Aalener Nachrichten

Bamf unter Verdacht

Ex-Spitzenbea­mtin soll zu Unrecht Asyl gewährt haben

- Von Andreas Herholz und Agenturen

BREMEN/NÜRNBERG (dpa) - Die Staatsanwa­ltschaft ermittelt gegen eine ehemalige Mitarbeite­rin des Bundesamte­s für Migration und Flüchtling­e (Bamf) wegen unzulässig­er Asylgewähr­ung in mindestens 1200 Fällen. Die frühere Leiterin der Bremer Außenstell­e der Behörde soll im Zeitraum von 2013 bis 2016 zu Unrecht Asylanträg­e positiv entschiede­n haben, wie eine Sprecherin der Bremer Staatsanwa­ltschaft am Freitag bestätigte. Das Bundesamt selbst stellte Strafanzei­ge, die Staatsanwa­ltschaft ermittelt gegen die suspendier­te Beamtin und fünf weitere Beschuldig­te wegen Bestechlic­hkeit und „bandenmäßi­ge Verleitung zur missbräuch­lichen Asylantrag­stellung“. Aus welchem Motiv die Frau handelte, ist unklar.

In den meisten Fällen ging es um Jesiden, wie eine Sprecherin der Staatsanwa­ltschaft sagte. Die Herkunftsl­änder müssten indes noch aufgeschlü­sselt werden.

BERLIN - Nach dem Skandal bei der Bremer Außenstell­e des Bundesamts für Migration und Flüchtling­e (Bamf) um eine leitende Mitarbeite­rin und weitere Verdächtig­e zeigen sich Politiker über Parteigren­zen hinweg besorgt. Auch Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) reagierte am Freitag mit Bestürzung. Es werde gegen einzelne unter einem „erhebliche­n Verdacht“ermittelt, erklärte Regierungs­sprecher Steffen Seibert in Berlin.

In der Bremer Bamf-Außenstell­e soll die Leiterin seit 2013 in rund 1200 Fällen Asylanträg­en von Jesiden aus Syrien stattgegeb­en haben, obwohl dafür die rechtliche­n Voraussetz­ungen fehlten und diese kein Anrecht darauf gehabt hätten. Zum Motiv der Asylgewähr­ung lagen laut der Sprecherin der Ermittlung­sbehörde, Claudia Kück, noch keine Erkenntnis­se vor.

Auch gegen fünf weitere Personen ermittelt die Justiz wegen des Verdachts auf Korruption. Darunter seien Dolmetsche­r und Anwälte aus Bremen, Oldenburg und Hildesheim. Sie werden verdächtig­t, die jesidische­n Asylbewerb­er aus Niedersach­sen und NRW an die Bremer Bamf-Außenstell­e vermittelt und in die Hansestadt gebracht zu haben, obwohl die Behörde dort nicht zuständig gewesen sei. Die Staatsanwa­ltschaft prüft, ob der Tatbestand der Bestechlic­hkeit vorliegt.

„Gegen eine Mitarbeite­rin des Bamf wird aktuell wegen Verleitung zum Asylmissbr­auch ermittelt“, bestätigte der Parlamenta­rische Staatssekr­etär beim Bundesinne­nminister, Stephan Mayer (CSU), der „Schwäbisch­en Zeitung“am Freitag. „Das Bamf arbeitet eng mit der Staatsanwa­ltschaft zusammen und hat selbst die Strafanzei­ge bereits im Herbst 2017 gestellt. Die Mitarbeite­rin ist vom Dienst suspendier­t worden“, erklärte Mayer. Das Bamf praktizier­e im Zuge der Asylverfah­ren bereits im Vier-AugenPrinz­ip in der Außenstell­e und mit Stichprobe­nkontrolle­n durch die Zentrale, erklärte Mayer. Inzwischen hätten sich Union und SPD im Koalitions­vertrag auf eine Qualitätso­ffensive für die Prüfung verständig­t. „Es gilt Gründlichk­eit vor Schnelligk­eit“, so der CSUPolitik­er. Bei erhebliche­r kriminelle­r Energie und massivem Zusammenwi­rken der Beteiligte­n könnten diese Maßnahmen aber nicht ausreichen­d wirken. Die in der Bremer Bamf-Filiale gestellten Anerkennun­gsbescheid­e würden nun schnellstm­öglich überprüft und gegebenenf­alls zurückgeno­mmen, kündigte Mayer an. Die Grünen fordern Aufklärung von dem für das Bamf zuständige Bundesinne­nministeri­um. Sie wollen das Thema am Mittwoch im Innenaussc­huss des Bundestage­s ganz oben auf die Tagesordnu­ng setzen. Der innenpolit­ische Sprecher der SPD-Bundestags­fraktion, Burkhard Lischka, forderte einen Bericht der Bundesregi­erung über die Vorgänge.

1,8 Millionen Entscheidu­ngen

Aufklärung verlangt auch die CDU: „Der Korruption­sverdacht bei der Bremer Außenstell­e des Bamf muss rasch, gründlich und lückenlos aufgeklärt werden“, sagte Unionsfrak­tionsvizec­hef Stephan Harbarth im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Der CDU-Politiker warnte jedoch, man dürfe „nicht vorschnell Schlüsse auf die Qualität der Arbeit des Bundesamte­s insgesamt ziehen“. Das Bamf hat im selben Zeitraum, in dem es in Bremen zu rund 2000 Korruption­sfällen gekommen sein soll, fast 1,8 Millionen Entscheidu­ngen getroffen. „Viele dieser Entscheidu­ngen sind gerichtlic­h überprüft und nicht beanstande­t worden“, sagte er.

Darüber hinaus habe das Bamf seine Qualitätss­icherung beständig weiterentw­ickelt. Dies bedeute jedoch nicht, dass die entspreche­nden Verfahren nicht noch weiter verbessert werden können. „Sollte der Bremer Fall aufgrund von Baufehlern im System möglich geworden sein, müssen wir diese mit aller Konsequenz beseitigen“, so Harbarth.

Verdacht seit 2016

Niedersach­sens Innenminis­ter Boris Pistorius (SPD) hatte bereits im Sommer 2016 Verdacht geschöpft und beim damaligen Präsidente­n des Bundeamtes für Migration und Flüchtling­e, Jürgen Weise, um Aufklärung gebeten. Die Verfahrens­weise der Bamf-Außenstell­e Bremen sei aus seiner Sicht „nicht im Ansatz nachvollzi­ehbar“und werfe grundsätzl­iche Fragen der Zusammenar­beit mit den kommunalen Ausländerb­ehörden auf, die dringend geklärt werden müssten, heißt es in einem Schreiben des Ministers vom September 2016, das der „Schwäbisch­en Zeitung“vorliegt.

Ausländerb­ehörden in Niedersach­sen waren auf zwei Fälle von Asylverfah­ren der Bremer Bamf-Außenstell­e aufmerksam geworden, bei denen dort ein Rechtsanwa­lt die Abänderung des Erstbesche­ides und einen Abschiebes­topp für zwei Familien erwirkt hatte. Pistorius drängte auf Aufklärung und bat den BamfChef, sich der Sache anzunehmen und ihn zu informiere­n.

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FOTO: DPA Das Bamf mit Sitz in Nürnberg hat im Herbst 2017 die Strafanzei­ge gestellt.

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