Die Heuchelei des Westens
Die neue Debatte über eine westliche – und womöglich auch deutsche – Intervention im Syrien-Konflikt zeigt vor allem die Heuchelei, mit der Amerikaner und Europäer den Bürgerkrieg betrachten. Diskutiert wird über westliche Luftangriffe im Falle eines Einsatzes von Chemiewaffen in der Provinz Idlib. Ein Blutbad mit konventionellen Waffen wird dagegen seit Jahren schulterzuckend hingenommen.
Mehr als sieben Jahre lang hat sich der Westen aus dem Krieg in Syrien herausgehalten. Als vor drei Jahren die Flüchtlinge aus dem Bürgerkriegsland in Europa ankamen, machte die EU mit der Türkei einen Deal, der das Nato-Land zum Torwächter machte, um Hilfesuchende aufzuhalten. Politische Initiativen zur Lösung des Grundproblems – des Krieges selbst – blieben aus.
Die USA hatten es noch leichter als die Europäer, Syrien sich selbst sowie den Russen und Iranern zu überlassen. Durch einen breiten Ozean vom Kampfgeschehen getrennt, mussten die Amerikaner nicht einmal die Ankunft von Flüchtlingsbooten befürchten. Barack Obama erlaubte dem syrischen Regime sogar den Einsatz von C-Waffen, indem er trotz einer entsprechenden Warnung tatenlos blieb, als Zivilisten elend erstickten. Donald Trump hat das geändert und bisher zweimal Raketenangriffe angeordnet, weil die syrischen Truppen erneut Giftgas einsetzten.
Doch weder die USA noch Europa haben eine politische Strategie für das Bürgerkriegsland Syrien: Auch wenn überlegene westliche Waffen die Assad-Armee und die russischen Kampfjets in die Schranken weisen sollten, wüssten die Regierungen in Washington, London, Paris und Berlin nicht, wie es in Syrien weitergehen sollte. Insofern ist der Streit in der Bundesregierung über eine mögliche Bundeswehrbeteiligung an militärischen Strafmaßnahmen nach einer möglichen Giftgasattacke nicht viel mehr als Wichtigtuerei. Deutschland – dieser Eindruck hat sich über die Jahre verfestigt – hat nicht die Absicht, in Syrien irgendetwas dauerhaft zu verändern.