Gomez tritt aus Nationalelf zurück
Riesige Euphorie beim Saisoneröffnungsfest des VfB Stuttgart – wieso Mario Gomez aus DFB-Elf zurücktritt
STUTTGART (dpa/zak) -Mario Gomez ist aus der Fußball-Nationalmannschaft zurückgetreten. Der aus Unlingen (Landkreis Biberach) stammende Angreifer des Bundesligisten VfB Stuttgart erklärte dies am Sonntag auf Facebook. Der 33-Jährige ist nach Mesut Özil der zweite Auswahlspieler, der nach dem Vorrunden-Aus bei der Weltmeisterschaft in Russland seinen Rücktritt erklärt.
STUTTGART – Dass Mario Gomez am Sonntag nach 78 Partien aus der Nationalmannschaft zurückgetreten ist, war am gefühlt heißesten Tag des Jahres in Stuttgart eher eine Randerscheinung. Anderes war bemerkenswerter beim offiziellen Saisonauftakt des Fußball-Bundesligisten, beim sogenannten „Tag des Brustrings“, zuvorderst der Massenauflauf vor der Mercedes-Benz-Arena.
Im 125. Jahr seines Bestehens ist der VfB vitaler denn je, und er zieht so viel Begeisterte an wie nie. 60 000 kamen, um den neuen Mannschaftsbus zu bewundern, auf dem alle Unterschriften der 65 000 Mitglieder verewigt sind, um Autogramme ihrer Lieben zu sammeln und den Worten von Club-Präsident Wolfgang Dietrich zu lauschen. Und natürlich, um am Ende noch das 1:1 des VfB im Test gegen das Weltklasseteam von Atlético Madrid zu beobachten.
60 000 Menschen beim Saisoneröffnungsfest – eine Wahnsinnszahl. „Dass das Stadion mitten in der Urlaubszeit ausverkauft ist, zeigt, wie groß die Euphorie im Ländle ist“, staunte auch Trainer Tayfun Korkut.
Gomez’ selbstlose Abschiedserklärung vom DFB
Der VfB-Trainer ist nicht ganz unschuldig an der Chose. 31 Zähler hat er in seinen bis dato 14 Spielen geholt, 2,21 im Schnitt, zuvor waren es in seinen knapp 100 Partien als Bundesligatrainer 1,11 Punkte im Mittel gewesen. Platz sieben war das Endergebnis in der Tabelle – der nur deshalb nicht zur Qualifikation für die Europa League berechtigte, weil Eintracht Frankfurt den DFB-Pokal holte. Doch dafür kann Korkut nix. Der Kreuziget-Ihn-Coach ist längst zur Hosiannagestalt geworden am Neckar, jüngst nach dem 3:3 im Test bei Regionalligist Illertissen hatte er kurz Stellung dazu bezogen: Diese Statistiken, alle Statistiken prinzipiell, interessierten ihn nicht, sagte Korkut. „Das ist immer Vergangenheit, und wir sind immer im Jetzt, vor der neuen Aufgabe.“Auch mit Worten wie Stolz oder Genugtuung kann er nicht viel anfangen. Korkut hat sich offenbar antrainiert, über der Kritik zu stehen.
Ob er seinem mit acht Stars und für 35 Millionen Euro verstärkten Kader antrainieren kann, künftig noch schöner zu spielen als in der Rückrunde, als der VfB dank seiner fast außerirdischen Effizienz Zweiter wurde, ist dagegen die Frage. Gegen Madrid, das ohne Weltmeister Antoine Griezmann antrat, war nicht allzuviel davon zu sehen bei den Stuttgartern, denen man das Fehlen von Kapitän Christian Gentner und Weltmeister Benjamin Pavard anmerkte. Der VfB hatte Glück, dass er bei einem Pfostentreffer von Thomas Lemar nicht in Rückstand geriet (20.), Torjäger Gomez war bei einer Kopfballchance zu überrascht, um zu knipsen.
Wenige Stunden zuvor hatte der 33-jährige Torjäger aus Unlingen seinen Rücktritt aus der Nationalelf publiziert – via Facebook. „Meine Zeit in der Nationalmannschaft war sportlich nicht immer einfach, nicht immer erfolgreich und doch wunderschön! Nun ist es aber an der Zeit, Platz zu machen und den vielen jungen und hochtalentierten Jungs die Möglichkeit zu geben, ihren Traum zu erfüllen, sich zu beweisen, Erfahrungen zu sammeln und das Beste für Deutschland zu erreichen“, schrieb Gomez, der in seinen 78 Partien 31 Tore erzielte und an zwei Weltmeisterschaften (2010 und 2018) und an drei Europameisterschaften (2008, 2012, 2016) teilnahm.
Eine sehr selbstlose Erklärung. Ob der Vater eines Babys mit seinem Rücktritt einer Nicht-mehr-Nominierung durch Bundestrainer Joachim Löw zuvorkommen wollte, der Rückzug womöglich sogar abgesprochen war – ist wie so oft bei verdienten Spielern die Frage.
Nach dem Test gegen Atlético erklärte Gomez noch, dass seine Entscheidung nicht aus dem Nichts kam: „Ich hatte schon vor der WM entschieden, dass ich Platz machen will. Die Entscheidung steht schon ganz lange. Ich bin jetzt 33, und ich bin auch kein Blender. So sehr ich die Nationalmannschaft liebe, weiß ich auch, dass die Zukunft nicht auf den Schultern eines 33-Jährigen liegt“, sagt er.
VfB- Sportvorstand Michael Reschke nötigte es Respekt ab, dass Gomez noch ein ebenso selbstloses Angebot anfügte. „Nur wenn der Trainer in zwei Jahren bei der EM aus unwahrscheinlichen Gründen Bedarf sieht und ich mich auch wirklich noch in der Verfassung fühle, helfen zu können, werde ich dann selbstverständlich bereitstehen“, so Gomez.
Beim VfB Stuttgart wird Gomez noch gebraucht
Beim VfB wird Gomez in jedem Fall noch gebraucht werden, jetzt, wo Daniel Ginczek weg in Wolfsburg ist. Sein Ersatz Nicolás Gonzalez deutete mit einer Blutgrätsche an der Seitenlinie gegen zwei Spanier immerhin an, dass er mit allen Mitteln gewillt ist, in die Mannschaft zu kommen. Gebraucht wird auch Daniel Didavi. Der enorm starke Rückkehrer aus Wolfsburg verwandelte nicht nur souverän den Elfmeter zum 1:0 (58.), er war zuvor auch selbst gefoult worden. Dass der VfB im Gegenzug durch einen unhaltbaren 22-MeterAufsetzer von Joaquin Munoz den Ausgleich kassierte (60.), war einerlei. Ebenso der an die Latte gedonnerte Elfmeter von Erik Thommy (72.), den der eingewechselte Borna Sosa mittels eines glänzenden Solos ermöglicht hatte. Denn die VfB-Fans hatten auch trotz des eher beliebigen Kicks ihre Freude. Vielleicht auch, weil sie zuvor endlich einmal all ihre Lieblinge auf einen Fleck sehen durften.
Klinsmann, Pardo, Hildebrand, Armin Veh, Felix Magath, Elber, Balakov und Fredi Bobic, als Manager wenig erfolgreich, aber eben der dritte Teil des magischen Dreiecks – alle waren für ein Einlagespiel angereist, die Fans ließen die Altgedienten hochleben. „Für alle, die den VfB im Herzen haben, war es ein unvergesslicher Tag“, meinte Christoph Daum, der Tayfun Korkut noch etwas voraus hat. Er wurde 1992 Meister mit den Weiß-Roten. Mehr als nur eine Statistik.