Sie schenken ihm nichts
Was ist nicht alles im Vorfeld gestritten worden, ob ein Staatsbesuch für Recep Tayyip Erdogan zu viel der Ehre sei, ob für den türkischen Präsidenten, der deutsche Staatsbürger als Geiseln in Haft hält, wirklich der rote Teppich ausgerollt werden muss. Staatsbesuch – da denkt man doch an die Queen und Obama. An lächelnde Gesichter und festliche Bankette.
Doch es geht auch anders. Formal mag es ein Staatsbesuch sein, bei dem man den Gast ehrt, in der Sache zeigte man sich knallhart. Sowohl Bundespräsident Steinmeier als auch Angela Merkel machten ohne viel Schnörkel klar, dass sie die Rechtsstaatlichkeit in der Türkei für nicht gegeben halten und sie angesichts der aus politischen Gründen in Haft gehaltenen Deutschen auch nicht willens sind, zur Tagesordnung überzugehen.
Erdogan wiederum hörte sich notgedrungen all das an, schließlich ist die Türkei in großen wirtschaftlichen Nöten. Der türkische Präsident sucht, auch angesichts der US-Sanktionen, den wirtschaftlichen Schulterschluss mit Europa.
Im Berlin Ernst Reuters, der während der Nazizeit in die Türkei ins Exil ging, erinnert Steinmeier daran, dass heute beunruhigend viele Türken bei uns Zuflucht suchen. Das Ringen um die Besserung der politischen Verhältnisse, die Überwindung von Zwang und Unfreiheit verkörpere die Hoffnung auf Freiheit und Rechtsstaatlichkeit.
Erdogan hat an den Straßen der Hauptstadt für Freiheit demonstrierende junge Menschen gesehen. Er ist sowohl von Kanzlerin und Bundespräsident auf Rechtsstaatsdefizite der Türkei hingewiesen worden. Er hat sich bei einer Pressekonferenz unangenehmen Fragen stellen müssen. Und die deutschen Wirtschaftsbosse werden mit Sicherheit auch auf die Bedeutung von Vertrauen in den Rechtsstaat Türkei hingewiesen haben. Schließlich fanden sich einige von ihnen vor einem Jahr selbst auf Terrorlisten der Türkei.
Gegen Ende des Erdogan-Besuchs in Berlin kann man deshalb nur sagen: So, wie sie es gemacht haben, kann man Erdogan zum Staatsbesuch laden. Sie haben ihm nichts geschenkt.