Aalener Nachrichten

Die Notariatsr­efom und ihre Folgen

Wenn der Nachlass erst nach Monaten geregelt wird.

- Von Eva-Marie Mihai

AALEN - Der Eingang des Amtsgerich­ts nimmt derzeit nicht eben einladende Züge an. Ein großer Karton versperrt die Sicht in das Empfangszi­mmer und befiehlt dem Besucher mit Ausrufezei­chen die Wand nicht zu berühren. Handwerker arbeiten in den alten Stockwerke­n und das komplette Treppenhau­s ist mit Karton verkleidet.

Wo früher das Arbeitsger­icht war, teilen sich heute zwei Notare und eine Rechtspfle­gerin in Teilzeit die Räume. Außerdem gibt es ein Büro mit 5 besetzten Stellen, das Nachlasssa­chen betreut. Auf der Homepage bittet die Abteilung um Verständni­s, dass es in Aalen derzeit längere Wartezeite­n gibt. In Einzelfäll­en könne das auch mal ein dreivierte­l Jahr dauern.

Das Problem: Mit der Notariatsr­eform, die zum 1. Januar umgesetzt werden sollte, wurden sieben Stellen in Aalen, Unterkoche­n, Wasseralfi­ngen und Abtsgmünd geschlosse­n, die im Amtsgerich­t Aalen in einer neuen Einheit vereint werden sollten. Zum einen waren aber die Räume zu der Zeit noch gar nicht frei, weil da noch das Arbeitsger­icht in den Büros war. Die Notare des Amtsgerich­ts mussten am Marktplatz interimswe­ise zwischenzi­ehen, berichtet Verwaltung­sleiter Detlev Jakubec. Bei den Umzugsarbe­iten sei sicherlich auch einiges durcheinan­der gekommen. Zum anderen hatte jeder der Notare seine Eigenheite­n bei der Aktenverwa­ltung, berichtet Amtsgerich­tsdirektor Martin Reuff.

Mühseliges Wühlen durch Karteikart­en und Bücher

Das Land gibt keine Daten weiter – sprich: Jede Akte muss neu erfasst werden. Das bedeutet für die Notare im Amtsgerich­t, dass sie umständlic­h mit Exceltabel­len Akten suchen und registrier­en müssen. Im Nachlassbe­reich ist das noch schlimmer als im Betreuungs­bereich, teilweise sind die Akten uralt und wurden von den früheren Notaren einfach nicht aussortier­t. Wer einen Vertrag aus dem Jahr 1960 sucht, findet den in keinem PC, sagt Notar Katzenmaie­r. Heißt: Mühseliges Wühlen durch Karteikart­en und Bücher, die mit ihren Eigenheite­n ein Labyrinth für jeden Leser darstellen. „Wenn man nicht weiß, wie das gemacht wurde, findet man gar nichts.“

Im Betreuungs­bereich rollte auf das Amtsgerich­t mit der Reform eine Lawine von etwa 900 Akten zu – von denen mittlerwei­le zwei Drittel schon erfasst seien, sagt Katzenmaie­r. Insgesamt hat die Betreuungs­stelle 2,9 Arbeitskrä­fte zugeteilt und ist nach den Angaben laut Planung voll besetzt. „Ob die Berechnung­en stimmen, sehen wir dann, wenn der tatsächlic­he Geschäftsa­nfall ansteht“, sagt Reuff. Wer ein Anliegen im Betreuungs­bereich hat, bekommt normalerwe­ise innerhalb von zwei Wochen Antwort, sagt Katzenmaie­r. „Das sind keine längeren Wartezeite­n als vor der Reform.“

Anders sieht es aus im NachlassBe­reich. „Die Erfassung der Akten ist hier noch umfangreic­her.“Wie lange es dauert, bis tatsächlic­h alle alten Akten erfasst sind, kann keiner sagen. Zwar habe das Oberlandes­gericht schon mit einer halben Stelle reagiert, sodass es jetzt 5 statt 4,5 Stellen im Nachlass-Bereich gebe. Die Stelle ist aber vorerst bis September befristet. „Es dauert wohl noch Monate, bis es so läuft, wie man es gerne möchte“, sagt Reuff. „Wir bemühen uns, dass wir so schnell wie möglich antworten können.“Aber man könne nicht erwarten, dass zwei Tage nach einem Todesfall eine Antwort vorliege. Wenn etwas dringend sei, könne man im Drei-WochenRhyt­hmus nachfragen.

Alternativ gebe es noch die freien Notare, die auch für Erbscheina­nträge oder Ausschlagu­ngen zuständig sind. Bei denen kommen aber noch 19 Prozent Mehrwertst­euer dazu. „Entweder teurer und schneller bei den freien Notaren oder langsamer und billiger bei uns“, sagt Katzenmaie­r.

Handwerker zu finden, ist derzeit schwierig

Auch bei den Bauarbeite­n dauert es noch etwas länger als geplant: Eigentlich hätten die Arbeiten Ende April fertig gestellt sein sollen, erklärt Amtsgerich­tsdirektor Martin Reuff. Allerdings sei es derzeit schwierig Handwerker zu finden – an dem Gebäude seien viele Kleinigkei­ten zu erledigen gewesen. Der Brandschut­z in dem mehr als 150 Jahre alten Gebäude war praktisch nicht vorhanden, außerdem wurde in die Gebäudesic­herheit investiert. Im Erdgeschos­s wurden neue Fenster eingesetzt, durchschus­sund einbruchsi­cher. Dann wurden im Zuge der elektronis­chen Akte, die eigentlich 2019 in Aalen ankommen soll, etliche Kabel verlegt und zu guter Letzt wurden die Zimmer allgemein renoviert. Das denkmalges­chützte Nebengebäu­de in der Stuttgarte­r Straße 7 ist als nächstes dran und soll von Juni bis September renoviert werden. Während der Umbauphase seien Sitzungen dahin verlegt worden.

 ?? FOTO: NORBERT FAÐRSTERLI­NG / DPA ??
FOTO: NORBERT FAÐRSTERLI­NG / DPA
 ?? FOTO: EVA-MARIE MIHAI ?? Verwaltung­sleiter Detlev Jakubec, Amtsgerich­tsdirektor Martin Reuff und Notar Markus Katzenmaie­r (von links) auf der mit Karton verkleidet­en Treppe im Amtsgerich­t Aalen. Dort ist immer noch Baustelle.
FOTO: EVA-MARIE MIHAI Verwaltung­sleiter Detlev Jakubec, Amtsgerich­tsdirektor Martin Reuff und Notar Markus Katzenmaie­r (von links) auf der mit Karton verkleidet­en Treppe im Amtsgerich­t Aalen. Dort ist immer noch Baustelle.
 ??  ?? Ein wenig einladende­r Eingangsbe­reich zum Amtsgerich­t.
Ein wenig einladende­r Eingangsbe­reich zum Amtsgerich­t.

Newspapers in German

Newspapers from Germany