Der Felchen
Blick auf die Evolutionsgeschichte des Bodenseefischs
Mit einer Fläche von 536 km2 und einer maximalen Tiefe von 251 Metern ist der Bodensee eines der größten Binnengewässer in Mitteleuropa. Entsprechend vielfältig ist seine Fischwelt. Neben zahlreichen Karpfenartigen kommen im Bodensee auch verschiedene Felchenarten vor. Ihre Evolutionsgeschichte ist äußerst spannend und wechselvoll.
Der Bodensee ist das größte Stillgewässer in Mitteleuropa. Er ist vor rund 12 000 Jahren am Ende der letzten Eiszeit entstanden. In ihm leben gegenwärtig über 40 verschiedene Fischarten. Die meisten davon gehören zu den sogenannten Weißfischen, Vertretern aus der Familie der Karpfenartigen. Die wirtschaftlich wichtigsten Fische im Bodensee aber sind die Felchen. Sie sind als Speisefische wegen ihres grätenarmen und schmackhaften Fleisches äußerst geschätzt und werden entsprechend in großen Mengen gefangen.
Eine schwierige Gattung
Felchen gehören systematisch zur Familie der Lachsfische und stellen deren artenreichste Gruppe dar. In Mitteleuropa kam es nach dem Ende der letzten Eiszeit zur Bildung zahlreicher Gletscherrandseen, in welchen sich in wenigen Tausend Jahren eine große Fischvielfalt entwickelte. Genetische Untersuchungen deuten darauf hin, dass die im Bodensee vorkommenden Felchenarten aus einer gemeinsamen Vorläuferart entstanden sind. Aktuell werden im Bodensee vier Arten unterschieden: Der Sandfelchen (Coregonus arenicolus), der Gangfisch (Coregonus macrophthalmus), der Blaufelchen (Coregonus wartmanni) und der Kilch (Coregonus gutturosus). Letzterer gilt als ausgestorben. Die Arten sind äußerlich schwierig zu unterscheiden. Felchen ernähren sich in erster Linie von Kleinstlebewesen wie den im offenen Wasser vorkommenden Flohkrebsen. Deren Zahl wird durch die Verfügbarkeit von Phytoplankton bestimmt und dieses wiederum durch das Vorhandensein anorganischer Stoffe wie Phosphat. Durch einen übermäßigen Phosphat-Eintrag kam es ab 1950 im Bodensee immer wieder zu großen Algenblüten und einem Aufzehren des Sauerstoffs in größeren Wassertiefen. Nachdem ab 1980 phosphatarme Waschmittel aufkamen und in den Kläranlagen Phosphat ausgefällt wurde, sank dessen Pegel rasch auf einen Wert der Zeit vor 1950. Dennoch hat die Überdüngung zum Verschwinden des im tieferen Wasser lebenden Kilchs geführt, wie eine neuere Studie belegt. Ob sich nach der Wiederherstellung des ursprünglichen Phosphat-Niveaus die Arten wieder auftrennen werden, bleibt abzuwarten. Den Fischern jedenfalls machen viel mehr die Abnahme der Gesamtbestände und die sinkenden Erträge zu schaffen. Der Beitrag erscheint im Jubiläumsband: Harald Derschka/Jürgen Klöckler (Hg.): Der Bodensee. Natur und Geschichte aus 150 Perspektiven. Thorbecke Verlag 2018. 25 Euro.