Zeit - Die fünfte Zutat für ein gutes Bier
Aalener Bierbrauerei mit und aus Leidenschaft wird 350 Jahre
AALEN - Die altvorderen Aalener waren durstig. 1895, ist nachzulesen, trank jeder Aalener im Schnitt 300 Liter Bier pro Jahr. Ein Jahr zuvor war sogar ein Rekord aufgestellt worden. 22 918 Hektoliter des Hopfensafts flossen die nicht ganz 8000 Kehlen hinunter – Aalen war eine echte Bierstadt. Auch infrastrukturell. Immerhin 18 Brauereien versorgten die Aalener auf dem Höhepunkt der Brauerei-Dichte. Nur eine hat im Kernstadtgebiet überlebt. Die Aalener Löwenbräu feiert in dieser Woche ihr 350-jähriges Bestehen. Sie ist damit der älteste Handwerksbetrieb der Region und die älteste Brauerei Württembergs.
Barth wollte selbst entscheiden
Dieser Tradition fühlt sich der Familienbetrieb in vierter Generation noch heute verpflichtet. „Gut. ehrlich. schwäbisch“, steht auf den Flaschen. Der heutige Chef Albrecht Barth nennt sich „schwäbischer Bierbrauer aus Leidenschaft“und dass es die Brauerei am Fuß des Galgenbergs noch gibt, hat für ihn einen klaren Grund: Das Handwerk eben mit dieser Leidenschaft zu betreiben, auch wenn das nicht immer so war. Wenn er früher mit seinem Vater als „der Chef und der junge Braumeister“bezeichnet wurde, mochte er das überhaupt nicht. Denn er wollte selbst entscheiden, ob er in den Traditionsbetrieb einsteigen wollte oder nicht.
Tradition hat der Betrieb reichlich: Der Gründer Hans Winter kaufte am 2. Juli 1668 in Alt-Aalen die Hofstadt am Hospitalhof für 100 Gulden, am 5. November wurde das Bierbrauen gestattet, um „gut Bier zu machen“und „gut Steuer zu zahlen.“Aus dem so genannten „jungen Braumeister“ist dann 330 Jahre später tatsächlich einer geworden, weil Bier seine Leidenschaft ist, wie er sagt. Ihn reizt das Handwerk, aus Naturprodukten ganz ohne Chemie ein Produkt zu erwecken, das keine Schwankungen aufweist und immer so schmeckt, wie es soll. So wie die „Flaggschiffe“der Brauerei: das Löwen-Pils, das Hefe-Pils oder das „Spezial“, die „Halbe“in der bauchigen Euro-Flasche, an der man trotz anderer Flaschentrends festhält. „Wir sind „Halbe-Land“, sagt Barth. Er selber genießt aber auch gerne sein Hefeweizen.
Rohstoffe von so nah wie möglich
Gelernt hat Barth in der Privatbrauerei Meckatzer Löwenbräu im Allgäu. Seine Leidenschaft fürs Bierbrauen war schon immer mit Regionalität verbunden. Nicht umsonst ist er Sprecher der Aalener Agendagruppe „Regionalvermarktung“, im Herbst wird im Brauereihof der „Aalener Tag der Regionen“abgehalten. Alle Rohstoffe stammen aus der Region, so weit wie möglich. Die Gerste vom Härtsfeld, der Aromahopfen aus dem fränkischen Spalt. Das Wasser stammt vom Knöckling in Unterkochen. Barth schätzt es als Brauwasser von „sehr hoher Qualität“.
Darauf legte schon die „Aalener Bierbrauer-Ordnung“vom 22. Juli 1706 Wert: „Anderes denn sauber, lauter Wasser, gut Hopfen und Malz sollen sie nicht gebrauchen, bei Verwürkung des Biersiedens und Handwerks.“Mit der Hefe sind es vier Zutaten, aus denen Bier laut Reinheitsgebot von 1516 gebraut werden darf. Barth nennt noch eine weitere: Zeit. Als handwerklicher Brauer zwischen Tradition und Moderne hält der Brauerei-Chef gar nichts von den immer mehr auf den Markt drängenden „Turbo-Bieren“. Große IndustrieBrauereien würden diese forcieren, um Zeit und eben auch Geld zu sparen. Bier, das nach 25 Stunden „fertig“ist, – für Barth ein Greuel. Auch für die Konsumenten, erklärt er: Die sogenannten „Fusel-Alkohole“können zu einem unschönen „Tag danach“führen. „Ein hochwertiges Bier muss reifen“, sagt er und vergleicht das mit Käse, Schinken oder Balsamico-Essig, die eben auch entsprechend Zeit zum Reifen brauchen. Minimum sechs bis sieben Wochen, Starkbier bis zu drei Monate und manche Spezialitäten sogar noch länger bekommen die Biere Zeit. Immer schön kühl, klassisch, die Hefe bekommt Zeit in den alten, kühlen Kellergewölben. Eines der Gewölbe ist übrigens über 300 Jahre alt.
Die ganze Familie hilft mit
In dem Familienbetrieb hilft jeder mit, Ehefrau Hermine und die Kinder Lorenz, Anna, Jakob und Clara sind „mit Leib und Seele dabei“. Ob eines seiner Kinder in seine Fußstapfen tritt – abwarten.
Die Aalener Löwenbräu ist übers Jahr bei etwa 300 Veranstaltungen vertreten, sie beliefert den Lebensmittel- und den Einzelhandel. Viele Kunden holen ihre Kisten auch selber ab. Direktverkauf heißt die Losung. Da gibt es übrigens eine echte Kuriosität: Der Bierautomat im Hof hatte über Jahrzehnte lang so etwas wie Kultstatus. Es war ein echter Prototyp, es gibt weltweit nur diesen einen. Zu wenig Bier zur abendlichen Grillparty oder zum Geburtstagsumtrunk? Marke in den Schlitz und Klappe aus, hinter der der gekühlte Halbe-Kasten wartete. Der Automat musste aber leider aufgegeben werden mit dem Inkrafttreten des Verkaufsverbots für Alkohol nach 22 Uhr. Das ist zwar aufgehoben, dieser Automat wird aber trotzdem nicht wieder in Betrieb gehen. Dafür wird Anfang Oktober ein neuer Bierkasten-Automat installiert, mit dem vorgeschriebenen Altersnachweis mit EC-Karte oder Führerschein wie bei Zigarettenautomaten.
15 Sorten werden verkauft
Eine ganze Palette handwerklich gebrauter Spezialbiere steht zur Auswahl. Von den „Dauerbrennern“wie „SECHZEHN68“oder „Germanicus“bis zu saisonalen Bieren wie dem „Duften Radler“mit dem Aroma-Extrakt von Pelargonien (eine Geranienart) oder dem „Fass-NachtsBier“. 15 Sorten sind es, alle nach der Barth’schen Philosophie gebraut. Also fast so viele Sorten, wie es einst Brauereien in Aalen gab. Ach ja: Zu den drei Maß vom Anfang muss man sagen – es handelte sich um Schwach-Bier.
Am Donnerstag, 12. Juli, von 18.30 – 23 Uhr: Lange Nacht der offenen Brauerei. Am Freitag, 13. Juli, ab 20.20 Uhr: Pecha-Kucha-Nacht. Am Samstag, 14. Juli, 16.68 Uhr: Fassanstich, 350 Krüge Freibier, Stimmungsabend mit den D‘ Steirer Schwoba. Am Sonntag, 15. Juli, ab 10 Uhr Familiensonntag, musikalische Unterhaltung mit den Flotten Härtsfeldern. Ab 14 Uhr Unterhaltung durch die Rieser Trachtenkapelle, Brauereibesichtigung, ProBier-Meile, Kinderprogramm.