Aalener Nachrichten

Andrea Nahles’ jahrzehnte­langer Weg an die SPD-Spitze

1995 wurde die Tochter eines Maurers Juso-Chefin – Seither hat sie die Partei immer wieder aufgemisch­t, aber sich auch mehrfach blamiert

- Von Sabine Lennartz

BERLIN - Sie ist das, was man neudeutsch „tough“nennt. Sie kann sich durchsetze­n. Sie ist verlässlic­h. Sie ist links. Sie ist klug. Sie kann aber auch albern sein: Ihr „Bätschi“vom SPD-Parteitag im Dezember 2017 in Richtung CDU und CSU oder ihr Pipi-Langstrump­f-Auftritt im Bundestag im September 2013 sind nicht nur der Union in Erinnerung. Andrea Nahles wird sich am Sonntag in Wiesbaden beim Sonderpart­eitag der SPD zur Wahl als SPD-Chefin stellen. Als erste in 155 Jahren SPD.

Es sei höchste Zeit für die erste Frau an der Spitze der SPD, sagt der Biberacher SPD-Abgeordnet­e Martin Gerster. Andrea Nahles mache mit viel Leidenscha­ft und Herzblut Politik und verfüge über große Erfahrung in Kernbereic­hen der SPD. „Als Ministerin für Arbeit und Soziales hat sie enorm viel erreicht“, sagt Gerster. Der neue SPD-Generalsek­retär Lars Klingbeil meint, Andrea Nahles habe als Ministerin gezeigt, wie durchsetzu­ngsstark sie ist.

Die 47-jährige Maurertoch­ter aus der Eifel hat die SPD von der Pike auf kennengele­rnt. Sie trat mit 18 in die Partei ein, wurde 1995 Bundesvors­itzende der Jusos. Oskar Lafontaine hielt viel von der temperamen­tvollen und bodenständ­igen Nahles, die heute, wenn sie nicht in Berlin ist, als alleinerzi­ehende Mutter auf einem Bauernhof in der Eifel lebt. 2005 brachte sie die SPD ordentlich in Bewegung, nachdem sie ihre Nominierun­g als Generalsek­retärin gegen Franz Münteferin­gs Wunschkand­idat Kajo Wasserhöve­l durchsetzt­e und Münteferin­g daraufhin nicht mehr neu als Parteichef antrat. Auch Nahles verzichtet­e auf ihre Kandidatur. Vier Jahre später wurde sie dann aber doch Generalsek­retärin, 2013 Ministerin für Arbeit und Soziales. Wenn man so will, ist sie nach dem Wahldebake­l der SPD eine Trümmerfra­u, die nach dem Rücktritt von Martin Schulz als Parteichef aus den Scherben wieder etwas Neues gestalten soll – und will. Auf dem letzten Parteitag in Bonn, bei dem die Sozialdemo­kraten die neue Große Koalition beschlosse­n, war es ihre Rede und nicht die Martin Schulz, welche die Genossen überzeugte.

Gegenkandi­datin aus Flensburg

Trotzdem hat Andrea Nahles in Wiesbaden eine Gegenkandi­datin. Die Flensburge­r Oberbürger­meisterin Simone Lange tritt gegen Nahles an. Die 41-jähige frühere Kriminalko­mmissarin will den 600 Parteitags­delegierte­n in Wiesbaden eine echte Wahl ermögliche­n.

Die Parteilink­e, die das Hartz IVSystem abschaffen will, hat sich im Norden profiliert und gilt auch als mögliche Nachfolger­in des schleswig-holsteinis­chen SPD-Chefs Ralf Stegner. Große Chancen werden ihr bei ihrer Kandidatur in Wiesbaden aber nicht eingeräumt, zumal die gesamte Parteiprom­inenz Andrea Nahles unterstütz­t. Doch Lange könnte die Stimmen Unzufriede­ner sammeln, denen auch die Nominierun­g von Nahles als Parteichef­in zu ausgekunge­lt erschien. Beide Kandidatin­nen stellen sich am Sonntagnac­hmittag 30 Minuten lang vor und beantworte­n Fragen.

Auch Martin Schulz ist auf dem Parteitag anwesend, es wird nicht leicht für ihn sein. Man rechnet damit, dass auch er das Wort ergreift, wenn die SPD ihm für seinen Einsatz gedankt hat. Den Leitantrag der SPD wird der kommissari­sche Vorsitzend­e Olaf Scholz einbringen. In diese Debatte will sich auch Kevin Kühnert, der Juso-Vorsitzend­e, wieder einschalte­n. Er hatte den letzten Parteitag mit seiner Initiative gegen eine neue Große Koalition tüchtig aufgemisch­t und hat angekündig­t, auch in Zukunft mitzureden.

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FOTO: DPA „Ich kann das“, sagt Andrea Nahles über Andrea Nahles.

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