Flüchtlingszahlen auf Rekordhoch
Drei von fünf Vertriebenen kommen im Heimatland unter – Hauptlast tragen ärmere Länder
GENF (AFP) - Angesichts anhaltender Bürgerkriege und gewaltsamer Vertreibungen hat die Zahl der Flüchtlinge weltweit einen neuen Höchststand erreicht. Nach UN-Angaben vom Dienstag ließen Konflikte, Gewalt und Verfolgung die Zahl im vergangenen Jahr um etwa drei Millionen auf rund 68,5 Millionen steigen. Damit wurde bereits zum fünften Mal in Folge ein neues Rekordniveau erreicht.
GENF (dpa) - Die Zahl der Flüchtlinge weltweit ist auf einem neuen Rekordstand. Kriege und Konflikte ließen die Zahl der Flüchtlinge im Jahr 2017 auf 68,5 Millionen steigen, berichtete das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR am Dienstag. Drei von fünf Vertriebenen fanden im eigenen Land Zuflucht. Von denen, die über Grenzen flohen, stammten nach UNHCR-Angaben fast 70 Prozent aus fünf Ländern. Es handelt sich um Syrien, Afghanistan, den Südsudan, Myanmar und Somalia. „Wenn es Lösungen für diese Länder gäbe, könnten die Zahlen deutlich sinken“, sagte UNHCR-Chef Filippo Grandi.
Der Eindruck, die reichen Länder seien durch Flucht- und Migrationsbewegungen besonders betroffen, ist nach den Worten Grandis falsch. 85 Prozent der Geflüchteten hätten nahe ihrer Heimat in Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen Zuflucht gefunden. Deutschland beherbergte demnach im vergangenen Jahr 970 400 Vertriebene. Es stand damit hinter der Türkei, Pakistan, Uganda, dem Libanon und Iran an sechster Stelle.
Mehr als die Hälfte minderjährig
Nach Angaben des UNHCR sind mehr als die Hälfte der weltweit 68,5 Millionen Flüchtlinge jünger als 18 Jahre. Die Hilfsorganisation SOSKinderdörfer forderte die Regierungen dazu auf, mehr für den Schutz der Flüchtlingskinder zu tun. „Wir brauchen dringend internationale Vereinbarungen und Maßnahmen, um diese Kinder und Jugendlichen vor Ausbeutung, Missbrauch und Tod zu bewahren“, sagte Louay Yassin, Pressesprecher der SOS-Kinderdörfer weltweit.
Die Zahl der Migranten, die über das Mittelmeer nach Europa kommen, ist hingegen zurückgegangen. Bis Mitte Juni kamen gut 40 000 Menschen, halb so viele wie im gleichen Zeitraum des Vorjahres, berichtete die Internationale Organisation für Migration (IOM). Im gleichen Zeitraum 2016 waren es mehr als 215 000 gewesen. Laut IOM-Statistik starben auch deutlich weniger Menschen bei der Überfahrt: 2016 waren es bis Mitte Juni fast 3000, im vergangenen Jahr knapp über 2000 und in diesem Jahr bislang 857. Hilfsorganisationen gehen jedoch davon aus, dass kleinere Boote verunglücken und Menschen ertrinken, ohne dass die Organisationen davon erfahren.
Die meisten Menschen fliehen vor Waffengewalt. Im asiatischen Myanmar etwa flohen innerhalb weniger Wochen deutlich mehr als eine halbe Million Angehörige der muslimischen Minderheit der Rohingya vor Militärgewalt ins Nachbarland Bangladesch. Im zentralafrikanischen Riesenreich Kongo hat militärische Gewalt 2017 eine Massenflucht ausgelöst, die Zahl der Binnenflüchtlinge verdoppelte sich auf rund 4,4 Millionen, 750 000 Menschen sind ins Ausland geflohen. Wegen des Kriegs in Syrien hatten Ende 2017 mehr als 6,3 Millionen Menschen das Land verlassen, die meisten in die Nachbarländer Türkei, Libanon und Jordanien. Im ostafrikanischen Südsudan ist jeder dritte der gut 12 Millionen Einwohner wegen des Bürgerkriegs auf der Flucht, 2,4 Millionen flohen in Nachbarländer.
Beim Bürgerkrieg im Jemen sprechen die UN derzeit von der weltweit größten humanitären Katastrophe. Zwei Millionen Menschen waren zur Jahreswende Binnenvertriebene. Rund 200 000 Jemeniten sind ins Ausland geflohen. Und aus dem seit vier Jahrzehnten vom Krieg geprägten Afghanistan waren Ende 2017 laut UNHCR-Zählung 2,6 Millionen Einwohner ins Ausland geflüchtet.