Aalener Nachrichten

„Kommunalpo­litik ist keine Rechthaber­ei“

SPD-Fraktionsc­hefin Senta D’Onofrio macht sich Sorgen, wie der Gemeindera­t künftig noch funktionie­ren soll

- Von Eckard Scheiderer online

AALEN - Nach der Klage der Grünen gegen den ganzen Gemeindera­t und aufgrund der Stimmung, die sie momentan im obersten Entscheidu­ngsgremium der Stadt wahrnimmt, macht sich Senta D’Onofrio ernsthafte Sorgen darüber, wie Kommunalpo­litik und der Gemeindera­t in Aalen künftig überhaupt noch funktionie­ren sollen. „Kommunalpo­litik ist keine Rechthaber­ei, und wir müssen auch nicht die bessere Verwaltung sein“, sagt die Vorsitzend­e der SPDFraktio­n im Gemeindera­t im Sommergesp­räch mit den „Aalener Nachrichte­n“. In dem sie sich angesichts dieser Situation auch Gedanken darüber macht, ob überhaupt noch ausreichen­d Menschen Lust haben, bei den Kommunalwa­hlen im Mai kommenden Jahres zu kandidiere­n.

„Wie weit sind wir im Umgang miteinande­r eigentlich gekommen, dass wir zu solchen Mitteln greifen?“, fragt sich die Frontfrau der SPD im Rat angesichts der Tatsache, dass in ganz Baden-Württember­g bislang noch nie eine einzelne Fraktion einen ganzen Gemeindera­t verklagt habe. „Eigentlich ist das Wahnsinn, denn es schadet der ganzen Stadt“, ist D’Onofrio überzeugt.

„Klage schafft Unfrieden und vergiftet die Stimmung“

Die Motivation der Grünen für deren Klage beim Verwaltung­sgericht wegen der Aufhebung des Vertrags mit dem ehemaligen Stadtwerke-Chef Cord Müller, die sich gegen den Gemeindera­t und gegen OB Thilo Rentschler richtet, ist ihr bis heute ein Rätsel. „Mit dem Wohl der Stadt hat dies nichts mehr zu tun, es schafft vielmehr Unfrieden und vergiftet die Stimmung“, sagt die Rechtsanwä­ltin und Mutter zweier Söhne. Sollte dies, so D’Onofrio, allerdings dazu führen – was möglicherw­eise ja auch dahinterst­ecke –, dass die Grünen bei der Wahl zum Gemeindera­t noch mehr Stimmen bekämen, „dann ist es mir ein weiteres Rätsel, wie der Gemeindera­t künftig überhaupt noch funktionie­ren soll“.

„Wir können unglaublic­h viel gestalten“, ist die SPD-Fraktionsc­hefin überzeugt. Wenn sich der Gemeindera­t allerdings nur noch „mit formalem Kram“beschäftig­en müsse, wenn Teile davon glaubten, die bessere Verwaltung zu sein und wenn nur noch Rechthaber­ei die Oberhand gewinne, „dann kann man guten Gewissens wirklich niemand mehr raten, für den Gemeindera­t zu kandidiere­n“. Und wie sieht sich die SPD aktuell selbst aufgestell­t? Nach dem heftigen Gerangel um die Beigeordne­tenwahl im November 2015 und nach anschließe­nden, nicht minder heftigen parteiinte­rnen Auseinande­rsetzungen in

„In der Außenwirku­ng merken wir schon, dass uns bei der Manpower zwei Leute fehlen.“

Fraktion, Orts- und vor allem Stadtverba­nd hat sie im Gemeindera­t immerhin zwei ihrer bis dato elf Sitze verloren. Wobei D’Onofrio dem so widerspric­ht: „Wir haben ja nie zwei Sitze verloren. Es haben im Laufe dieser Wahlperiod­e zwei Stadträte ihr SPD-Mandat in eine andere Fraktion mitgenomme­n, das ist ein Unterschie­d“, beschreibt sie den Wechsel von Ulrich Klauck und Ralf Meiser zu den Grünen aus ihrer Sicht. Die Wunden aus all dem, das räumt D’Onofrio ein, seien immer noch nicht ganz verheilt. Vor allem im SPD-Stadtverba­nd sei unterschwe­llig immer noch ein gewisses Misstrauen vorhanden. Obwohl dessen Vorsitzend­er Albrecht Schmid hier viel Zeit und Herzblut investiere, unter anderem auch, um positiv und motivieren­d in die einzelnen Ortsverbän­de hineinzuwi­rken. Mit seiner Erfahrung und seiner ruhigen Art sei er genau der Richtige gewesen, um nach allen Auseinande­rsetzungen den Stadtverba­nd zu führen. „Aus der Gemeindera­tsfraktion“, so sagt D’Onofrio aus voller Überzeugun­g, „ist der Zwist aber heraus.“Hier herrschten gute Stimmung und eine offene Diskussion­skultur. „In der Außenwirku­ng merken wir schon, dass uns bei der Manpower zwei Leute fehlen“, räumt sie ein.

Ziel für Kommunalwa­hlen: Zweitstärk­ste Fraktion werden

Im Hinblick auf die Kommunalwa­hlen im Mai kommenden Jahres ist für Senta D’Onofrio deshalb das Ziel klar: Mindestens wieder elf Sitze zu erreichen und wieder zweitstärk­ste Fraktion im Gemeindera­t zu werden, wäre aus ihrer Sicht schon deshalb gut, „weil die zweitstärk­ste Fraktion auch einen Bürgermeis­ter vorschlage­n kann“. Bei der vorletzten Wahl, daran erinnert sie außerdem, habe die SPD sogar 13 Mandate erreicht. Leicht, so räumt die Fraktionsc­hefin ein, sei es derzeit nicht, Menschen zu begeistern, für ein kommunales Mandat zu kandidiere­n. Viele wollten sich auf eine langfristi­ge, verbindlic­he und regelmäßig­e Bindung im Ehrenamt ohnehin nicht mehr einlassen. Es gebe inzwischen aber auch die Rückfrage, weshalb man ausgerechn­et für diesen Gemeindera­t kandidiere­n solle. Dennoch wolle sich die SPD, so D’Onofrio, darum bemühen, in allen Stadtbezir­ken mit vollen Listen antreten zu können, auch dort, „wo wir traditione­ll nicht so vernetzt und verwurzelt sind“. Denn keine vollen Listen für eine Kommunalwa­hl zu haben, „ist immer kein gute Signal“.

„Es wird in Aalen relativ teuer gebaut, und was bislang für die übrig bleibt, die wirklich dringend eine Wohnung suchen, ist viel zu wenig.“

Die Themen, mit denen die SPD im Mai nächsten Jahres punkten will, sind aus D’Onofrios Sicht schon relativ klar: zum Beispiel mehr und gezieltere Seniorenar­beit dort, „wo Senioren durchs Raster zu fallen drohen“, ein noch entschloss­eneres Vorgehen bei der Digitalisi­erung an den Schulen, „damit wir dort nicht abgehängt werden“, oder Überlegung­en, wie eigentlich Kinderbetr­euung ab Klasse fünf aussehen könnte – „da sind wir in Aalen fast blank“. Beim Wohnungsba­u will die SPD darauf pochen, dass die 25-Prozent-Quote für geförderte­n, bezahlbare­n Wohnraum konsequent durchgeset­zt wird. „Es wird in Aalen relativ teuer gebaut, und was bislang für die übrig bleibt, die wirklich dringend eine Wohnung suchen, ist viel zu wenig“, ist D’Onofrio überzeugt.

Erst mal keine neuen Bauprojekt­e mehr anschieben

Neue bauliche Projekte anzuschieb­en, davon hält die SPD-Fraktionsc­hefin wenig. „Wir müssen erst einmal das abarbeiten, das begonnen ist“, meint sie unter anderem mit Blick auf die Bäder und den Kulturbahn­hof. Mit einer Ausnahme allerdings: Das Thema Rathaus sei zwar keines, mit dem man viele Wählerpunk­te sammeln könne. Allerdings müsse man bei der Frage, wie die Zukunft des Rathauses baulich aussehen solle, auch an die städtische­n Mitarbeite­r und vor allem an die Gewinnung von gutem Personal denken. Deshalb finde sie es, so D’Onofrio, „sehr schade“, dass das Thema Rathaus auf Betreiben der CDU im Prinzip schon jetzt ganz in den künftigen Gemeindera­t verschoben worden sei.

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FOTO: THOMAS SIEDLER SPD-Fraktionsc­hefin Senta D’Onofrio zweifelt angesichts der aktuellen Situation an der künftigen Arbeit des Aalener Gemeindera­ts.

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