Hoch und immer höher
Der oberschwäbische Mischkonzern Liebherr erwirtschaftet höchsten Umsatz seiner Geschichte
RAVENSBURG/BULLE - Er trägt die Nummer 295 000, soll in Zukunft auf dem Wasser unterwegs sein, um dort Windanlagen aufzubauen – und wird der größte jemals von Liebherr gebaute Kran sein: der Heavy-Lift-Offshore-Kran HCL. Er kann Lasten von bis zu 5000 Tonnen bei einer Ausladung von 35 Meter mehr als 170 Meter hoch heben. „Um ihn zu produzieren und verladen zu können, erweitern wir den Standort Rostock“, sagt Isolde Liebherr stolz. Gemeinsam mit ihrem Bruder Willi führt die 68-Jährige das Unternehmen, das ihr Vater Hans Liebherr 1949 im bayerischen Kirchdorf an der Iller gegründet und das sich seitdem zu einem weltweit tätigen Konzern entwickelt hat, der vor allem Bagger und Krane herstellt.
Stolz ist die Tochter des Firmengründers aber nicht nur auf den Liebherr’schen Beitrag zur Energiewende, sondern vor allem auch auf die Zahlen, die sie am Donnerstag vorgelegt hat: In den vergangenen zwölf Monaten hat Liebherr den höchsten Umsatz in der Unternehmensgeschichte geschrieben. Die Erlöse stiegen 2017 um 9,3 Prozent auf 9,845 Milliarden Euro. „In dem Jahr haben wir von der günstigen Konjunktur in den verschiedenen Branchen profitiert, so dass sich ein Großteil unserer Sparten sehr positiv entwickeln konnte“, sagte Willi Liebherr, der mit seiner Schwester den Verwaltungsrat des Familienunternehmens führt, das seinen Sitz in den 1970er-Jahren aus steuerlichen Gründen ins schweizerische Bulle im Kanton Freiburg verlegt hat.
Auch der Gewinn des Unternehmens entwickelte sich positiv. Operativ stieg er um 200 Millionen Euro oder 49 Prozent auf 609 Millionen Euro. Unterm Strich verdiente Liebherr 331 Millionen Euro – 11,1 Prozent oder 33 Millionen Euro mehr als im Jahr zuvor. Die Umsatzrendite liegt damit bei 3,36 Prozent – das ist weit besser als Liebherrs wichtigster Rivale auf den Weltmärkten, der amerikanische Baumaschinenhersteller Caterpillar, der zuletzt nur auf eine Umsatzrendite von 1,65 Prozent kam. Und die Geschäfte des Konzerns laufen auch 2018 gut, wie Isolde Liebherr erläutert. „Wir streben weiter nach einem stabilen Wachstum und rechnen 2018 mit einer moderaten Umsatzsteigerung.“
Der Gewinn werde nach Angaben von Willi Liebherr nahezu vollständig wieder in das Unternehmen reinvestiert. Schwerpunkte von Investitionen waren nach Unternehmensangaben zuletzt die Fertigungsstätten, das Vertriebs- und Servicenetz sowie die Mietflotte. Neue Standorte gründete Liebherr unter anderem im südfranzösischen Rognac, in der Region Kuzbass in Russland und im indischen Aurangabad. Dort baut Liebherr Haushaltsgeräte. „Diese Sparte entwickelt sich weiter positiv“, sagt Isolde Liebherr. „Unser Fokus liegt aktuell auf der Erschließung des indischen Marktes.“
Das Stammgeschäft boomt
Vor allem aber boomte das Liebherr’sche Stammgeschäft: Die Produktion von Baumaschinen und Minenfahrzeugen. In dem Bereich stiegen die Umsätze um 14,5 Prozent auf 6,182 Milliarden Euro. Bedeutendster Bereich des Konzerns ist die Sparte Erdbewegung mit dem Bau von Baggern und Planierraupen, die auf einen Umsatzanteil von insgesamt 25 Prozent kommt. Es folgen die Sparten Fahrzeugkrane (21 Prozent), Verkehrsund Lufttechnik (14 Prozent), Haushaltsgeräte mit vor allem Gefriertruhen und Kühlschränken (neun Prozent), Minenfahrzeuge (sieben Prozent), Turmdrehkrane (fünf Prozent), Werkzeugmaschinen und Automationssysteme sowie Betontechnik mit jeweils einem Umsatzanteil von zwei Prozent.
Die bedeutendste Absatzregion für Liebherr bleibt nach Unternehmensangaben Westeuropa mit den Wachstumsmärkten Deutschland und Frankreich. Sehr erfreulich habe sich auch der Absatz in Russland sowie in Australien und Nordamerika entwickelt. Umsatzrückgänge verzeichnete das Unternehmen im Nahen und Mittleren Osten sowie in Afrika. „Wichtige Zukunftsmärkte sind für uns Kanada sowie Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika“, sagt Willi Liebherr.
Weltweit beschäftigt das Unternehmen rund 44 000 Mitarbeiter, davon 16 700 in der Region Oberschwaben-Bodensee-Allgäu. Weltweit sind das rund 1560 Jobs mehr als im Jahr zuvor. In Süddeutschland schaffte Liebherr 400 Arbeitsplätze – trotz immer größer werdender Schwierigkeiten, genügend qualifizierte Mitarbeiter zu finden. „Der entscheidende Faktor, den wir dem Fachkräftemangel entgegenhalten, ist die eigene betriebliche Ausbildung“, sagt Willi Liebherr. „Wenn wir nicht selber ausbilden würden, hätten wir ein großes Nachwuchsproblem.“Und keine Leute, um Krane zu bauen, die 5000 Tonnen heben können.