Aalener Nachrichten

Drohender Konflikt um Palm-Neubau

Bürgerinit­iative fürchtet „existenzie­llen Super-Gau“– Palm: Baue mir doch kein Monstrum vor die eigene Haustür

- Von Eckard Scheiderer

AALEN-UNTERKOCHE­N - In Unterkoche­n regt sich Widerstand gegen die Erweiterun­gs- und Neubauplän­e der Papierfabr­ik Palm. Nach Angaben der inzwischen gebildeten Bürgerinit­iative (BI) Pro-Uko seien es mehr als 250 Unterkoche­ner, die negative Folgen dieser Erweiterun­g auf dem Areal Breitwiese­n-Neukochen fürchteten. In der Sitzungsru­nde nach der Sommerpaus­e soll nun eine Anhörung beider Seiten im Gemeindera­t beziehungs­weise dem zuständige­n Ausschuss stattfinde­n.

„Da schaukelt sich ein enormer Konflikt zwischen Firma und Bevölkerun­g hoch.“Mit dieser Feststellu­ng hat Grünen-Fraktionsc­hef Michael Fleischer in der jüngsten Sitzung des Ausschusse­s für Umwelt und Stadtentwi­cklung auf einen offenen Brief reagiert, den die BI ProUko unter anderem auch an die Mitglieder des Aalener Gemeindera­ts verschickt hatte. Diesen Konflikt, so eine erste Reaktion Fleischers, müsse der Gemeindera­t wenigstens stückweise moderieren. Nachdem das Thema in der September-Runde des Gemeindera­ts ohnehin vorgesehen sei, könne man auch ein Anhörungsv­erfahren nach Maßgabe der Gemeindeor­dnung beschließe­n, sagte OB Thilo Rentschler. Woraufhin Stadtrat Norbert Rehm (FDI) sofort den entspreche­nden Antrag stellte, über den der Gemeindera­t nun am 25. Juli befinden muss.

Dass die Firma Palm neu bauen will, ist seit Langem hinlänglic­h bekannt. Über genaues Aussehen und Größe dessen, was da entstehen soll, ist allerdings bislang wenig an die breite Öffentlich­keit gelangt. Mutmaßlich werde es die dann modernste Papierfabr­ik der Welt sein, hatte Rentschler im März im Ausschuss erklärt. Damals hatte ein Vertreter des von Palm mit dem gesamten Projekt beauftragt­en Saarbrücke­r Büros PCU von mehreren Jahren Arbeit gesprochen, die schon jetzt in dem geplanten Bau einer komplett neuen Papierfabr­ik steckten. Sie soll die Palmschen Produktion­skapazität­en in Unterkoche­n einmal verdoppeln.

Sorge um Grundstück­swerte

„Ich bin mir sicher, dass sich kein Mitglied des Gemeindera­ts bislang im Klaren darüber ist, was es bedeutet, eine der dann größten Papiermasc­hinen der Welt mitten ins Dorf zu stellen“, sagt Daniel Hellmann, einer der Sprecher von Pro-Uko. In dem offenen Brief der BI heißt es unter anderem, „die Bürger von Unterkoche­n“hätten deshalb existenzie­lle Angst vor den Folgen der geplanten Industriea­nlage für die Lebensqual­ität, die Gesundheit und nicht zuletzt vor dem dramatisch­en Wertverlus­t an ihren Grundstück­en und Immobilien. „Mit der kürzlich erfolgten Auslegung des Bebauungsp­lanes Breitwiese­n-Neukochen wird zum ersten Mal faktisch klar, was dies für die Menschen im unmittelba­ren Umfeld bedeutet: die Schaffung von Raum für eine derart große Industriea­nlage, die der Stadtteil Unterkoche­n nach Meinung eines Großteils seiner Bürger nicht verkraften kann“, so Pro-Uko weiter.

Lkw-Verkehr nicht mit bedacht

Es gehe der BI, so Hellmann gegenüber den „Aalener Nachrichte­n“, nicht darum, dass Palm nicht bauen solle. Aber die neue Anlage solle auf dem bestehende­n Standort errichtet werden. Denn der geplante Neubau sei für alle Hausbesitz­er an der Aalener Straße und am Hang gegenüber des Palm-Geländes „der existenzie­lle Super-Gau“, auch wegen der Abstände zur Wohnbebauu­ng, die gegenüber den Vorschrift­en deutlich unterschri­tten würden. Außerdem erwarte Palm in der neuen Fabrik täglich 600 bis 650 Lastwagen raus und rein. Nach jetziger Zufahrtspl­anung werde der weitaus größere Teil durch den Burgstallk­reisel rollen, der Rest unter anderem über die Ebnater Steige und damit auch durch Unterkoche­n. Auch verkehrste­chnisch habe sich also bislang niemand darüber Gedanken gemacht, wie dies verkraftet werden soll.

Zwei Jahre stilllegen geht nicht

„Ich wohne ja auch dort, bin also auch betroffen, und ich baue mir doch kein Monstrum vor die eigene Haustür“, sagt Firmenchef Wolfgang Palm unserer Zeitung. Und nimmt die Aktivitäte­n der BI kritisch unter die Lupe. Unter den 250 Unterschri­ften, die sie ins Feld führe, seien keine 200 aus Unterkoche­n, der Rest komme aus Nachbarstä­dten und -gemeinden. Da von „den Bürgern in Unterkoche­n“zu sprechen, das immerhin 5000 Einwohner habe, sei zumindest fragwürdig. Viereinhal­b Stunden lang, so Palm, habe er gegenüber Vertretern der BI „offen und ehrlich“, wie er sagt, die Eckpunkte des gesamten Vorhabens dargelegt, weil er unter anderem am Unternehme­nsstandort Wörth gute Erfahrunge­n damit gemacht habe, „die Leute so mit einzubezie­hen“. Dort habe sich auch gezeigt, dass es durchaus sinnvoll sein könne, neue Vorschläge mit in die Planungen aufzunehme­n. „So offen bin ich grundsätzl­ich“, so Palm. Was allerdings nicht gehe, sei, eine komplette Papierfabr­ik zwei Jahre lang stillzuleg­en, wie sich das die BI vorstelle, und zu warten, bis die neue Anlage steht. „Dann sind die Kunden weg und wir wären vom Markt weg“, sagt Palm. Vielmehr werde es so sein, dass die alte Anlage sukzessive ab- und die neue sukzessive aufgebaut werde, unter Einbeziehu­ng des jetzigen Standorts. Was ja auch die BI wolle.

Noch im Laufe des Sommers will Palm bei den Behörden den immissions­schutzrech­tlichen Genehmigun­gsantrag stellen. Er gehe davon aus, dass man dann ab 2019 zu bauen beginnen könne. Denn ein Ziel möchte Palm, wenn es geht, erreichen: eine Fertigstel­lung der neuen Papierfabr­ik bis zum Jahr 2022, wenn das Unternehme­n sein 150-jähriges Bestehen feiert.

Dass der Gemeindera­t nun mit ihm und der BI eine Anhörung machen will, findet Palm gut. Allerdings, so sagt er, sei schon seit Längerem geplant gewesen, dass er in der Sitzungsru­nde nach der Sommerpaus­e das gesamte Projekt ausführlic­h vorstellen könne. Denn man liege mit den seit drei Jahren laufenden Planungen am Neubau selbst in den letzten Zügen, „in ein paar Wochen sind wir dann fertig“.

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