Radweg am Gardasee verläuft streckenweise über dem Wasser
Wenn Mensch und Wasser nur noch ein schmales Band aus dünnem, geflochtenen Eisen trennt, befindet man sich in Limone am Gardasee. Denn dort gibt es jetzt eine neue Strecke für Radfahrer und Fußgänger. Der Weg ist Teil des Projektes „Garda by Bike“, das am Ende eine 140 Kilometer lange Radund Fußgängerstrecke entlang des beliebten Badesees in Norditalien vorsieht. Wegen der schmalen Küste bei Limone musste die Eisenkonstruktion am Berghang befestigt werden. Somit schwebt sie spektakulär rund 50 Meter über dem Wasser. Das sieben Millionen Euro teure Bauwerk ist zweieinhalb Kilometer lang und verläuft von Limone bis Riva del Garda. Damit schließt es an einer bereits existierenden Rad- und Fußgängerpiste an, die nun insgesamt zwölf Kilometer umfasst. (dpa)
Schon die Römer liebten ihren Benacus, wie der Gardasee gelegentlich noch genannt wird. Heute ist er ein Paradebeispiel für Wiederholungstäter, und im Sommer findet sich halb Deutschland ein. Warum eigentlich? „Wir fahren ja schon seit zehn Jahren an den See ...“Wer mit gerade mal zehn Jahren Gardasee-Erfahrung angeben will, kann gleich sagen, er sei das erste Mal am Lago. Der Gardasee ist ein Urlaubsziel für alle Generationen. Papa und Mama der 1960er-Jahre sind inzwischen Opa und Oma. Die Tochter war schon im Bauch ihrer Mutter am See und nach der Geburt die folgenden 34 Jahre, ehe sie – selbst schwanger – den Lago-Kreislauf weiter ankurbelt: Auch Klein-Lisa wird den See lieben lernen. Aus der „Casa Bottura“, nicht klassifiziert, für 20 Mark die Nacht, ist ein hübsches Vier-Sterne-Hotel mit Pool geworden. Und die armen Botturas von damals sind nicht nur selbst alt, sondern – wie so viele am See – auch reich geworden.
Liegt die Liebe zum See in den Genen? An schönsten Kindheitserinnerungen? Oder einfach an den tollen Burgen und süßen Häfen, den Olivenhainen und Zypressen, der Pizza aus dem Holzofen und den lauen Abenden bis nach Mitternacht? Die Mischung macht’s. Sie macht süchtig. Gardasee-süchtig.
Kürzester Fluss der Welt
Als Verursacher der Italien-Sehnsucht gilt Goethe. „Ein köstliches Schauspiel, der Gardasee“, schrieb er 1786 knapp. Und Tennislehrer Marino aus Cassone weiß, was dem Herrn Geheimrat verborgen blieb: „Wenn der gewusst hätte, dass der Aril einer der kürzesten Flüsse der Welt ist, hätte er sich hinrudern lassen“. Denn damals gab’s noch keine Straße dorthin. Der kleine Ort Cassone gehört heute zu Malcesine und in Cassone mündet der Ri, wie die Einheimischen sagen, als Zufluss im Gardasee. Das besondere am Aril ist, dass er sofort nach der Quelle mehrere Meter breit wird, unter Häusern, drei Brücken, einem kleinen See und einem Wasserfall durchfließt – und das alles auf nur 175 Metern.
Die alten Hasen unter den Gardasee-Urlaubern wissen das. Auch, dass der Pizza-Weltmeister aus Bardolino ausgerechnet von einem Australier entthront wurde, dass gewisse Leute aus Limone schriftliche Heiratsanträge aus den USA bekommen. „Wegen dem A-1“, erklärt Elide, Friseurin aus Limone. A-1 steht für Apolipoprotein, ein Protein, das die Adern säubert, wie Domestos die Küchenrohre, vererbt werden kann und für ein langes Leben sorgt. Limone hat deshalb die älteste Bevölkerung in Italien. „Was die Amis nicht wissen: Ihnen würde eine Heirat gar nichts nützen. Es ist ja eine reine Gensache!“, fügt Elide an.
Die mondänste Zeit erlebte der Gardasee zur Zeit der K.u.K.-Monarchie, als die High-Society der Literatur, wie Ibsen, Kafka, Rilke, Nietzsche, D. H. Lawrence oder Thomas Mann, den damals deutschsprachigen Norden zwischen Riva und Torbole bevölkerte und sich inspirieren ließ. Heinrich Mann kam sogar 20 Mal zu Besuch.
Damals und lange Zeit danach war der See noch ein armes Gebiet, bewohnt von Fischern, Oliven- und Bergbauern. In den 1950er-Jahren hielt der Camping-, in den 1960erJahren der Albergo-Tourismus Einzug. Mit der Mistgabel verscheuchte man zunächst die Kühe, um Platz für Zelte zu machen. Und etwas später wurde das Kinderzimmer im Sommer vermietet, um ein Bett anbieten zu können. Erst nach und nach wurde das Niveau angehoben, und die ersten privaten Hotels mit ein paar Zimmern entstanden. Jetzt beherrschen Drei- und Vier-Sterne-Häuser den See – ohne Snobs und George Clooney wie am Comer See. Viele der Besucher haben die Entwicklung Jahr für Jahr miterlebt. Das bindet, das bringt Freundschaften und da kommt man auch schon mal außerhalb der Sommerferien, um im fast verlassenen Dorf Campo, das nur noch von fünf Menschen bewohnt wird und zu Brenzone gehört, mit italienischen Freunden den Ostermontag zu feiern. Mit Spaghetti con le sarde, die nach der Messe in großen Kupferkesseln auf offenem Feuer gekocht und kostenfrei gereicht werden. Solche Traditionen machen aus einem Urlaubs- ein Sehnsuchtsziel.
Natürlich gibt es auch praktische Antworten auf die Frage, warum der Lago von den meisten immer wieder besucht wird. Etwa die Freizeitparks um den Pionier Gardaland bei Peschiera, der Sporttourismus, die Riesenauswahl an Campingplätzen. Und in der Nebensaison kommen die Bustouristen mit Senioren, die den Lago nach Jahren der Abstinenz wieder entdecken. In Zahlen ausgedrückt, liest sich die Gardasee-Sehnsucht im 21. Jahrhundert wie folgt: Geschätzte fünf Millionen Übernachtungsund Tagesgäste, davon knapp zwei Drittel aus Deutschland, lassen pro Jahr an die drei Milliarden Euro am See. Und einige sicher auch deutlich mehr als der Durchschnittsbürger: König Juan Carlos etwa, Prinz Charles oder die Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker und Horst Köhler. Anders als der Durchschnitt kam jeder der Herren aber nur einmal – und das ist nach Gardasee-Arithmetik keinmal, wenn zehn Mal doch nur wie einmal zählt.
Der Gardasee ist politisch in drei Provinzen aufgeteilt. Der Norden gehört zum Trentino Veneto der Westen zur Lombardei der Osten zum
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