Wirbel um Schnüffel-Stärkung
Umstritten und legal: Russlands Nationalspieler inhalieren Ammoniak zur Leistungssteigerung – Experte sieht Handlung als verbotswürdig
MOSKAU (falx) - Beseelt vom Abschneiden der eigenen Nationalmannschaft grassiert in Russland weiter die WM-Euphorie, die die Gastgeber wohl auch mindestens bis zum Finale herüberretten werden. Daran Schuld ist vor allem die Sbornaja, die dank eines unbändigen Kampfgeistes und eines fast unglaublichen Laufvermögens in der K.o.-Phase mithalten konnte. Gegen die erst im Elfmeterschießen siegreichen Kroaten liefen die russischen Kicker ganze neun Kilometer mehr als der Gegner. Jedoch sorgt gerade dieser Fakt nicht nur bei einigen Anti-Doping-Experten für Argwohn.
Es sind nicht zuletzt die kleinen – nicht unbedingt verheimlichten, legalen – Tricks, die nun in der Sportwelt diskutiert werden. So fingen TV-Kameras in der Halbzeit des Viertelfinales ein, wie mehrere Spieler sich Wattebäusche unter die Nase hielten und tief einatmeten. Der Grund: Die Watte war mit Ammoniak getränkt, ein erlaubtes, aber umstrittenes Mittel zur Leistungssteigerung. „Ammoniak wirkt aufputschend, man verzögert die Ermüdung, ist also leistungsfähiger. Fasst man das zusammen, so wird Doping definiert. Für mich gehört das verboten“, sagte Doping-Experte Fritz Sörgel der „Bild“und weiter: „Im Fußball wird alles probiert, was irgendwie wirkt und nicht verboten ist. Dabei hat eine Kombination von Snus (Nikotin, d. Red.), Koffein und so was wie Ammoniak mindestens die gleiche Wirkung wie eine verbotene Stimulanz. Wir sehen im Fußball schon lange das Kombinations-Doping – mische alles, was geht, und es geht.“
Bei der weltweiten Anti-Doping Agentur ist die Sichtweise noch eine andere, weshalb auch die russischen Offiziellen jegliche Kritik zurückweisen. Schon zuvor hatte ein Verbandssprecher der „Süddeutschen Zeitung“zum Thema Ammoniak sarkastisch gesagt: „Außerdem benutzen russische Fußballer Shampoo, wenn sie duschen, und sie trinken Wasser, wenn es heiß wird.“Ein Standpunkt, der klar dem Motto: Erlaubt ist, was nicht verboten ist, folgt.
Doch schwingt gerade im Zusammenhang mit Russland auch immer der Fakt des nachgewiesenen Staatsdopings herüber, mit dem die Olympischen Winterspielen 2014 in Sotschi erst zu Medaillen- und dann zu Russland-Spielen wurden.
Auch bei der aktuellen WM blieben die russischen Kicker wegen ihrer Leistung im Fokus. Aber hatte nicht schon der McLaren-Report der Olympia-Doping-Fahnder im Zusammenhang mit dem russischen WM-Kader von 2014 von verdächtigen Proben gesprochen? Auch aktuell bekamen die Zweifler Nahrung: Am Arm von Stürmer Artjom Dsjuba fing die Kamera jüngst einen Einstich ein – eine Maßnahme zur Leistungsdiagnostik, hieß es. Erklärungen gibt es also reichlich – meist jedoch mit Geschmäckle. Was bleibt, ist ein Team, dem noch wenige Tage vor der WM wenig zugetraut wurde. Die Nummer 70 in der FIFA-Weltrangliste wurde gar im eigenen Land belächelt. Doch das ist – umstritten oder nicht – Vergangenheit.