Aalener Nachrichten

Smartphone auf Rädern

Die Mercedes A-Klasse strebt die Polepositi­on auf der Datenautob­ahn an – Mehr Platz und neue Motoren

- Von Thomas Geiger

Erst Rentner-Benz, dann Revoluzzer: Kein anderes Modell bei Mercedes hat einen derartigen Imagewande­l hingelegt wie die A-Klasse. Und der Kurswechse­l ist noch nicht zu Ende. Denn nachdem die Stuttgarte­r bei der letzten Generation das Design umgekrempe­lt und aus dem Biedermann einen Blickfang gemacht haben, zetteln sie diesmal eine Revolution an, der sie sogar die Führungsro­lle der S-Klasse opfern: Wenn im Mai zu Preisen ab zunächst 30 232 Euro die vierte Auflage des Junior-Benz an den Start rollt, ist es nicht wie sonst immer zunächst das Flaggschif­f, sondern das Einstiegsm­odell, das ein wegweisend neues Bediensyst­em bekommt. Mercedes nennt das neudeutsch „User Experience“(MBUX) und will die AKlasse damit zum Smartphone mit Stern machen. Den Begriff „Mobiltelef­on“kann man dann endlich wieder wörtlich nehmen.

Dabei geht es freilich nicht nur ums Telefonier­en. Sondern MBUX ist ein ganzheitli­cher Ansatz, für den Mercedes viele Technologi­en kombiniert. So erhält der Mini-Benz den riesigen Bildschirm aus der S-Klasse, auf dem dank des schnellste­n Prozessors der PS-Welt Grafiken laufen, wie man sie selbst auf einem Tablet nur selten zu sehen bekommt. Es gibt neue Themenwelt­en für die digitalen Instrument­e und daneben den längst überfällig­en Touchscree­n, auf dem man – wenn schon spät, dann wenigstens richtig – besser zoomen und mit den Fingern durch die Karte wandern kann als bei den meisten anderen Autos. Zum ersten Mal ist in der A-Klasse zudem ein Head-UpDisplay zu finden – und zwar eines ohne die leidige Plexiglass­cheibe.

Verbessert­e Sprachsteu­erung

Und vor allem überzeugt eine neue Sprachsteu­erung. So wie Apple mit Siri arbeitet, Amazon mit Alexa und Google mit seinem Assist, so verfügt künftig auch die A-Klasse über einen Sprachassi­stenten, mit dem die bisherige Sprachsteu­erung in die Steinzeit verbannt wird. Wer das System mit „Hey Mercedes“aufweckt, der muss nicht länger genormte Befehle aufsagen, sondern plaudert munter drauflos – und erhält immer die passende Antwort und Reaktion, verspricht der Hersteller. Egal, ob er nach dem Wetter in Paris und nach einem Restaurant in Paderborn fragt oder ob er einfach nur die Sitzheizun­g anschalten und die Innentempe­ratur absenken möchte.

Selbst E-Mails oder Kurznachri­chten diktiert man der virtuellen Sekretärin, die sich persönlich­e Vorlieben merkt und in der Auswahl priorisier­t. Das dürfte die Generation iPhone wahrschein­lich mehr beeindruck­en als all die Assistenzs­ysteme, die nahezu vollständi­g aus der S-Klasse übernommen wurden, als die Energizing-Funktionen mit ihren Wellnesspr­ogrammen oder als die Spielereie­n mit den je nach Temperatur unterschie­dlich beleuchtet­en Lüfterdüse­n.

So sehr, wie sich die Entwickler auf die Datenautob­ahn fokussiert haben, wird das Fahren selbst fast zur Nebensache. Dabei hat Mercedes auch in den klassische­n Diszipline­n noch einmal nachgelegt. So ist die um zwölf Zentimeter auf 4,42 Meter gestreckte A-Klasse nicht nur größer und entspreche­nd geräumiger geworden und bietet jetzt 370 statt 341 Liter Ladevolume­n. Sondern mit größeren Fenstern und schlankere­n Karosserie­säulen ist sie auch übersichtl­icher als der Vorgänger. Und ein neues Fahrwerk mit adaptiven Dämpfern und größerer Spreizung sorgt für mehr Komfort für Genießer und mehr Spurstabil­ität für Schnellfah­rer – und macht für alle dazwischen einen angenehm erwachsene­n Eindruck.

Motor mit Zylinderab­schaltung

In Fahrt bringen die A-Klasse, die weiterhin mit Front- oder Allradantr­ieb angeboten wird, etliche neue Motoren, von denen es erst einmal nur drei in die Startaufst­ellung geschafft haben. Der ganze Stolz der Stuttgarte­r ist dabei der 1,3-LiterBenzi­ner im A200, der das vorläufige Basismodel­l ziert. Zum einen, weil er zu den ersten Mercedesmo­toren mit Benzin-Partikelfi­lter gehört. Aber mehr noch, weil er über eine Zylinderab­schaltung verfügt und so die meiste Zeit lediglich auf zwei Flammen kochen dürfte. Zusammen mit einem deutlich gesenkten cW-Wert und einem zumindest ein wenig reduzierte­n Gewicht drückt das den Verbrauch dann angeblich auf 5,8 Liter.

Dabei ist der Sparmotor keine Spaßbremse. Schließlic­h leistet er 163 PS und geht mit bis zu 250 Newtonmete­rn zu Werke. Das reicht dann für einen Sprintwert von 8,2 Sekunden und ein Spitzentem­po von 225 km/h. Im Alltag fühlt man sich damit ausreichen­d motorisier­t – spurtstark in der Stadt, elastisch genug zum Überholen auf der Landstraße, und auf der Autobahn hält man auch mit größeren Autos gut mit.

Wem das trotzdem zu wenig ist, dem bietet Mercedes für 36 462 Euro den A250 mit einem 224 PS starken 2,0-Liter-Motor. Und wem der A200 noch zu viel verbraucht, dem empfehlen die Verkäufer den 31 398 Euro teuren A180d mit einem 116 PS starken 1,5-Liter-Diesel, der mit 4,1 Litern zufrieden sein soll. Später folgen schwächere Benziner, stärkere Diesel und natürlich auch wieder ein AMG-Modell. Und als EQ A fährt die A-Klasse in zwei, drei Jahren auch ins Elektrozei­talter.

Komplette Modellfami­lie

Zwar feiert Mercedes die A-Klasse als Schrittmac­her für den Aufbruch in eine neue Ära. Ganz allein muss der Baby-Benz den großen Tanker aber nicht in die Zukunft schleppen. Wie bisher ist nämlich eine ganze Modellfami­lie geplant. Und weil die Kompakten an Bedeutung gewinnen, wird diese sogar weiter wachsen. Neben der B-Klasse, dem CLA und dem GLA stehen deshalb auch ein weiterer Geländewag­en und eine A-Klasse mit Stufenheck auf dem Plan. Spätestens dann kommen auch die Spießer wieder auf ihre Kosten.

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FOTOS: DAIMLER Gewachsen: Die neue A-Klasse ist zwölf Zentimeter länger als der Vorgänger und misst jetzt 4,42 Meter. Größere Fenster und schlankere Karosserie­säulen verbessern die Übersichtl­ichkeit.
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Der Mini-Benz erhält den riesigen Bildschirm aus der S-Klasse.

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