Deutsch-deutscher Chor begeistert in der Stadtkirche
Der Leipziger Organist Stefan Kießling bringt Johann Sebastian Bach zum Klingen
ELLWANGEN - Einen kirchenmusikalischen Leckerbissen mit Gänsehautfeeling hat die evangelische Kirchengemeinde mit dem Konzert des Deutsch-deutschen Kammerchores am Donnerstagabend in der Stadtkirche rund hundert Zuhörern serviert. Das eineinhalbstündige Konzert unter Leitung von Professorin Hannelotte Pardall aus Hamburg offerierte sowohl eine Bach-Motette als auch Werke moderner Komponisten. Für Instrumentalmusik zwischen den Gesangsstücken sorgte der Leipziger Organist Stefan Kießling.
Auf seiner zweiwöchigen Konzertreise hat der Deutsch-deutsche Kammerchor mit anspruchsvollen Werken der geistlichen A-cappellaLiteratur in Ellwangen Station gemacht. Der gut 30 Sängerinnen und Sänger zählende Chor trifft sich einmal im Jahr, jeweils im Sommer, um geistliche Musik von der Renaissance bis zur Gegenwart einzustudieren und aufzuführen.
Ungewöhnliche Aufstellung, einzigartiges Klangerlebnis
Sphärisch polyphon und mystisch mutete das Eingangslied an. Es war der Hymnus „Adoro te“(die Anbetung der Eucharistie) des zeitgenössischen norwegischen Komponisten Knut Nystedt, nach einer Vorlage von Thomas von Aquin. Der 2014 verstorbene Nystedt entwickelte durch das Studium gregorianischer Musik einen eigenen Personalstil und berücksichtigte auch Elemente der Zwölftontechnik und avantgardistische Verfahren. Der Chor präsentierte das Werk in einer U-Aufstellung: Die Sängerinnen und Sänger postierten sich verteilt links und rechts im Kirchenraum und vor dem Altar. Ein einzigartiges Klangerlebnis dank der hervorragenden Akustik der Stadtkirche.
Mit Olivier Messiaens Motette zum Heiligen Sakrament mit dem Titel „O sacrum convivium!“wählte der Chor ein getragenes feierliches Stück aus, sozusagen eine Abendmahlskomposition. Im Zentrum des Programms stand jedoch Johann Sebastian Bachs Motette für fünf Stimmen „Jesu, meine Freude“(BWV 227). In der vermutlich für ein Begräbnis geschaffenen Komposition sind sechs Strophen des gleichnamigen Kirchenliedes von Johann Franck auf eine Melodie von Johann Crüger mit Passagen aus dem Römerbrief des Apostels Paulus kunstvoll verschränkt.
„O Herr, mache mich zum Werkzeug deines Friedens“: mit dieser 1946 entstandenen Motette des Frankfurters Kurt Hessenberg (1908 – 1994) für sechsstimmigen gemischten Chor nach Worten von Franz von Assisi beendete der Deutsch-deutsche Kammerchor sein Konzert. Beeindruckend bei dieser breit und mit dramatischem Gestus entfalteten Bitte um Frieden waren die Wechselgesänge der Frauen und der Männer, getrennt vorgetragen nach positiven und negativen Aussagen, etwa dem Kontrast zwischen „und wer da stirbet“und „der erwacht zum ewigen Leben“. Die Zuhörer überschütteten den Chor mit Beifall. Als Zugabe gab es das „Abendlied“von Josef Gabriel Rheinberger.
Der international bekannte Leipziger Organist Stefan Kießling wählte für seine beiden Partien Choralbearbeitungen von Johann Sebastian Bach wie „Wachet auf, ruft uns die Stimme“und „Wer nur den lieben Gott lässt walten“. Allein 2018 stehen Konzertreisen nach Hongkong, Singapur, Russland, Norwegen und Ägypten in seinem Kalender.
Chormusik sollte deutsche Teilung überwinden
Der Name des Deutsch-deutschen Kammerchores geht zurück auf das Frühjahr 1989. Damals gab es trotz deutscher Teilung gegenseitige Besuche und gemeinsame Konzerte von Studenten der Kirchenmusikschulen Halle (Saale) und Herford. Der Plan, im Sommer 1990 eine gemeinsame Konzertreise durch die DDR zu machen, erhielt durch die politischen Ereignisse plötzlich neue Voraussetzungen. So ist der Chor eng mit der Wiedervereinigung verbunden. Auftritte gab es seitdem in ganz Deutschland, aber auch in den Nachbarländern Belgien, Dänemark, Frankreich, Luxemburg und Polen.