Nahles hat die Chance verdient
Lediglich 66,35 Prozent. Das schmerzt. Nur eine Zweidrittel-Mehrheit für die neue Vorsitzende Andrea Nahles, ein solches Ergebnis hat die SPD seit Lafontaine nicht erlebt. Es ist ein schlechter Start, das wissen alle Beteiligten. Die Partei ist skeptisch, und das ist kein Wunder. Die „gefühlt 112. Erneuerung der Partei“, wie ein Juso meinte, wann kommt sie?
Schon Sigmar Gabriel wollte die Partei neu aufstellen und dahin gehen, wo es dampft und stinkt – und er hat die Menschen doch nicht erreicht. Die SPD hat in den letzten 13 Monaten fünf Parteitage abgehalten und die Erneuerung immer wieder beschworen. Doch viele Wähler nehmen es den Sozialdemokraten nicht mehr ab, dass es der SPD nicht um sich, sondern um sie geht. Einige haben seit Hartz IV das Vertrauen verloren, andere durch die jahrelange Große Koalition. Von Kiel bis Konstanz sind die Sozialdemokraten aus vielen Landesregierungen geflogen. Die Partei, die einst der Betriebsrat der Gesellschaft war, tut sich schwer in einer Zeit, in der die Macht der Betriebsräte schwindet.
Erneuerung, das wird nicht leicht, wenn die SPD gleichzeitig in der Großen Koalition regiert und ihre Fraktionschefin auch die Parteichefin ist. Sigmar Gabriel hat einst gesagt, der größte Gegner der SPD sei nicht die CDU, sondern das Gefühl der Ohnmacht in der Bevölkerung, das Gefühl, nichts ändern zu können. Nur wenn die SPD dieses Gefühl besiegt, wird sie auch wieder an Boden gewinnen.
Die Partei ist munterer geworden. Dass eine innerparteiliche NoGrokoBewegung so viel Zuspruch hat – und auch so viele neue Mitglieder zieht: Wer hätte das vor einem Jahr gedacht? Doch das alleine reicht nicht.
Die SPD hat viele Anläufe genommen, ihren Kern wieder stark zu machen. Das bedeutet zunächst intern mehr Dialog, mehr Gleichberechtigung, weniger Basta. Und draußen muss sie näher ran an die arbeitenden Menschen und ihre Sorgen. Andrea Nahles kennt die Partei von ganz unten bis ganz oben. Wer, wenn nicht sie, hat die Chance verdient, die SPD zu retten?