Vorwurf: Sohn sexuell missbraucht
Mutter aus Aalen steht vor Gericht: 18-Jähriger könnte der Vater seines Halbbruders sein
AALEN - Selten ist es eine Frau, die mit dem Vorwurf des sexuellen Missbrauchs vor Gericht konfrontiert wird. Noch seltener eine Mutter, die diese körperliche und seelische Gewalt ihrem Sohn angetan haben soll. Vor dem Schöffengericht des Amtsgerichts Aalen wird gerade genau solch ein Fall verhandelt. Einer Aalenerin wird vorgeworfen, zwischen 2002 und 2011 ihren 1999 geborenen Sohn sexuell missbraucht zu haben, in einem Fall sogar schwer.
Die Frau bestreitet das vor Gericht vehement, wie sie über ihren Verteidiger Peter Hubel mitteilen lässt. Dann kommentiert sie die Vorwürfe selbst: „Ich habe nichts getan. Der Straftäter sitzt da drüben“, und deutet auf den späteren Pflegevater und Betreuer ihres Sohnes, der als Vertreter des Nebenklägers ihr im Gerichtssaal gegenüber sitzt. Staatsanwalt Ulrich Karst nennt zwei der konkretisierten Vorfälle des mutmaßlichen Missbrauchs, der sich über Jahre hinweg gezogen haben soll. In der Anklage heißt es, dass die Mutter zwischen 2002 und 2003 ihren Sohn sexuell missbraucht habe. In einem Fall – im Mai 2011, als der Bub bereits bei einer Pflegefamilie im Ries lebte – wird ihr schwerer Missbrauch vorgeworfen.
Opfer hat Angst, dass auch Bruder misshandelt wird
Insgesamt liegt ein sehr komplexer Sachverhalt vor. Zwei Gutachter prüfen die Glaubwürdigkeit des Buben, der die Vorwürfe gegen seine Mutter erhoben hat. Der Vorsitzende Richter des Schöffengerichts, Martin Reuff, schildert vor der nichtöffentlichen Anhörung des Opfers einige Hintergründe. Unter anderem gibt es neben dem Strafverfahren ein Umgangsverfahren gegen die Mutter, das allerdings ruht. Bei Umgangsverfahren klären Gerichte, ob Kinder aus ihrer Familie herausgenommen werden, weil sie entweder körperlich oder seelisch misshandelt werden, oder aufgrund von Vernachlässigung oder Verwahrlosung. In jenem Fall geht es aber nicht um das Opfer, sondern um dessen Halbbruder, von dem der 18-Jährige mutmaßlich auch der Vater sein könnte, wie Richter Reuff sagt. Der Verteidiger der Mutter entgegnet, dass diese Anschuldigungen „hanebüchen“seien. Der Psychologe des Buben schildert wiederum, dass diese mutmaßliche Vaterschaft eines der Hauptthemen sei, die seinen Patienten beschäftigten. Dieser habe Angst, dass dem Bruder dasselbe zustößt wie ihm. Der Geschädigte wird seit 2015, seitdem er sich seinem Umfeld geöffnet und die Anschuldigungen gegen seine Mutter preisgegeben hat, in der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie in Nördlingen behandelt.
Pflegemutter: Junge zeigt sexuelle Auffälligkeiten
Der Psychologe beschreibt den Buben nicht als geistig behindert, sondern vielmehr als lernbehindert. Er habe ein sehr gutes episodisches Gedächtnis, was er sagt, soll also aus seinen Erinnerungen stammen und nicht durch Wissen angeeignet worden sein. Was den Buben zudem sehr belaste, seien diese eine „schlimme Nacht“, die Schläge von der Mutter und das Zusehen, wenn die Mutter mit anderen Männern intim gewesen sei. Vor Gericht sagt auch die frühere Pflegemutter aus. Sie schildert, dass der Junge sexuelle Auffälligkeiten zeigte. Sie habe geahnt, dass er misshandelt wurde, habe aber keinen konkreten Verdacht äußern können. Der frühere Pflegevater, der den 18-Jährigen heute betreut, sagt, dass sein Sohn ihm urplötzlich im Wohnzimmer von den Übergriffen erzählt habe. Daraufhin hätten sie sich an die Klinik in Nördlingen gewandt.
Ein Lehrer des Sohnes zeigt dem Gericht einen Vorfall während eines Ausflugs auf, bei dem der Junge zufällig seine Mutter sah. Er sei panisch weggerannt und habe völlig verstört reagiert. Daraufhin habe sich die Schule mit Jugendamt, Pflegeeltern und Psychologen ausgetauscht und beraten.
Die Verhandlung wird in zwei Wochen fortgesetzt. Dann soll die Videovernehmung des Buben aus dem Jahr 2016 gezeigt werden. Außerdem sind weitere Zeugen geladen.