Ein Stahlrohrmonster und mancher Weiße Elefant
Die meisten Stadien sind nach der WM zu groß – und zu teuer – für Russlands Vereinsfußball
MOSKAU (SID) - Wen es in den ersten beiden Wochen dieser WM in Russland zu einem der vier Spiele in Jekaterinburg verschlagen hat, der wird Zeit seines Lebens einen Witz machen können: „Ich habe ein Spiel im Stadion gesehen, obwohl ich nicht mal drin saß.“Er wird Bekannten oder Enkeln dann wohl ein paar Fotos zeigen. Auf ihnen ist zu sehen, was schon bald verschwindet: zwei gewaltige Stahlrohrtribünen – errichtet außerhalb des Stadions, jenseits der aufgeschnittenen Fassade.
Das Stadion in Jekaterinburg war einzigartig, ein Freak – doch sie haben sich in der viertgrößten Stadt Russlands etwas dabei gedacht: Diese Stahlrohrmonster ermöglichten eine Erhöhung der Kapazität auf 35 000 Zuschauer – gerade genug für die FIFA. Die Tribünen werden nun eben wieder abgebaut, und die Fassade wird geschlossen. Der Erstligist FC Ural Oblast Swerdlosk hat dann nur noch 23 000 Plätze im Angebot, aber das reicht ja auch bei einem Schnitt von 6000 Besuchern.
Jekaterinburg, Kaliningrad, Wolgograd, Saransk – und am Montag Rostow. Die WM ist weg – und jetzt? Mit Ausnahme von Wolgograd gibt es in diesen Städten Pläne, die Arenen zurückzubauen, von einer Reduzierung auf jeweils 23 000 bis 35 000 Plätze ist die Rede. Und selbst das scheint noch zu viel: In der abgelaufenen Saison lag der Schnitt in der russischen Premjer Liga bei 13 971 Zuschauern. Auch in Russland, steht zu befürchten, werden bald ein paar Weiße Elefanten herumstehen.
In Kaliningrad, wo der Neubau der Arena Baltika 350 Millionen Euro gekostet haben soll, spielt nicht einmal ein Erstligist. Auch nicht in Saransk, wo die angeblich mindestens 270 Millionen Euro teure Mordwinien-Arena steht. Der FK Baltika und der FC Mordowia sind nur Zweitligisten. Ebenso der FC Olympijets, der künftig die 45 000 Plätze im mindestens 250 Millionen teuren Stadion in Nischni Nowgorod füllen soll. Die zweite russische Liga hatte zuletzt einen Schnitt von 2552 Besuchern. Die Stadien, die für die WM gebaut wurden, sind allesamt schick, jedes mit einem eigenen Charakter, etwa jenes in Wolgograd. Dort können künftig 45 000 Zuschauer dem FK Rotor zusehen – der Club ist gerade in die dritte Liga abgestiegen. Hoffnung besteht, da wohl ein bisheriger Konkurrent pleite geht. In Sotschi, wo sie das 620 Millionen Euro teure Olympiastadion für 50 Millionen WM-tauglich gemacht haben, soll künftig der Zweitligist Dynamo aus der 1925 Kilometer entfernten Stadt St. Petersburg spielen.
Geschätzte 5,26 Milliarden Euro hat es gekostet, die Arenen von Kaliningrad bis Jekaterinburg zu errichten oder zu sanieren. Zu welchem Preis? Die Leute würden auch nach der WM kommen, so ein Stadion ziehe die Menschen an, sagte Alexej Sorokin, Chef des Organisationskomitees, vor dem Turnier. Auch er rechnet aber damit, dass die Stadien vom Staat subventioniert werden müssen. Regierungsstellen rechnen mit jährlichen Betriebskosten für die Arenen in Höhe von 2,8 bis 5,5 Millionen Euro.