DLRG fordert mehr Schwimmunterricht
DLRG warnt angesichts vieler Badetoter vor Bäderschließungen
RAVENSBURG (dre) - Die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft warnt davor, dass die Menschen hierzulande das Schwimmen verlernen. Angesichts der hohen Zahl an Badetoten in diesem Jahr sieht die DLRG im Südwesten vor allem Probleme durch Bäderschließungen und Defizite im schulischen Schwimmunterricht. „Es muss endlich in die Köpfe rein, dass Schwimmenkönnen lebensnotwendig ist – und nicht nur Luxus“, sagt Vizepräsidentin Ursula Jung. Von Januar bis Juli zählte die DLRG bundesweit 279 Badetote, 37 mehr als im gleichen Vorjahreszeitraum.
RAVENSBURG - Fast 300 Menschen sind dieses Jahr bereits beim Baden ums Leben gekommen. Unter den Toten sind viele Kinder und junge Menschen. Die Deutsche LebensRettungs-Gesellschaft (DLRG) warnt: Die Republik ist auf dem besten Weg, das Schwimmen zu verlernen.
279 Todesopfer zählte die DLRG bundesweit (Stichtag 20. Juli) – 37 mehr als im gleichen Vorjahreszeitraum. Zu den Toten zählten bundesweit mehr als 20 Kinder unter 15 Jahren und über 40 junge Frauen und Männer zwischen 16 und 25 Jahren. In den ersten sieben Monaten des Jahres gab es in Baden-Württemberg 31 Badetote, noch mehr waren es in Bayern (45). Ursula Jung, Vizepräsidentin des DLRG Baden-Württemberg, sieht wegen Bäderschließungen und Defiziten beim schulischen Schwimmunterricht Kommunen und Schulträger in der Pflicht: „Es muss endlich in die Köpfe rein, dass Schwimmenkönnen lebensnotwendig ist – und nicht nur Luxus.“2016 und 2017 seien in Baden-Württemberg zehn Hallenbäder, vier Freibäder und ein Kombibad geschlossen worden – hingegen sei nur ein Hallenbad neu eröffnet worden. „Ohne Bäder können wir niemandem Schwimmen beibringen.“Zudem ist ihr der Trend zu Spaßbädern ein Dorn im Auge.
Probleme sieht sie auch an den Schulen, an denen Schwimmunterricht laut Bildungsplänen Pflicht ist. Doch es gebe immer weniger qualifizierte Lehrkräfte an den Grundschulen, die Schwimmunterricht erteilen könnten, sagt Jung. Die DLRG unterstützt Schulen dabei mit DLRG-Kräften im Rahmen des Bundesfreiwilligendiensts: „Im vergangenen Schuljahr konnten wir so 40 Kindern das Seepferdchen abnehmen.“
Seepferdchen reicht nicht aus
Doch das reiche nicht aus. Einer 2017 veröffentlichten Forsa-Umfrage im Auftrag der DLRG sind 59 Prozent der Zehnjährigen keine sicheren Schwimmer. Als sicherer Schwimmer gilt, wer das Jugendschwimmabzeichen in Bronze – auch bekannt als Freischwimmer – absolviert hat.
Das Seepferdchen ist nicht genug, sagt Emanuel Vailakis, Geschäftsführer des Württembergischen
Schwimmverbands: „Das ist bessere Wassergewöhnung.“Dabei lernten die Kinder nur, sich auf der Länge einer Bahn im Wasser ohne Wellen fortzubewegen. „Draußen in der Natur mit Strömung und Wellen sieht es aber ganz anders aus.“Doch auch wenn Eltern versuchen, ihren Kindern bereits vor der Schule Schwimmen beizubringen, gibt es Schwierigkeiten: „Ich kenne keine Schwimmschule, bei der es keine Wartelisten gibt.“Aus seiner Sicht müssten die Schulen in die Lage versetzt werden, ihrer Aufggabe nach zukommen und die Kommunen müssten finanzielle Unterstützung bekommen, um ihre Bäder zu sanieren. So stellt das Land Hessen 50 Millionen Euro für städtische Hallen- und Freibäder bereit.
Auch die Landesregierung im Südwesten beschäftigt das Thema: Das Kultusministerium startet im kommenden Schuljahr 2018/19 an allen Grundschulen in Baden-Württemberg eine Umfrage zum Schwimmunterricht, bei der es zum einen um die Schwimmfähigkeit der Kinder und auch um organisatorische Rahmenbedingungen sowie Qualifikation der Lehrer geht.
Eine neue Risikogruppe
Um das Angebot der Schulen weiterzuentwickeln, müsse man die Ausgangssituation analysieren. „Unabhängig davon ist klar: Damit unsere Kinder sicher Schwimmen lernen, stehen neben den Schulen auch die Eltern in der Verantwortung“, sagt Kultusministerin Susanne Eisenmann. Die Befragung wurde nach einem Runden Tisch im Januar 2018 beschlossen. Dazu hatte das Ministerium Vertreter des Deutschen Sportlehrerverbands, Schwimmverbände, DLRG, Landessportverband, Kommunen und das Landesinstitut für Schulsport, Schulkunst und Schulmusik (LIS), eingeladen.
Es gibt weitere Faktoren, die Badeunfälle begünstigen können. So starben den DLRG-Zahlen zufolge mehr Menschen an ungesicherten Badestellen als an beaufsichtigten Orten. Männer sind laut DLRG die größte Risikogruppe. Leichtsinn und Selbstüberschätzung seien dabei die Hauptursachen. In der Statistik sind Frauen mit 19 Prozent der Badetoten vertreten. In Bayern machten Senioren mehr als 50 Prozent der Badetoten aus. Hier warnt der DLRG vor Gesundheitsrisiken: Wer bei großer Hitze zu schnell ins Wasser geht, riskiert Kreislaufprobleme.
Asylsuchende stellen laut DLRG eine besondere Risikogruppe dar, denn in vielen Herkunftsländern gehört das Schwimmenlernen nicht zum Aufwachsen dazu. In den ersten sieben Monaten ertranken 15 Flüchtlinge. Vielerorts gibt es spezielle Schwimmkurse für sie, so etwa von der DLRG organisiert in Überlingen oder in Bermatingen, wo die Gemeinde dafür mit dem Verein Bürger füreinander zusammenarbeitet.