Kretschmann rät Bayern zu Schwarz-Grün
Idee des Ministerpräsidenten Baden-Württembergs stößt im Freistaat auf wenig Gegenliebe
STUTTGART/BERLIN - Während in der Union der Streit um den AsylMasterplan von Innenminister Horst Seehofer (CSU) tobt, hat BadenWürttembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Dienstag mit einer gewagten Aussage überrascht. Kretschmann, selbst seit 2016 in Stuttgart Chef einer grünschwarzen Landesregierung, empfahl den Grünen in Bayern nach der Landtagswahl im Oktober eine Koalition mit der CSU. „Die CSU ist sehr geschmeidig, wenn’s um die Macht geht“, sagte er. Und über seine eigene Partei: „Wir sind auch geschmeidig.“Politische Differenzen steckten häufig nur in Überschriften. Inhaltlich sei es indes möglich, Gemeinsamkeiten zu finden. Zumal er glaube, dass die bayerischen Grünen durchaus Lust hätten, Regierungsverantwortung zu übernehmen.
Das stimme schon, sagte Ludwig Hartmann, Spitzenkandidat der Grünen im Freistaat, am Dienstag zur „Schwäbischen Zeitung“. „Wir sind bereit, Verantwortung zu übernehmen, aber brauchen einen Partner, der auch verantwortungsvoll handelt.“Das sei bei Ministerpräsident Markus Söder (CSU) derzeit aber nicht zu erkennen. Noch vor zwei Wochen, vor dem Unions-Konflikt um den Asyl-Masterplan, hätte er seinem Parteifreund Kretschmann Recht gegeben. „Zum jetzigen Zeitpunkt, mit einer CSU, die im Gewand der AfD unterwegs ist, schließen wir eine Koalition aus“, sagte Hartmann. Bayerns Ministerpräsident betreibe seit Wochen eine Politik, die die Gesellschaft spalte. Söder selbst wollte sich auf Anfrage nicht zu Kretschmanns Vorschlag äußern. Sein Ziel, dies hat er mehrfach geäußert, ist die absolute Mehrheit mit der CSU.
Im Asylstreit selbst stellte sich Kretschmann jedoch gegen die CSU und auf die Seite von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Wichtige Fragen wie Klimawandel, Migration, Terrorismus und Freihandel könnten nur gemeinsam angegangen werden, Nationalstaaten könnten heute alleine kaum noch etwas ausrichten.
In Berlin blühen derweil die Spekulationen, ob die CSU künftig bundesweit zu Wahlen antreten wird. Davon hält Bayerns Innenminister Joachim Herrmann jedoch wenig. „Bisher sind wir immer zu dem Ergebnis gekommen, dass die Konzentration der CSU auf Bayern für die Union und auch für die CSU der insgesamt bessere Weg ist. Ich sehe keine Veranlassung, hiervon abzugehen“, sagte der CSU-Politiker der „Schwäbischen Zeitung“.
BERLIN - Auch am Tag nach dem Asyl-Kompromiss geht der Zwist weiter. Wenn Kanzlerin Angela Merkel beim EU-Gipfel Ende Juni keine europäische Lösung erreiche, werde CSU-Chef Horst Seehofer im Alleingang handeln, das machte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) am Dienstag im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“nochmals unmissverständlich klar. „Wenn keine Rücknahmeabkommen zustande kommen, wird Bundesinnenminister Seehofer ab der ersten Juliwoche von seinen Ressortzuständigkeiten Gebrauch machen und das umsetzen, was ohnehin geltendes Recht ist“, sagte er. Der Countdown im Asylstreit der Union läuft weiter, der Kanzlerin bleiben wenige Tage für eine europäische Lösung.
Seehofer wiederum droht Widerstand gegen seine Pläne auch vom Koalitionspartner SPD. Machen die Genossen dem Bundesinnenminister am Ende einen Strich durch die Rechnung? SPD-Chefin Andrea Nahles und Vizekanzler Olaf Scholz geben Kanzlerin Merkel Rückendeckung für ihren Kurs einer europäischen Lösung in der Asylpolitik. Sie lehnen einen nationalen Alleingang ab, wie ihn der Innenminister plant. Die SPD-Spitze will jetzt ein eigenes Asyl-Konzept vorbereiten als mögliche Antwort auf den Masterplan von Bundesinnenminister Horst Seehofer. Am Montagabend hatte das SPDPräsidium darüber streng vertraulich beraten. Sollten sich CDU und CSU am Ende doch auf einen Kompromiss im weiter schwelenden Asylstreit einigen, müsste immer noch die SPD zustimmen. Doch führende Sozialdemokraten lehnen Teile von Seehofers Masterplan ab.
„Die CSU setzt auf Nationalismus und Alleingänge, das ist falsch und verantwortungslos. Dass sich die Schwesterparteien mit Ultimaten gegenseitig beharken, ist brandgefährlich“, erklärte SPD-Vizechef Ralf Stegner gestern gegenüber der „Schwäbischen Zeitung“.
Stegner gegen „Schikanen“
Auch eine mögliche Umstellung von Geld- auf Sachleistungen für Asylbewerber stößt auf Kritik. „Wir wollen keine Schikane für Geflüchtete, sondern ordentliche und schnelle Verfahren. Punkt“, erklärte Stegner.
Mitte kommender Woche soll über den Streit bei einem Koalitionsgipfel im Kanzleramt beraten werden. An einem Bruch der Koalition und Neuwahlen haben auch die Genossen kein Interesse. Schließlich deuten jüngste Umfragen darauf hin, dass die SPD mit 19 Prozent erneut ein Debakel erleben würde.
Die Union käme demnach nur noch auf 29 Prozent. Würde die CSU nach einem möglichen Ende der Fraktionsgemeinschaft mit der CDU womöglich bundesweit antreten, käme sie nach Einschätzung von Meinungsforschern auf 18 Prozent. Die CDU würde 22 Prozent erreichen und die Unionsparteien somit gemeinsam hinzugewinnen. Sollte die CSU künftig auch jenseits von Bayern bei Wahlen antreten? Bayerns Innenminister sagt Nein. Seine Absage formuliert er so: „Bisher sind wir immer zu dem Ergebnis gekommen, dass die Konzentration der CSU auf Bayern für die Union und auch für die CSU der insgesamt bessere Weg ist. Ich sehe keine Veranlassung, hiervon abzugehen.“