„Ich habe die Faust gespürt, aber nicht gesehen“
Gastwirt wegen Körperverletzung angeklagt – Wer zugeschlagen hat, kann im Prozess nicht aufgeklärt werden
ELLWANGEN - Wenn ein Wirt unliebsame Gäste aus seinem Lokal schubst oder gar prügelt, kann es passieren, dass er sich vor Gericht wiederfindet. So ist es einem 47-jährigen Gastronom aus dem Ostalbkreis ergangen, der sich am Donnerstag wegen gefährlicher Körperverletzung im Ellwanger Amtsgericht verantworten musste.
Dass er einen Gast geschubst hat, gab der Angeklagte zu. Ein heftiger Faustschlag ins Gesicht eines zweiten Gastes war dem Wirt am Ende der umfassenden Beweisaufnahme nicht nachzuweisen. Andernfalls hätte es ihn seine Konzession kosten können.
Plötzlich „ausgeflippt“
Gegen 2.30 Uhr am Morgen des 10. Dezember 2017 kamen drei junge Männer in die Bar des Angeklagten in der Absicht, einen Absacker zu sich zu nehmen. „Der Wirt war gut drauf. Wir haben Späße mit ihm gemacht und gefragt, ob wir noch ein Bier haben könnten“, sagten sie übereinstimmend aus. Als einer der späten Zecher an die auffällige Goldkette des Wirts fasste, schlug die gelöste Stimmung plötzlich um in Aggressivität: „Er ist ausgeflippt. Das war eine krasse Situation“, erklärte einer der Geschädigten. Der Barbetreiber schubste den jungen Mann mit solcher Wucht, dass dieser zu Boden ging und Prellungen davontrug. Einer seiner Freunde kam ihm zu Hilfe und wurde von einem Faustschlag über dem linken Auge getroffen. Von wem, konnte er nicht sagen: „Ich habe die Faust gespürt, aber nicht kommen sehen“, sagte er aus. „Wir haben versucht, unsere Köpfe mit den Händen zu schützen und das Lokal innerhalb von Sekunden verlassen.“
Draußen riefen die Freunde die Polizei. Die machte sich durch Rufen und Klopfen an der Tür des mittlerweile geschlossenen Lokals bemerkbar: „Ich habe die Polizisten nicht gesehen“, behauptete der Wirt. „Die drei Männer wollten nicht gehen und haben mich provoziert. Da habe ich einen geschubst, aber hingefallen ist er nicht. Ich habe keinen mit der Faust geschlagen und weiß auch nicht, wer das getan haben könnte. Ich bin ehrlich.“Auf beiden Seiten war Alkohol im Spiel.
Getürktes Handyvideo?
Ein möglicherweise getürktes Handyvideo brachte kein Licht ins Dunkel. Auch die Aussagen der 19-jährigen Freundin des Wirts, ihrer Schwester und ihres Bruders, die sich zum Tatzeitpunkt in den hinteren Räumen des Lokals aufhielten, klärten den Sachverhalt nicht. Wegen des Tumults kamen sie nach vorne an die Theke. Möglicherweise flog die Faust des Bruders. Aber auch das hat niemand gesehen. Den drei Freunden zollte Strafrichter Norbert Strecker seinen Respekt: „Sie haben objektiv und ohne Belastungseifer ausgesagt.“
Mit dem Einverständnis der Verfahrensbeteiligten stellte Strecker das Verfahren vorläufig ein. Bis zum 15. Juli muss der Gastwirt an beide Geschädigte je 250 Euro zahlen.