und ohne eine Reaktion bleiben“, sagte der britische Außenminister Boris Johnson laut einem Mitschnitt des Auswärtigen Amtes bei einem Treffen am Donnerstag mit Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD).