Streit ums Kruzifix
Geteiltes Echo auf Söders Pläne für Bayerns Behörden
MÜNCHEN (AFP/dpa) - Die Anordnung zum Aufhängen von Kreuzen in bayerischen Behörden hat eine Debatte in Gang gesetzt. Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick begrüßte das Vorhaben am Mittwoch ebenso wie Charlotte Knobloch, die frühere Zentralratsvorsitzende der Juden in Deutschland. Sie sagte, vor dem Hintergrund der „Mammutaufgabe Integration“halte sie es für „wichtig und richtig, die Normen und Werte zu definieren und deren Anerkennung einzufordern, die für das Miteinander in unserem Land“nötig seien. Dazu gehöre „eine gewisse Symbolik“. Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Bayern, Mohamed Abu El-Qomsan, sprach indes von einem Verstoß gegen das Neutralitätsgebots des Staates. Scharfe Kritik kam auch von Grünen und Linken.
Bayerns Landesregierung unter Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte am Dienstag beschlossen, dass ab Juni in jeder Behörde ein Kreuz hängen muss.
BERLIN – Licht und Schatten auf dem Gesicht, das Kreuz in der Hand: Das Foto, mit dem Bayerns Ministerpräsident in der Staatskanzlei für seine Kruzifix-Offensive wirbt, wird in den sozialen Netzwerken tausendfach verbreitet. Heftige Kritik für Markus Söder und seinen Plan, in jeder Landesbehörde ein Kreuz aufhängen zu lassen, jede Menge Spott, aber auch Zustimmung. Ein neuer Kruzifix-Streit, der weit über Bayern hinausgeht.
Das Kreuz an den Behördenwänden – für Söder „ein klares Bekenntnis zur Identität“, zur „kulturellen Prägung“Bayerns und zu christlichen Werten.
Am Dienstag hatte das bayerische Kabinett beschlossen, dass in jeder staatlichen Landesbehörde ab dem 1. Juni ein Kreuz hängen soll. Bisher hatte die Bayerische Staatsregierung nur Kreuze in Gerichtssälen und Klassenzimmern vorgeschrieben.
Kritiker warnen, das Kruzifix werde so zur Folklore. „Wie der Markus Söder und die CSU Religionen permanent für die Parteipolitik instrumentalisieren, das erinnert geradezu an Erdogan. Das Grundgesetz hat keine Konfession“, erklärte FDPChef Christian Lindner gestern via Twitter. „Lieber Markus Söder, hing da etwa vorher keines? Waren Sie also all die Jahre ,unchristlich’ und ,unabendländisch’?“, meldete sich Grünen-Chef Robert Habeck.
Heinig: „Gerade noch zulässig“
Der Kirchenrechtler und Leiter des kirchenrechtlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland EKD Hans Michael Heinig hält Söders Anordnung für „gerade noch zulässig“– wenn der Ministerpräsident das Kreuz als „kulturgeschichtlichen Verweis“meine. Im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“bezeichnete Heinig die Anordnung als rechtliche Gratwanderung. Es spreche aber viel dafür, dass man bei einer Anbringung des Kreuzes von einem erheblichen Grundrechtseingriff noch nicht ausgehen könne.
Der EKD-Ratsvorsitzende und bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm sieht die Anbringung von Kreuzen in allen Behördengebäuden Bayerns grundsätzlich positiv. Er widersprach aber Söders Aussage, dass das Kreuz nicht für eine Religion stehe, sondern ein Bekenntnis zur Identität darstelle. „Wir als Christen und wir als Kirchen werden natürlich immer wieder darauf hinweisen, dass das Kreuz zuallererst ein religiöses Symbol ist. Und wir werden auch immer wieder auf den Inhalt des Kreuzes hinweisen“, erklärte er.
Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick begrüßte den Beschluss des Kabinetts vom Dienstag. „Das Kreuz aufzuhängen und als Zeichen der Einheit, der Versöhnung, des Friedens, der Geschwisterlichkeit, der Solidarität deutlich zu machen, das ist natürlich gut“, sagte Schick am Mittwoch im Bayerischen Rundfunk (BR). „Alle Menschen, die das Kreuz anschauen, verpflichten sich, das zu leben und voranzubringen, was das Kreuz bedeutet.“Das Kreuz könne Menschen aller Religionen miteinander verbinden. Es gebe nur einen Gott, den Christen, Muslime und Juden anriefen.
Mazyek beklagt “Doppelmoral“
Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, sagte: „Wir Muslime haben kein Problem mit dem Kreuz.“Die staatliche Neutralität solle dabei aber stets gewahrt bleiben. Was nicht gehe, sei die „Doppelmoral“, christliche Symbole zu akzeptieren, aber muslimische, jüdische oder andere aus der Öffentlichkeit zu verbannen.
Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg, riet zur Mäßigung. „Ich sehe keinen Grund für einen Kampf gegen Kreuze“, sagte er dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Zugleich mahnte Sternberg, Kreuze seien kein Kampfmittel gegen andere, sie zeigten vielmehr „den Wert von Religion“.