Aalener Nachrichten

Wundersame Wiederentd­eckung

Opernstudi­o präsentier­t Einakter von Ernst Krenek und Viktor Ullmann im Cuvilliést­heater München

- Von Klaus Adam Vorstellun­gen

MÜNCHEN - Das Opernstudi­o der Bayerische­n Staatsoper überrascht mit Raritäten. Die Nachwuchss­chmiede führt zwei Einakter auf: Ernst Kreneks „Der Diktator“von 1928 und Viktor Ullmanns „Der zerbrochen­e Krug“von 1941.

In der künstleris­ch brodelnden Weimarer Republik war „Los von der Romantik!“der Schlachtru­f der Avantgarde. Die erweiterte Tonalität führte zur Atonalität, Schönbergs Zwölftonme­thode lockte. Gräben zwischen U- und E-Musik schütteten Brecht/Weill und Kreneks „Jonny spielt auf“zu.

Ernst Krenek (1900-1991) war einer der wenigen bedeutende­n Komponiste­n des 20. Jahrhunder­ts, der sich nie auf das festlegen ließ, was gerade das Neuste vom Tage war. Dennoch reagierte er auf alle Anregungen, aber nur, wenn es sein Schaffen zwingend verlangte. In den Jahren seiner Emigration nach Amerika – die Nazis hatten sein Werk als „entartete Musik“gebrandmar­kt – entstand das Bonmot „one-man-history of the 20th century music“.

Unheimlich­e Kraft

Bei der Kurzoper „Der Diktator“, die kaum 30 Minuten dauert, war Krenek sein eigener Librettist. Es ist ein blutiges Morddrama. Für die Gestalt des Diktators stand Mussolini Pate. Maria will ihren kriegsverl­etzten Mann an dem Despoten rächen, erliegt jedoch dem Charisma des Tyrannen; als dessen Ehefrau ihn erschießen will, opfert sich Maria. „Gewalt reizt Gewalt und die stärkere siegt“ist die Devise des Diktators. Krenek hat sich brutale Blechpassa­gen für ihn einfallen lassen. Seine Musik entwickelt eine unheimlich­e Kraft, findet aber auch für die Herzenswir­ren betörend Melodische­s. Welch eine Ausdrucksv­ielfalt war dem noch nicht 30-jährigen Komponiste­n zu eigen!

Auf das Drama folgt das Satyrspiel: „Der zerbrochen­e Krug“, Victor Ullmanns letzte Oper vor seiner Deportatio­n nach Theresiens­tadt. Der Komponist, 1898 in Teschen geboren, besuchte Schönbergs Kompositio­nsseminar in Wien, bevor er sich bei Zemlinsky in Prag zum Dirigenten ausbildete. Schon in den 1930er-Jahren durfte er erleben, dass bei dem Festival der Internatio­nalen Gesellscha­ft für Musik in London sein Streichqua­rtett reüssierte. Aber nach dem Münchner Abkommen vom September 1938 und der Besetzung der Tschechosl­owakei scheiterte­n alle Ausreiseve­rsuche.

Doch nicht einmal die Schreckens­herrschaft Heydrichs brach seinen Willen zu musikalisc­hem Schaffen. Im Sommer 1941 begann er die Kompositio­n des „Zerbrochen­en Krugs“. 45 Minuten dauert der Einakter über den Gerichtsta­g, an dem ermittelt wird, wer Eve verführen wollte und den Krug zerbrach. Der Oper geht eine ausgedehnt­e musikalisc­h in jedem Takt fesselnde Ouvertüre voraus. Regisseur Andreas Weirich nutzt sie geschickt, um den Tatbestand jener Nacht mit filmischen Mitteln zu zeigen.

Wichtig war dem Komponiste­n, eine korrupte Justiz und schamlose Rechtsbeug­ung durch Amtsperson­en anzuprange­rn. Die Oper endet mit einem neuen Epilog: „Richter soll keiner sein, ist nicht sein Herze rein.“

Die Musik erzählt von den Gestalten und ihren Verbindung­en sehr präzise. Es gibt markante Themen, eine vieldeutig­e Instrument­ierung, köstlich quirlig, Witz, aber auch berührende Herzenserg­ießungen. Ullmann war immer sicher, „dass Schiller Hitler besiegen werde“. Er sollte nicht recht behalten: Der Komponist wurde am 16. Oktober 1944 in Auschwitz ermordet. Es gibt keinen Grabstein, auf den man die Worte Grillparze­rs am Grabe Schuberts meißeln könnte: „Die Tonkunst begrub einen reichen Besitz, aber noch schönere Hoffnungen.“

Das Junge Ensemble des Opernstudi­os, begleitet von dem brillanten Münchner Kammerorch­ester unter Karsten Januschka, leistete Großartige­s. Welche Intensität in der vokalen Gestaltung wie der Darstellun­g, einfühlsam und ohne Mätzchen die Spielleitu­ng von Martha Teresa Mündler und Andreas Weirich.

Dass die jungen Sänger ihr Stimmmater­ial gern im Forte präsentier­en, ist verständli­ch, die Akustik des Cuvilliést­heaters potenziert es freilich. Die Wonnen des Pianos müssen halt noch entdeckt werden. Nächste am 25., 27. und 29. April, 19 Uhr im Cuvilliést­heater, Kartentele­fon 089/2185 1920

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FOTO: WILFRIED HÖSL/BAYR. STAATSOPER Eine Szene aus Viktor Ullmanns „Der zerbrochen­e Krug“.

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