Von Energiebündeln und Veteranen
Rund 70 000 Musikfans feierten am Wochenende bei Rock im Park in Nürnberg
NÜRNBERG - Ein Festival ohne Unwetter? Ein Festival ohne abgesoffene Zelte? Ohne schlammverkrustete Schuhe? Ohne Evakuierung des Festivalgeländes? Für die Rock-im-ParkFans ist es an diesem Wochenende besser gelaufen als schon in früheren Jahren. Von Freitag bis Sonntag haben rund 70 000 Musikfans in Nürnberg zu Auftritten von Bands wie Foo Fighters, Marilyn Manson, Kreator und Milky Chance gefeiert. Zeitgleich ging in der Eifel Rock am Ring mit denselben Bands und rund 71 000 Besuchern über die Bühne.
„Wie lange kommen wir schon zu Rock im Park? Zwölf, dreizehn Jahre?“, fragt Matthew Tuck. Mit seiner Band Bullet for My Valentine ist er für eines der härteren Konzerte am letzten Festivalabend in Nürnberg verantwortlich. Die Fans drängen sich dicht an dicht vor der Parkbühne. Lautstark und textsicher werden Titel aus den Anfangstagen der Band wie „Tears Don’t Fall“oder „Scream Aim Fire“mitgesungen. Trotz Besetzungswechseln hat sich die Band ihre Stärke mit dem Wechselspiel von hart und zart, von melodiös und brachial, gut bewahrt. So soll es auch auf dem Ende des Monats erscheinenden Album „Gravity“weitergehen, von dem es schon mal „Piece of Me“zu hören gibt. „Wir kommen auch immer wieder gern hierher. Und in nicht allzu ferner Zukunft werden wir hier Headliner sein“, kündigt Tuck mit einem breiten Grinsen an und erntet dafür tosenden Applaus.
Funke springt nicht immer über
In diesem Jahr sind es aber noch andere, die die Headliner-Shows auf der Hauptbühne spielen: Foo Fighters, Thirty Seconds to Mars und Muse. Während Muse mit einem überzeugenden Auftritt das Festival beschließen, bleiben die Foo Fighters um Sänger Dave Grohl am Freitag doch stark hinter den Erwartungen zurück. Zwar hat die amerikanische Rockband um den früheren Nirvana-Schlagzeuger Grohl in ihrem mehr als 20-jährigen Bestehen neun Alben mit eigentlich jeder Menge Hits veröffentlicht („Learn to Fly“, „Times Like These“, „All My Life“). Aber an diesem Abend springt der Funke nicht in gewohnter Form über. Während die anderen beiden Headliner jeweils eineinhalb Stunden spielen, ist das Konzert der Foo Fighters auf zweieinhalb Stunden angesetzt. Und diese ziehen sich unangenehm in die Länge, fast so als wäre die Band selbst davon überrumpelt. Es wird nervtötend viel geredet, viel gejamt und gecovert. Ist das schlicht zu lang? Ist die Band müde vom Touren? Ist die Setliste einfach nicht gut gewählt?
Ganz anders bei der britischen Band Muse am Sonntag. Selbst wer kein erklärter Fan ist, lässt sich von der farbenprächtigen Show des Trios in den Bann ziehen. Die Truppe um Sänger Matthew Bellamy entwickelt eine enorme Strahlkraft auf der Büh- ne. Unterstützt von einer gelungenen Lichtshow, mal verstärkt durch Luftschlangenregen oder Einsatz von Ballonen, geht es hier mehr um ein Gesamtkunstwerk als lediglich die Musik. Mit der aktuellen Single „Thought Contagion“steigt die Band gleich wuchtig ein. Und diese Sogwirkung hält die Band auch für das restliche abwechslungsreiche Konzert über „Starlight“bis hin zu „Knights of Cydonia“aufrecht. So muss ein Headliner sein.
Großer genremäßiger Spielraum
Wie viel Rock in Rock im Park steckt? Diese Frage ist wahrscheinlich so alt, wie das Festival selbst. Dass genremäßig viel Spielraum besteht, zeigt sich schon am Auftakttag. Zunächst rumpeln die kalifornischen Punkrock-Veteranen von Bad Religion auf der Hauptbühne. Da werden die „New Dark Ages“besungen oder das beherzte „Fuck You“zum Besten gegeben. Good Charlottes Punk hat eine deutlich popigere Note (“I Just Wanna Live“) und das CrossoverComic-Band-Project Gorillaz („Clint Eastwood“) um Britpoper Damon Albarn ist ohnehin eine Klasse für sich.
Auch an den Folgetagen bleibt die Spannbreite ziemlich groß. Milky Chance, bei denen Electronic auf Folk trifft, sind wohl ein ziemliches Gegenstück zu Schockrocker Marilyn Manson, der sich bei früheren Auftritten auch schon in besserer Form zeigte als an diesem Samstag. Kreator kommen da mit Titeln wie „Gods of Violence“und „Hordes of Chaos“deutlich stärker daher. Mit dem Titel „Fallen Brother“verneigt sich die Thrash-Metal-Formation vor verstorbenen Musikgrößen wie Lemmy Kilmister (Motörhead), David Bowie oder Bon Scott (AC/DC). Obwohl die Essener Truppe um Sänger Mille Petrozza seit Anfang der 80er Jahre im Geschäft ist, ist es für sie der erste Auftritt bei Rock im Park. Mit ihrem klassischen Spiel empfehlen sich die Metal-Veteranen aber durchaus auch für kommende Auflagen. Ebenso auch Beth Ditto: Gutgelaunt gibt sich das amerikanische Energiebündel auf der Hauptbühne. Neben Songs von ihrem Soloalbum „Fake Sugar“, gibt es auch Titel ihrer früheren Band Gossip zu hören („Heavy Cross“, „Love Long Distance“). Charmant führt sie durch ihr Programm. Und mit einer gehörigen Portion Selbstironie zeigt Beth Ditto, worauf es bei einem Festival letztlich ankommt: alles nicht so ernstzunehmen. Weitere Fotos gibt es in den
Galerien unter www.schwaebische.de/rockimpark2018 Rock im Park und Rock am Ring sind 2019 für das Wochenende vom 7. bis 9. Juni geplant. Als erster Headliner sind die Ärzte für die Zwillingsfestivals bestätigt. Informationen gibt es unter www.rock-im-park.com und www.rock-am-ring.com