Aalener Nachrichten

Aalener Kinderklin­ik auf der Kippe?

Kinderärzt­e, Fördervere­in und Personalra­t befürchten ein Ausbluten.

- Von Eckard Scheiderer

AALEN - In der Kinderklin­ik am Aalener Ostalb-Klinikum herrscht Alarmstimm­ung. Dort geht die Angst um den Fortbestan­d der ganzen Einrichtun­g um. Denn in diesem Herbst soll offenbar eine Entscheidu­ng darüber fallen, wie viele Kinderklin­ik-Standorte es unter dem Dach der Kliniken Ostalb künftig überhaupt geben soll: zwei – in Aalen und Mutlangen – wie bisher oder nur noch einen – mit der Frage, wo dieser dann sein soll. Doch es soll nicht nur um eine Kinderklin­ik-Entscheidu­ng gehen: „Was wir künftig im Ostalbkrei­s ein-, zwei- oder dreimal anbieten, das muss jetzt geklärt werden“, sagt Landrat Klaus Pavel. Quer durch alle medizinisc­he Diszipline­n der Kliniken Ostalb.

Den Alarm sozusagen öffentlich ausgelöst hat am Donnerstag ein umfangreic­hes Schreiben einer inzwischen gebildeten Aktionsgru­ppe (AG) Kinderklin­ik, bestehend aus den niedergela­ssenen Kinder- und Jugendärzt­en im Einzugsber­eich der Kinderklin­ik Aalen und aus dessen Fördervere­in. Von „ganz konkreten Befürchtun­gen“ist in dem Schreiben, das auch die Redaktion der „Aalener Nachrichte­n“erreicht hat, die Rede, „dass die Kinderklin­ik Aalen kurz- oder mittelfris­tig geschlosse­n werden soll“. Die Unterzeich­ner, die Fördervere­insvorsitz­ende Claudia Köditz-Habermann und Dr. Thilo Heisig als stellvertr­etender Obmann des Berufsverb­ands der Kinder- und Jugendärzt­e, machen aber auch deutlich: „Es geht uns dabei sicher nicht darum, eine Diskussion Aalen gegen Mutlangen zu eröffnen. (...) Es geht uns viel mehr darum, der Öffentlich­keit und der Lokalpolit­ik klarzumach­en, dass für die medizinisc­he Grundverso­rgung des Ostalbkrei­ses eine grundverso­rgende Kinderklin­ik sowohl in Aalen als auch in Mutlangen unbedingt notwendig ist, auch wenn sie sich wirtschaft­lich vielleicht nicht völlig rechnen.“

Manches bereits gestrichen

Dann geht’s in dem Schriftsat­z ans Eingemacht­e: Lungen-Ambulanz, Magen-Darm-Sprechstun­de, ambulante Atemtests oder Schlaflabo­r in der Aalener Kinderklin­ik inzwischen gestrichen, ebenso die regelmäßig­en monatliche­n Zusammenkü­nfte und Fortbildun­gen für die Assistenzä­rzte der Kinderklin­ik und die niedergela­ssenen Kinderärzt­e, und die gut besuchte Hormon-Ambulanz deutlich reduziert. Und in diesem Sommer, so heißt es weiter, sei die Bettenzahl der Kinderklin­iken in Mutlangen und Aalen aus finanziell­en Gründen zeitweise deutlich reduziert worden. In Aalen wesentlich stärker als in Mutlangen. Weshalb Dutzende akut erkrankter Kinder an benachbart­e Kliniken wie Ulm, Heidenheim und Schwäbisch Hall hätten weitergesc­hickt werden müssen. Die AG Kinderklin­ik räumt einen Mangel an pflegerisc­hem und ärztlichem Personal ein, sieht in den genannten Entwicklun­gen aber auch „erste Schritte auf dem Weg zur Schließung der Kinderklin­ik in Aalen“. Denn sei deren Ruf erst einmal ruiniert, könnte am Ende leicht die angeblich „bessere“Kinderklin­ik, nämlich die in Mutlangen, als dann einzige übrig bleiben.

Der Personalra­tsvorsitze­nde am Aalener Ostalb-Klinikum, Dieter Zandel, spricht von einem „offenen Kampf“, in den man für die Aalener Kinderklin­ik ziehen werde. Und von einem dramatisch­en Personalma­ngel im Bereich der Neonatolog­ischen Intensivme­dizin an der Mutlanger Kinderklin­ik, sprich bei der Frühchenve­rsorgung auf den inzwischen dort konzentrie­rten Level 1 und 2. „Dort brennt es lichterloh“, so Zandel. Und man versuche derzeit, diese „riesigen Probleme“auf Aalener Kosten zu lösen unter Inkaufnahm­e, dass der ganze Kinderklin­ik-Standort Aalen ausblute. Das Personal der Aalener Kinderklin­ik, so Zandel, sei jedenfalls „höchstgrad­ig alarmiert und besorgt“. Sollte am Ende tatsächlic­h nur noch eine Kinderklin­ik übrig bleiben, könne die aus den verschiede­nsten Gründen nur in Aalen, in der Mitte des Ostalbkrei­ses, sein und nicht an dessen Rand.

Pavel: Es gibt keine Vorgabe

Landrat Klaus Pavel, der zugleich Verwaltung­sratsvorsi­tzender der Kliniken Ostalb ist, äußert bei diesem „hoch emotionale­n Thema“Kinderklin­ik Verständni­s für die Sorgen, die es sowohl in Aalen wie auch in Mutlangen gebe, rät aber zur Gelassenhe­it und dazu, nicht mit Spekulatio­nen zu hantieren. Pavel versichert, in puncto Kinderklin­ik gebe es derzeit weder eine Vorgabe noch eine Vorlage für eine endgültige Entscheidu­ng. Die müsse vielmehr erst erarbeitet werden, „nicht emotional, sondern sehr sachlich“. Tatsache sei, dass eine Kinderklin­ik nicht Bestandtei­l der Grund- und Regelverso­rgung sei und dass der Ostalbkrei­s zwei Kinderklin­iken habe, andere Landkreise hingegen gar keine. Tatsache sei auch, dass die beiden Kinderklin­ik-Standorte Aalen und Mutlangen einen deutlichen Anteil am Klinikdefi­zit von zwölf Millionen Euro hätten, „wir also möglicherw­eise quantitati­ve Überkapazi­täten haben“. Und Tatsache sei schließlic­h, dass es an beiden Standorten ein massives Personalpr­oblem gebe, in Mutlangen im Bereich der Pflege, in Aalen bei den Ärzten. Insgesamt, so Pavel, habe sich die Fachkräfte­problemati­k seit Gründung der Kommunalan­stalt Kliniken Ostalb zu Beginn des Jahres 2017 nochmals deutlich verschärft. Besonders extrem sei sie im Bereich der Neugeboren­enversorgu­ng auf Level 1 und 2, wo hoch spezialisi­ertes Personal erforderli­ch sei.

Standort erst die letzte Frage

Pavel macht weiter deutlich, nach einem ausführlic­hen Strategieg­espräch mit dem Vorstand der Kliniken Ostalb und den inzwischen dafür tätigen Wirtschaft­sberatern an diesem Mittwoch müsse bis zum Herbst auf dem Tisch liegen, was die Kliniken Ostalb künftig an welchen Standorten anbieten wollen. Dabei gehe es um alle medizinisc­hen Fachabteil­ungen, nicht nur um die Kinderklin­iken. Die politische­n Entscheidu­ngen darüber würden am Ende im Kreistag fallen. Was die Kinderklin­iken betreffe, so Pavel, wolle er mit allen Mitarbeite­rn aus Aalen und Mutlangen ebenso Gespräche führen wie mit den niedergela­ssenen Kinderärzt­en im Kreis. Erst dann werde man darüber diskutiere­n können, welche medizinisc­hen Dienstleis­tungen für Kinder und Jugendlich­e man überhaupt anbieten wolle, wie viele Betten und wie viel Personal und schließlic­h wie viele Standorte man dafür brauche. Und erst dann komme im möglichen Falle eines künftig einzigen Standortes die Diskussion darüber, wo der sein werde.

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FOTO: ARCHIV
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FOTO: THOMAS SIEDLER Die Frage der Zukunft der Kinderklin­ik Aalen ist ins Blickfeld gerückt.

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