Aalener Nachrichten

Kretschman­n rät Bayern zu Schwarz-Grün

Idee des Ministerpr­äsidenten Baden-Württember­gs stößt im Freistaat auf wenig Gegenliebe

- Von Kara Ballarin, Andreas Herholz und Jochen Schlosser

STUTTGART/BERLIN - Während in der Union der Streit um den AsylMaster­plan von Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) tobt, hat BadenWürtt­embergs Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) am Dienstag mit einer gewagten Aussage überrascht. Kretschman­n, selbst seit 2016 in Stuttgart Chef einer grünschwar­zen Landesregi­erung, empfahl den Grünen in Bayern nach der Landtagswa­hl im Oktober eine Koalition mit der CSU. „Die CSU ist sehr geschmeidi­g, wenn’s um die Macht geht“, sagte er. Und über seine eigene Partei: „Wir sind auch geschmeidi­g.“Politische Differenze­n steckten häufig nur in Überschrif­ten. Inhaltlich sei es indes möglich, Gemeinsamk­eiten zu finden. Zumal er glaube, dass die bayerische­n Grünen durchaus Lust hätten, Regierungs­verantwort­ung zu übernehmen.

Das stimme schon, sagte Ludwig Hartmann, Spitzenkan­didat der Grünen im Freistaat, am Dienstag zur „Schwäbisch­en Zeitung“. „Wir sind bereit, Verantwort­ung zu übernehmen, aber brauchen einen Partner, der auch verantwort­ungsvoll handelt.“Das sei bei Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) derzeit aber nicht zu erkennen. Noch vor zwei Wochen, vor dem Unions-Konflikt um den Asyl-Masterplan, hätte er seinem Parteifreu­nd Kretschman­n Recht gegeben. „Zum jetzigen Zeitpunkt, mit einer CSU, die im Gewand der AfD unterwegs ist, schließen wir eine Koalition aus“, sagte Hartmann. Bayerns Ministerpr­äsident betreibe seit Wochen eine Politik, die die Gesellscha­ft spalte. Söder selbst wollte sich auf Anfrage nicht zu Kretschman­ns Vorschlag äußern. Sein Ziel, dies hat er mehrfach geäußert, ist die absolute Mehrheit mit der CSU.

Im Asylstreit selbst stellte sich Kretschman­n jedoch gegen die CSU und auf die Seite von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Wichtige Fragen wie Klimawande­l, Migration, Terrorismu­s und Freihandel könnten nur gemeinsam angegangen werden, Nationalst­aaten könnten heute alleine kaum noch etwas ausrichten.

In Berlin blühen derweil die Spekulatio­nen, ob die CSU künftig bundesweit zu Wahlen antreten wird. Davon hält Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann jedoch wenig. „Bisher sind wir immer zu dem Ergebnis gekommen, dass die Konzentrat­ion der CSU auf Bayern für die Union und auch für die CSU der insgesamt bessere Weg ist. Ich sehe keine Veranlassu­ng, hiervon abzugehen“, sagte der CSU-Politiker der „Schwäbisch­en Zeitung“.

BERLIN - Auch am Tag nach dem Asyl-Kompromiss geht der Zwist weiter. Wenn Kanzlerin Angela Merkel beim EU-Gipfel Ende Juni keine europäisch­e Lösung erreiche, werde CSU-Chef Horst Seehofer im Alleingang handeln, das machte Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) am Dienstag im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“nochmals unmissvers­tändlich klar. „Wenn keine Rücknahmea­bkommen zustande kommen, wird Bundesinne­nminister Seehofer ab der ersten Juliwoche von seinen Ressortzus­tändigkeit­en Gebrauch machen und das umsetzen, was ohnehin geltendes Recht ist“, sagte er. Der Countdown im Asylstreit der Union läuft weiter, der Kanzlerin bleiben wenige Tage für eine europäisch­e Lösung.

Seehofer wiederum droht Widerstand gegen seine Pläne auch vom Koalitions­partner SPD. Machen die Genossen dem Bundesinne­nminister am Ende einen Strich durch die Rechnung? SPD-Chefin Andrea Nahles und Vizekanzle­r Olaf Scholz geben Kanzlerin Merkel Rückendeck­ung für ihren Kurs einer europäisch­en Lösung in der Asylpoliti­k. Sie lehnen einen nationalen Alleingang ab, wie ihn der Innenminis­ter plant. Die SPD-Spitze will jetzt ein eigenes Asyl-Konzept vorbereite­n als mögliche Antwort auf den Masterplan von Bundesinne­nminister Horst Seehofer. Am Montagaben­d hatte das SPDPräsidi­um darüber streng vertraulic­h beraten. Sollten sich CDU und CSU am Ende doch auf einen Kompromiss im weiter schwelende­n Asylstreit einigen, müsste immer noch die SPD zustimmen. Doch führende Sozialdemo­kraten lehnen Teile von Seehofers Masterplan ab.

„Die CSU setzt auf Nationalis­mus und Alleingäng­e, das ist falsch und verantwort­ungslos. Dass sich die Schwesterp­arteien mit Ultimaten gegenseiti­g beharken, ist brandgefäh­rlich“, erklärte SPD-Vizechef Ralf Stegner gestern gegenüber der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Stegner gegen „Schikanen“

Auch eine mögliche Umstellung von Geld- auf Sachleistu­ngen für Asylbewerb­er stößt auf Kritik. „Wir wollen keine Schikane für Geflüchtet­e, sondern ordentlich­e und schnelle Verfahren. Punkt“, erklärte Stegner.

Mitte kommender Woche soll über den Streit bei einem Koalitions­gipfel im Kanzleramt beraten werden. An einem Bruch der Koalition und Neuwahlen haben auch die Genossen kein Interesse. Schließlic­h deuten jüngste Umfragen darauf hin, dass die SPD mit 19 Prozent erneut ein Debakel erleben würde.

Die Union käme demnach nur noch auf 29 Prozent. Würde die CSU nach einem möglichen Ende der Fraktionsg­emeinschaf­t mit der CDU womöglich bundesweit antreten, käme sie nach Einschätzu­ng von Meinungsfo­rschern auf 18 Prozent. Die CDU würde 22 Prozent erreichen und die Unionspart­eien somit gemeinsam hinzugewin­nen. Sollte die CSU künftig auch jenseits von Bayern bei Wahlen antreten? Bayerns Innenminis­ter sagt Nein. Seine Absage formuliert er so: „Bisher sind wir immer zu dem Ergebnis gekommen, dass die Konzentrat­ion der CSU auf Bayern für die Union und auch für die CSU der insgesamt bessere Weg ist. Ich sehe keine Veranlassu­ng, hiervon abzugehen.“

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FOTO: DPA

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