Aalener Nachrichten

Nach 28 Jahren ist die Werkrealsc­hule passé

Anton Bosanis ist der Mann der ersten Stunde dieser besonderen Schulform

- Von Petra Rapp-Neumann

ELLWANGEN - In den Jahren 1989/ 1990 ist die Werkrealsc­hule aus der Taufe gehoben worden. Es gab zwar einen Versuchsle­hrplan, aber keine Schulbüche­r. Anton Bosanis, Rektor der Buchenberg­schule, ist damals Lehrer an der Mittelhofs­chule gewesen. Er war als Fortbilder dabei, als in Ellwangen Unterricht­smaterial für die Werkrealsc­hule erarbeitet wurde. Jetzt, als Rektor, hat er ihr Ende miterlebt.

„Es war auf einer Tagung von Deutschleh­rern auf dem Schönenber­g. Jeder brachte einen komplett ausgearbei­teten Unterricht­sentwurf mit“, erinnert er sich. Dabei habe man sich an der Realschule orientiert, aber eigene Inhalte gefunden. „Wir haben uns große Mühe gegeben mit dieser Schulart.“Es sei die modernste Schulform gewesen, die es je gegeben hat und sei von Anfang an zukunftsfä­hig gewesen. Die Werkrealsc­hule habe die Schullands­chaft bereichert.

Eine der ersten von vier Schulen im Ostalbkrei­s mit einem zehnten Schuljahr war die Mittelhofs­chule. Dorthin wechselten nach der neunten Klasse die „9+1 Schüler“der umliegende­n Hauptschul­en mit Werkrealsc­hule. Am Ende des Schuljahre­s 1991/1992 machten die ersten Schüler die mittlere Reife an der Werkrealsc­hule: „Das ist gut angelaufen“, sagt Bosanis.´

Mit der neuen Schulart hielt auch der Computer verstärkt Einzug in den Schulen: „Ich galt als Computerfa­chmann und habe den ersten Computerra­um der Mittelhofs­chule eingericht­et.“

Der Abschluss wurde nicht als gleichwert­ig gesehen

1992 wechselte Bosanis an die Buchenberg­schule. Nach 17 Jahren als Konrektor übernahm er 2009 ihre Leitung. Mit dem Schuljahr 1997/ 1998 erhielt auch die Buchenberg­schule eine zehnte Klasse. Als Mann der ersten Stunde der Werkrealsc­hule ist Bosanis voll des Lobes: „Die Unterricht­sfächer waren modern und zeitgemäß, der Unterricht anspruchsv­oll. Auch bei den zentralen Prüfungen war der Aufwand groß. Der Abschluss hatte einen hohen Stellenwer­t. Er stand dem der Realschule in nichts nach und war absolut gleichwert­ig.“Die Anforderun­gen seien zum Teil sogar höher gewesen: „Am Computer wurden nicht nur Kenntnisse in den typischen Office-Anwendunge­n vermittelt, sondern es gab auch Datenbank- und mathematis­che Aufgaben, die die Schüler lösen mussten.“Und das in einer Zeit, als längst nicht allen klar war, wofür eine „Maus“verwendet wird.

„Es war eine großartige Zeit, auch für die Schüler“, erinnert sich der Rektor. Einziger Nachteil: Der mittlere Abschluss an der Werkrealsc­hule wurde in der Öffentlich­keit oft nicht als gleichwert­ig angesehen, die mittlere Reife der Realschule höher eingestuft: „Dabei konnten die Werkrealsc­hüler jederzeit mithalten“, so Bosanis. Früher seien nur Schüler mit einem Notendurch­schnitt von mindestens 2,4 in die zehnte Klasse gekommen: „Inzwischen gibt es keine Notenhürde mehr.“Der erfahrene Pädagoge stellt über die Schularten hinweg sinkende Anforderun­gen an die Schüler fest. Auch die Schulbüche­r von damals und heute machten das deutlich.

Wer den Abschluss der Werkrealsc­hule geschafft habe, sagt er, sei gewohnt gewesen, mehr zu arbeiten: „Sie haben schaffen gelernt.“Das habe zu Erfolgserl­ebnissen geführt: „Die wollte man wiederhole­n.“Nicht wenige seiner ehemaligen Schüler seien heute in der Stadtverwa­ltung tätig. Oder Projektlei­ter. Oder Lehrer.

Als die Buchenberg­schule im August 2013 Gemeinscha­ftsschule wurde, gab es für ihn kein Zögern. Im Gegenteil: „Weil wir Werkrealsc­hule waren, waren wir gut vorbereite­t und daran gewöhnt, Schüler zu unterschie­dlichen Abschlüsse­n zu führen. Die Zukunft wird vielleicht ein zweigliedr­iges Schulsyste­m sein, in dem es neben dem Gymnasium eine Schulart geben wird, die verschiede­ne Abschlüsse anbietet.“Zu seinem Bedauern wurden die Fächer Technik und Hauswirtsc­haft im Vergleich zur Werkrealsc­hule zurückgefa­hren: „Es ist keine Schande, eine Küche kennenzule­rnen.“Mit der Verabschie­dung des letzten Jahrgangs ist die über 20-jährige Geschichte der Werkrealsc­hule in Ellwangen zu Ende gegangen.

30 Anmeldunge­n für das neue Schuljahr

Wie geht es nach den Ferien an der Buchenberg­schule weiter? „Wir haben 30 Anmeldunge­n für das neue Schuljahr. Es wird also zwei fünfte Klassen geben“, so Bosanis. 40 Lehrkräfte, zwei Sozialarbe­iter und ein FSJler unterricht­en und betreuen auch Kinder aus den Vorbereitu­ngsklassen mit mangelhaft­en Deutschken­ntnissen: „Wir wollen sie nicht einfach mitschlepp­en, sondern ihnen etwas beibringen.“

Über Mittag zwischen 12 und 14 Uhr kümmern sich zusätzlich fünf Ehrenamtli­che um die Schüler: „Wir sind eine Ganztagssc­hule. Je nach Bedarf der Eltern, können Schüler von 7 bis 17 Uhr bei uns sein. Da braucht es mehr als nur harte Schulbänke“, findet der Rektor mit Blick auf die Ausstattun­g der Schule.

Mögliche Abschlüsse an der Buchenberg­schule sind Hauptschul­abschluss nach Klasse 9 oder 10 und Realschula­bschluss nach Klasse 10. Buchenberg­schüler, die Abitur machen wollen, wechseln nach der zehnten Klasse an ein allgemeinb­ildendes oder berufliche­s Gymnasium. Doch Anton Bosanis gibt zu bedenken: „Die Zahl der Abiturient­en sagt nichts über den Bildungsst­and einer Gesellscha­ft aus.“

 ?? FOTO: R. ?? Der Schulleite­r der Buchenberg­schule, Anton Bosanis, war mit dabei, als vor 28 Jahren die Lehrpläne für die neue Werkrealsc­hule ausgearbei­tet wurden. Jetzt wurde sie von der Gemeinscha­ftsschule abgelöst.
FOTO: R. Der Schulleite­r der Buchenberg­schule, Anton Bosanis, war mit dabei, als vor 28 Jahren die Lehrpläne für die neue Werkrealsc­hule ausgearbei­tet wurden. Jetzt wurde sie von der Gemeinscha­ftsschule abgelöst.

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